– 32 –

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bildung des Expertengremiums beauftragt. Noch in der
alten Legislaturperiode schloss sich an die Verabschiedung des Gesetzentwurfs ein Prüfverfahren vor der
EU-Kommission an. Nach der sog. Transparenzrichtlinie
sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Kommission über Gesetzesvorhaben zu unterrichten, sofern diese
die Rechte der Informationsgesellschaft betreffen. Nachdem dieses Prüfverfahren abgeschlossen wurde, ohne
dass die EU-Mitgliedstaaten Bedenken äußerten, wurde
die Urschrift des Gesetzes dem Bundespräsidenten zur
Ausfertigung zugeleitet. Allerdings war inzwischen die
Legislaturperiode abgelaufen und die neue Regierung
vereinbarte in ihrem Koalitionsvertrag eine Aussetzung
bzw. Nichtanwendung des Gesetzes. Kriminelle Angebote sollten gelöscht statt gesperrt werden; nach Ablauf
eines Jahres sollte eine Neubewertung ergebnisoffen vorgenommen und bis dahin keine Sperrliste geführt werden.

2.4.1

Das Gesetz ist erst am 23. Februar 2010 in Kraft getreten
(BGBl. I, S. 78ff). Die Bundesregierung hat mir sodann
mitgeteilt, dass sie eine Gesetzesinitiative zur Löschung
kinderpornografischer Inhalte im Internet beabsichtige
und sich bis zum Inkrafttreten dieser Regelung ausschließlich für die Löschung derartiger Seiten einsetzen,
aber keine Zugangssperren vornehmen werde. Vor diesem
Hintergrund wird aus meiner Sicht die Bestellung des geplanten Expertengremiums hinfällig.

Vom 27. bis 30. September 2009 fand in Oslo die 6. Internationale Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten statt. Wichtiger Schwerpunkt der Veranstaltung waren
u. a. die Herausforderungen und Chancen für die Informationsfreiheit angesichts der neuen Informationstechnologien. Hierbei standen neben technischen Fragen die Balance zwischen Informationsfreiheit und dem Schutz der
personenbezogenen Daten sowie dem Schutz des geistigen Eigentums im Mittelpunkt. Darüber hinaus wurde der
wichtigen Frage nachgegangen, inwieweit Informationsfreiheit und Transparenz dazu beitragen könnten, Krisen
auf dem Finanzmarkt zu verhindern. Einerseits wurde
diskutiert, wie Transparenz gewährleistet werden kann,
wenn immer mehr öffentliche Aufgaben in private Hände
gegeben werden. Zum anderen ist zu fragen, ob mehr Offenheit bei der staatlichen Aufsicht über die Finanzmärkte
dazu führt, dass problematische Entwicklungen schneller
und in größerem Umfang bekannt werden und so zumindest die Auswirkungen von Krisen gemildert werden können. Dies ist auch für die Situation in Deutschland von Interesse, da es auf politischer Ebene bereits Vorstöße gab,
die Transparenz gerade bei der Finanzaufsicht noch stärker einzuschränken (vgl. Nr. 2.3.1.4).

2.4

Informationsfreiheit im europäischen
und internationalen Bereich

Informationsfreiheit – ein weltumspannendes Problem.
Die Prinzipien der Informationsfreiheit – Transparenz,
demokratische Teilhabe, öffentlicher Diskurs oder Korruptionsprävention – gelten natürlich nicht nur in
Deutschland, sondern sind auch in vielen anderen Ländern weltweit fester Bestandteil einer demokratischen
Kultur. Zudem ist Informationsfreiheit im Zeitalter des
globalen Informationsaustausches nicht allein auf die jeweilige nationale Ebene beschränkt. Daher spielt der freie
Zugang zu Informationen des öffentlichen Sektors zunehmend auch bei internationalen und europäischen Institutionen eine Rolle.

Europäische und Internationale
Konferenzen

Im Berichtszeitraum tagten sowohl auf internationaler als
auch auf europäischer Ebene die jeweiligen Konferenzen
der Informationsfreiheitsbeauftragten.
Die 3. Europäische Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten fand am 29. September 2008 unter Vorsitz
der Slowenischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragten in der Nähe von Ljubljana statt. Hauptthema der Konferenz, an der auch ein Mitarbeiter des
BfDI teilnahm, war die zu dieser Zeit noch im Entwurfsstadium befindliche Konvention des Europarats über den
Zugang zu amtlichen Dokumenten (nähere Details hierzu
unter Nr. 2.4.2). Darüber hinaus wurden Erfahrungen hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen und konkreter Fälle
zur Informationsfreiheit ausgetauscht.

2.4.2

Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück –
Europaratskonvention zur Informationsfreiheit ohne deutsche
Unterschrift?

Die europäische und internationale Vernetzung erfordert
eine enge Zusammenarbeit und den Austausch von Erfahrungen mit den Informationsfreiheitsbeauftragten und
Ombudsleuten in anderen Ländern. Gleichzeitig gilt es,
auch auf internationaler Ebene verbindliche Regeln und
Standards für die Informationsfreiheit zu schaffen und
mit Leben zu erfüllen.

Der Europarat hat 2009 die Konvention über den Zugang
zu amtlichen Dokumenten angenommen (SEV-Nr. 205).
So erfreulich es ist, dass damit die erste völkerrechtlich
bindende Regelung zur Informationsfreiheit entsteht, so
enttäuschend ist der Umgang der maßgeblichen deutschen Stellen mit diesem völkerrechtlichen Vertrag.

Informationsfreiheit ist in Deutschland im internationalen
Vergleich noch ein recht junges Rechtsgebiet. Insofern
profitiert der BfDI in hohem Maße von den Erfahrungen
der Kolleginnen und Kollegen innerhalb und außerhalb
Europas. Gleichzeitig bringt sich der BfDI im Rahmen
seiner Kapazitäten auch aktiv in die Zusammenarbeit mit
den Informationsfreiheitsbeauftragten auf europäischer
und internationaler Ebene ein.

Die Schaffung einer völkerrechtlich bindenden Rechtsgrundlage zur europaweiten Verankerung der Informationsfreiheit kann nicht hoch genug geschätzt werden. Ihr
In-Kraft-Treten vorausgesetzt, würde die Konvention einen verbindlichen Mindeststandard setzen, den alle Unterzeichnerstaaten umsetzen müssten. Für Deutschland
würde dies vor allem bedeuten, dass die fünf Länder in
die Pflicht genommen würden, die bisher noch kein Infor-

2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

Select target paragraph3