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zu 1.
Bei der Herausgabe von Informationen zum Ausschreibungsverfahren (Ausschreibungstexte, Fristen etc.) vermag ich keine Gründe zu erkennen, die eine Anwendung
des IFG ausschlössen. Auch nach dem Ende der Ausschreibungsfrist sind keine Ausnahmegründe erkennbar,
die einer Offenlegung dieser Informationen entgegenstünden. Lediglich während der Ausschreibungsfrist wäre
eine Ablehnung eines Informationsantrages mit dem Verweis auf § 9 Absatz 3 IFG denkbar, da diese Angaben in
den entsprechenden Medien veröffentlicht sind (bspw.
Amtsblatt oder Internet). In diesen Fällen sollte jedoch
auf Grund der Komplexität des Vergaberechts die Fundstelle genannt werden.
zu 2.
Die Angebotsöffnung und Zuschlagserteilung sind von
ihrem Wesen her vertraulich. Insbesondere die §§ 22
und 27 VOL/A zielen auf eine vertrauliche Durchführung
des Vergabeverfahrens ab. So darf die Niederschrift bei
Öffnung der Angebote weder den Bietern noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden (§ 22 Nummer 5 VOL/A). Die Angebote sind zudem grundsätzlich
vertraulich zu behandeln. Nach dem Ende des Vergabeverfahrens können allerdings unterlegene Bieter auf Antrag Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes erfragen
(§ 27 VOL/A). Der Umfang der Informationen ist vorgegeben und gem. § 27 Nummer 6 VOL/A abschließend.
Weitere spezialgesetzliche Informationszugangs- und
Auskunftsansprüche könnten sich aus dem § 13 VgV, § 72
Absatz 2 GWB und § 111 Absatz 2 GWB ergeben. § 13 VgV
verpflichtet den Auftraggeber, die Bieter, die nicht berücksichtigt werden sollen, spätestens 14 Tage vor Vertragsunterzeichnung über die bevorstehende Nichtberücksichtigung zu informieren. Die Bestimmungen des § 72
Absatz 2 und § 111 Absatz 2 GWB regeln Akteneinsichtsrechte im Beschwerde- und Vergabenachprüfungsverfahren. Das GWB verweist im § 97 Absatz 6 GWB
auf die VgV. § 4 Absatz 1 VgV enthält den Verweis auf
die VOL/A, wodurch dieses Regelungswerk Rechtsnormqualität oberhalb der Schwellenwerte der EU erlangt. Danach haben öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von
Liefer- und Dienstleistungsaufträgen [...] die Bestimmungen des 2. Abschnittes der VOL/A [...] anzuwenden. Die
Rechtsnormqualität der VOL/A begrenzt sich meiner
Auffassung nach aber zeitlich auf die Vergabe des Auftrages, also auf das Vergabeverfahren selbst.
Nach § 1 Absatz 3 IFG gehen dem IFG grundsätzlich
spezialgesetzliche Auskunftsansprüche in anderen
Rechtsvorschriften vor, mit Ausnahme von § 29 VwVfG
und § 25 SGB X, und zwar unabhängig davon, ob sie ein
engeres oder ein weiteres Zugangsrecht gewähren. Dies
gilt jedoch nur, soweit der Anwendungsbereich der Spezialnorm reicht und sie als abschließende Regelung anzusehen ist; im Übrigen bleibt das IFG anwendbar. Da die
vergaberechtlichen Vorschriften nur während des laufenden Vergabeverfahrens zur Anwendung kommen, wird
das IFG nach § 1 Absatz 3 IFG durch die vergaberechtlichen Bestimmungen nur in den Fällen verdrängt, in denen
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
das Vergaberecht überhaupt Regelungen über den Zugang
zu amtlichen Informationen enthält. Eine generelle spezialgesetzliche Regelung i. S. e. Ausschließlichkeit ist
das Vergaberecht nicht.
zu 3.
Eine Heranziehung der VOL/A nach Abschluss des Vergabeverfahrens scheidet daher aus. Die dortigen Regelungen können dann nicht als spezialgesetzliche Auskunftsansprüche bzw. Versagungsgründe angeführt werden.
Demzufolge vertrete ich den Standpunkt, dass das IFG ab
diesem Zeitpunkt vollumfänglich zur Anwendung
kommt. Inwieweit die Ausnahmegründe der §§ 3 bis 6
IFG dann einem Informationszugang entgegenstehen
könnten, wäre im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.
Nach meiner Ansicht wird also das IFG durch die vergaberechtlichen Vorschriften nur während eines laufenden
Vergabeverfahrens gemäß § 1 Absatz 3 IFG verdrängt,
soweit Regelungen getroffen sind. Nach Abschluss des
Vergabeverfahrens besteht jedoch ein uneingeschränkter
Informationszugangsanspruch nach dem IFG.
Die Behörden behandeln diese Problematik in den mir bekannt gewordenen Fällen durchaus unterschiedlich, wie
sich aus den Fällen unter Nr. 4.10.1, 4.14.4, 4.15.3 ergibt.
2.1.5
Was stört Beratung und
Entscheidungsprozess?
Auch bei laufenden Verwaltungsverfahren ist Informationszugang grundsätzlich möglich.
Immer wieder werden Anträge auf Informationszugang
abgelehnt, weil das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Dies allein ist aber kein Kriterium des
IFG. Nach § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG besteht kein
Anspruch auf Informationszugang, wenn und solange die
Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Dies ist
sowohl innerhalb einer Behörde als auch bei Gesprächen
oder Verhandlungen mit anderen Behörden oder sonstigen Einrichtungen möglich. Voraussetzung ist aber immer, dass solche Beratungen und Gespräche überhaupt
stattfinden und dass das Bekanntwerden der gewünschten
Information darauf negative Auswirkungen haben kann,
d. h. es schwieriger wird, die Gespräche zu führen oder
Ergebnisse zu erzielen, z. B. weil sich Verhandlungspositionen verhärten könnten, wenn bestimmte Informationen
öffentlich werden. Die Behörde muss dies konkret und
einzelfallbezogen darlegen, wenn sie den Informationswunsch aus diesem Grunde ablehnen will. Außerdem ist
auch der zeitliche Aspekt zu beachten: Der Ausnahmegrund gilt nur solange, wie eine Beeinträchtigung der Beratungen zu erwarten ist. Sobald diese wegfällt, ist dem
Informationswunsch stattzugeben, gegebenenfalls auf einen neuen Antrag hin.
Entgegen einer häufiger anzutreffenden Praxis kann § 3
Nummer 3 Buchstabe b IFG nicht herangezogen werden,
nur weil ein Verwaltungsverfahren bei der zuständigen
Stelle noch nicht abgeschlossen worden ist. Die ungestörte Bearbeitung eines Sachverhalts wird nicht durch
diesen Ausnahmetatbestand geschützt.