Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
– 19 –
K a s t e n b zu Nr. 2.1.7
Auszug aus der Begründung zu § 3 Nummer 7 IFG,
Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 11
Behörden sind in hohem Maße auf eine – insbesondere
freiwillige – Informationszusammenarbeit mit Bürgern
angewiesen. Dies gilt auf Bundesebene vor allem für
das Bundeskartellamt, die Bundesregulierungsbehörde
für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und Post, das
Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst. Da die
Bereitschaft der Bürger zu einer solchen Kooperation
von dem Vertrauen in die Verschwiegenheit der Verwaltung abhängt, muss vertrauliche Information geschützt
werden. Vertraulich ist eine vertraulich (von der Behörde) erhobene oder (an die Behörde) übermittelte
Information. ...
Vertrauliche Übermittlungen zwischen Behörden erfasst
Nummer 7 nach seinem Schutzzweck nicht.
Kommt in Betracht, dass das Interesse an einer vertraulichen Behandlung nachträglich entfallen ist, geht die
Behörde dem im Rahmen ihres Verfahrensermessens
nach, insbesondere durch eine Nachfrage bei dem Informationsgeber.
2.1.8
Verschlusssachen – Einstufung allein
reicht nicht aus
Nunmehr ist höchstrichterlich geklärt, dass allein die formale Einstufung eines Dokuments als Verschlusssache
nicht genügt, um den Zugang zu diesem zu verweigern.
Nach dem Ausnahmetatbestand des § 3 Nummer 4 IFG
besteht kein Anspruch auf Informationszugang, „wenn
die Information einer [...] durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen
Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt“. Bereits in
meinem 1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
(Nr. 2.2.5) hatte ich auf das Problem hingewiesen, dass
nach dem reinen Wortlaut dieser Regelung allein die formale Einstufung eines Dokuments als Verschlusssache
– unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Einstufungsentscheidung – einem Antrag auf Informationszugang entgegengehalten werden könnte. Dies erschien insbesondere im Hinblick auf solche Einstufungen
bedenklich, die zum Zeitpunkt des IFG-Antrags bereits
längere Zeit zurücklagen, da hier das Geheimhaltungsbedürfnis zwischenzeitlich entfallen sein konnte. Zum anderen bestand die Gefahr, dass Unterlagen nur im Hinblick
auf künftige IFG-Anträge als „VS-NfD“ eingestuft würden, möglicherweise sogar erst nach Antragstellung. Ich
hatte daher von den Behörden verlangt, dass sie zumindest bei älteren Einstufungen einen IFG-Antrag zum Anlass nehmen, die fortbestehende Berechtigung der Einstufung noch einmal zu überprüfen, und betont, dass ich
grundsätzlich die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle der Einstufungsentscheidung für erforderlich halte.
Erfreulicherweise hat nunmehr das Bundesverwaltungsgericht in zwei Urteilen vom 29. Oktober 2009
(– 7 C 21.08 – zum „Leitfaden Sprachnachweis“ des
Goethe-Instituts; – 7 C 22.08 – zu Flugplandaten angeblicher CIA-Flüge, vgl dazu auch Nr. 4.19.8) entschieden,
dass allein die formale Einstufung einer Information als
Verschlussssache einen Anspruch auf Informationszugang noch nicht ausschließt. Vielmehr muss die Einstufung auch materiell gerechtfertigt sein, was ein Gericht
u. U. durch Beiziehung der fraglichen Unterlagen nachzuprüfen hat.
K a s t e n zu Nr. 2.1.8
Auszug aus dem Urteil des BVerwG vom
29. Oktober 2009 – 7 C 21.08 –
„Jedenfalls nach dem Sinn und Zweck des § 3
Nummer 4 IFG sowie nach der damit untrennbar verbundenen Systematik des § 3 IFG kommt es auf die materielle Richtigkeit der Einstufung als Verschlusssache
an. § 3 IFG schützt nach der amtlichen Überschrift besondere öffentliche Belange gegen Nachteile, die ihnen
drohen, falls eine Information bekannt wird. Die nur
formale Einstufung als Verschlusssache ist losgelöst von
den eventuell hinter ihr stehenden materiellen Geheimhaltungsbedürfnissen nicht schutzwürdig. Den öffentlichen Belangen drohen keine Nachteile, wenn eine als
Verschlusssache eingestufte Information bekannt wird,
es sei denn, die Einstufung entspricht den materiellen
Geheimhaltungsbedürfnissen, wie sie in § 3 Nummer 4 VSA i. V. m. § 4 SÜG geregelt sind. Es besteht
kein Grund für die Annahme, der Gesetzgeber habe in
§ 3 Nummer 4 IFG einen Ausschlusstatbestand schaffen
wollen, der nicht in vergleichbarer Weise wie die anderen Ausschlusstatbestände dem Schutz materieller öffentlicher Belange dient. Zwar löst bereits die formelle
Einstufung als Verschlusssache für den damit befassten
Bediensteten eine Pflicht zur Vertraulichkeit aus. Sie besteht aber nur zum Schutz der materiellen Geheimhaltungsbedürfnisse, wie sie in der Verschlusssachenanweisung geregelt sind. Nur von einer ihr entsprechenden
Einstufung als Verschlusssache lässt sich sagen, dass die
mit ihr begründete Pflicht zur Vertraulichkeit in der Verschlusssachenanweisung geregelt ist, wie der Wortlaut
der Vorschrift es verlangt. Für das Verhältnis der Behörde zu außenstehenden Dritten ist aber weniger die
Pflicht ihrer Bediensteten zur Vertraulichkeit maßgeblich, sondern die mit ihr gegebenenfalls verbundenen
materiellen Geheimhaltungsinteressen.
[...] Ob der Kläger einen Anspruch auf Zugang zu dem
Leitfaden Sprachnachweis des Goethe-Instituts hat,
hängt danach davon ab, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Einstufung des Leitfadens als Verschlusssache vorliegen. [...] Die Beklagte behauptet
dies, ohne ihre Behauptung durch konkrete Darlegungen zum Inhalt des Leitfadens nachvollziehbar zu machen. Ob ihre Behauptung zutrifft, hängt deshalb davon
ab, welchen Inhalt der Leitfaden tatsächlich hat und ob
sein Bekanntwerden geeignet ist, die von der Beklagten
heraufbeschworene Gefahr herbeizuführen. Dies wird
das Verwaltungsgericht nur dann nachprüfen können,
wenn es den Leitfaden als entscheidungserhebliche Unterlage zur näheren Nachprüfung seiner materiell zutreffenden Einstufung als Verschlusssache beizieht.“
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit