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Ich begrüße diese deutlichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts und appelliere an die Behörden, bei
Anträgen auf Zugang zu eingestuften Informationen stets
sehr sorgfältig zu prüfen, ob die Einstufung materiell
(noch) begründet ist. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts strahlen auch auf meine eigene Kontrolltätigkeit
aus. Wenn es für den Ablehnungsgrund des § 3 Nummer 4 IFG maßgeblich darauf ankommt, ob die Einstufung zu Recht erfolgt ist, und ein Gericht dies überprüfen
könnte, muss auch ich die Möglichkeit haben, mich bei
entsprechenden Eingaben von der Rechtmäßigkeit einer
Einstufung zu überzeugen. Die Behörden dürften mir daher eine hierzu erforderliche Einsicht in die entsprechenden Unterlagen nicht verweigern. Auch wenn ich in vielen Fällen aus Kapazitätsgründen zu einer solchen
inhaltlichen Prüfung nicht in der Lage sein werde, behalte
ich mir vor, in Einzelfällen von dieser Kompetenz Gebrauch zu machen.
2.1.9
Wie offen ist die Diplomatie?
Zur schwierigen Abgrenzung zwischen Transparenz und
dem Schutz außenpolitischer Belange hat das Bundesverwaltungsgericht Leitlinien gesetzt.
Zwar werden die internationalen Beziehungen in der modernen westlichen Demokratie nicht mehr allein in dunklen Hinterzimmern verhandelt. Dennoch ist die internationale Diplomatie auch heute noch in weiten Bereichen
von Vertraulichkeit geprägt. Auf der anderen Seite hat
sich das Demokratieverständnis der Öffentlichkeit in der
Weise gewandelt, dass die Bürgerinnen und Bürger auch
in diesem Bereich wissen wollen, was die von ihnen legitimierten staatlichen Institutionen tun. Folgerichtig hatte
ich mich im Berichtszeitraum mit einigen Eingaben zu
befassen, bei denen es vor allem darum ging, das Verhältnis zwischen Transparenz und notwendiger diplomatischer Vertraulichkeit unter dem Blickwinkel des Informationsfreiheitsgesetzes auszutarieren.
Die Gesetzeslage ist scheinbar eindeutig: Nach § 3 Nummer 1 Buchstabe a IFG besteht dann kein Anspruch auf
Informationszugang, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die internationalen
Beziehungen haben kann. So einfach ist die Sache im
konkreten Einzelfall dann aber nicht. So muss zum einen
geklärt werden, ob das Bekanntwerden einer Information
sich kausal nachteilig auf die internationalen Beziehungen auswirken kann, was nur aufgrund einer Prognoseentscheidung möglich ist, die die zuständige Behörde
treffen und begründen muss. Dies ist zwar auch bei anderen Ausnahmetatbeständen der Fall. Hier besteht aber die
Besonderheit, dass die Pflege der internationalen Beziehungen noch immer stark von den politischen Erfahrungen der beteiligten Personen und dem persönlichen Vertrauensverhältnis mit ausländischen Vertretern geprägt
ist. Insofern ist es für Dritte außerordentlich schwierig,
die Prognoseentscheidung der Behörde nachzuvollziehen.
Das gilt sowohl für meine Überprüfung, ob die Ablehnung eines Informationsersuchens rechtmäßig war, als
auch für die gerichtliche Kontrolle von ablehnenden Entscheidungen.
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einem Urteil
vom 29. Oktober 2009 nunmehr umfassend mit der Anwendung von § 3 Nummer 1 Buchstabe a IFG befasst
(Urteil des BVerwG vom 29. Oktober 2009, – 7 C 22.08 –).
Hintergrund war der beim BMVBS gestellte Antrag auf
Auskunft über bestimmte Flugbewegungen angeblich von
der amerikanischen CIA durchgeführter illegaler Flüge.
Ich habe über diesen Fall bereits in meinem
1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit unter einem
anderen Blickwinkel berichtet (1. TB Nr. 4.12.4; siehe
auch unten Nr. 4.19.8).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst klargestellt,
dass § 3 Nummer 1 Buchstabe a IFG der informationspflichtigen Stelle einen Beurteilungsspielraum in der
Frage einräume, was nachteilige Auswirkungen auf die
internationalen Beziehungen seien. Ob diese nachteiligen
Auswirkungen durch das Bekanntwerden der Informationen eintreten können, erfordere eine Prognoseentscheidung dieser Stelle. Für die Regelung der auswärtigen Beziehungen räume das Grundgesetz der Bundesregierung
einen weiten Gestaltungsspielraum ein, innerhalb dessen
die Bundesregierung die außenpolitischen Ziele und die
verfolgte Strategie bestimme. Dieser Spielraum entziehe
sich mangels rechtlicher Kriterien weitgehend einer gerichtlichen Kontrolle. Auch ob das Bekanntwerden einer
Information diesen Zielen gegenüber einem bestimmten
Staat und der zu ihrer Erreichung verfolgten Strategie abträglich sei, könne nur durch die Bundesregierung beurteilt werden. Nur sie könne bewerten, ob eine erwartete
Einwirkung auf die auswärtigen Beziehungen hingenommen werden könne oder vermieden werden solle.
Das Gericht stellt auch an den Grad der Gewissheit, ob
sich das Bekanntwerden nachteilig auswirken kann, keine
hohen Anforderungen. Gerichtlich könne nur überprüft
werden, ob die Prognose plausibel und nachvollziehbar,
der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden sei und keine offensichtlich fehlerhaften, insbesondere in sich widersprüchlichen Prognosen vorgenommen
worden seien. Interessant ist auch die Feststellung des
Gerichts, dass die informationspflichtige Stelle bei der
Beurteilung der nachteiligen Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen alle denkbaren Verwendungsmöglichkeiten der Informationen im Auge haben und
diese objektiv im Hinblick auf die Auswirkungen auf die
Beziehungen zu einem bestimmten Staat prüfen müsse.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass den Behörden ein weiter
– gerichtlich nicht überprüfbarer – Beurteilungsspielraum
eingeräumt ist, was überhaupt als nachteilige Auswirkungen in Betracht kommt und ob sich die Herausgabe der
beantragten Informationen tatsächlich nachteilig auswirken könnte. Für meine eigene Kontrolle bedeutet dies,
dass diese sich ebenfalls im Wesentlichen auf eine Plausibilitätsprüfung beschränken muss.
Der Schutz der diplomatischen Beziehungen ist selbstverständlich auch in solchen Fällen zu berücksichtigen, wo
es um das Verhältnis zu den Organen der Europäischen
Union und ihren Mitgliedstaaten geht. Deshalb ist auch
die Verweigerung der Herausgabe einer Klageschrift eines Mitgliedstaates vor dem Europäischen Gerichtshof