Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
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willigung obliegt es aber dann der Behörde, zu prüfen, ob
tatsächlich die Voraussetzungen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im Sinne des IFG vorliegen und der
Antrag abzulehnen ist.
Bei den mir bekannt gewordenen Fällen wurde dieses
Verfahren nicht immer eingehalten (zum Drittbeteiligungsverfahren siehe Nr. 2.1.10). Ferner besteht auch die
Möglichkeit, dass das betroffene Unternehmen seine Einwilligung zur Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erteilt.
Inzwischen hat auch das Bundesverwaltungsgericht in einer der ersten höchstrichterlichen Entscheidungen zum
IFG den Begriff und die Reichweite von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen konkretisiert (Urteil vom 28. Mai
2009, – 7 C 18.08 –). Danach setzt ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis neben dem Mangel an Offenkundigkeit
der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes
Interesse des Unternehmens an der Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse fehlt nach Ansicht des Gerichts
insbesondere, wenn die Offenlegung der Information
nicht geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Konkurrenten am Markt zugänglich
zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Damit greift das Gericht
im Wesentlichen die Begründung zum IFG auf und bestätigt meine bisherige Auslegungspraxis.
Damit kann der Ausnahmegrund nicht mehr pauschal herangezogen werden, sobald nach dem geschäftlichen Zusammenwirken von privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand gefragt wird.
2.1.4
Vergabeverfahren – Regelungslücke
oder uneingeschränkte Transparenz?
Der Zugang zu Unterlagen eines Vergabeverfahrens ist
eines der großen Streitthemen.
Im abgelaufenen Berichtszeitraum erhielt ich vermehrt
Eingaben und Anfragen, bei denen es um Informationen
zu oder aus Vergabeverfahren ging. Dabei war zunächst
zu klären, ob und inwieweit Informationen über Vergabeverfahren nach § 1 Absatz 3 IFG in den Geltungsbereich
des IFG fallen.
Bei den Verdingungsordnungen (VOL, VOB und VOF)
handelt es sich nicht um Gesetze oder Rechtsverordnungen im herkömmlichen Sinne. § 97 Absatz 6 GWB verweist auf die Bestimmungen der VgV, die wiederum in
den §§ 4 bis 7 VgV auf die Verdingungsordnungen Bezug
nimmt, die dadurch für Vergaben oberhalb der
EU-Schwellenwerte Rechtsvorschriftscharakter erlangen.
Vergaben unterhalb der Schwellenwerte:
Im Rahmen einer Eingabe während des ersten Berichtszeitraumes 2006/2007 habe ich dieses Thema bereits teilweise behandelt (siehe 1. TB zur Informationsfreiheit
Nr. 4.12.9). Allerdings ging es hier vorrangig um Vergabeverfahren
unterhalb
der
EU-Schwellenwerte
(§ 2 VgV). In diesen Fällen haben die Verdingungsord-
nungen keinen Rechtsvorschriftscharakter. Eine spezialgesetzliche Regelung, die das IFG im Sinne des § 1
Absatz 3 IFG verdrängen könnte, besteht hier nicht. Das
IFG einschließlich seiner Ausnahmetatbestände kommt in
diesen Fällen uneingeschränkt zur Anwendung.
Vergaben oberhalb der Schwellenwerte:
In der Begründung zum IFG (Bundestagsdrucksache 15/4493) sind zum Verhältnis zwischen dem IFG und
Vergabeverfahren keine Ausführungen enthalten. Gerichtliche Entscheidungen hierzu sind bislang nicht bekannt geworden, die vorhandenen Kommentierungen haben unterschiedliche Herangehensweisen und vertreten
abweichende Ansichten: Teilweise wird das Thema bei
§ 1 Absatz 3 IFG behandelt (Berger/Roth/Scheel, Kommentar zum IFG zu § 1, Rn. 126) und das IFG für Vergabeverfahren generell für anwendbar erklärt. Das Vergabeverfahren selbst sei durch die Ausnahmetatbestände der
§§ 4, 5 und 6 IFG geschützt. Andere erörtern diese Frage
im Rahmen des § 3 Nummer 3 IFG (Jastrow/Schlatmann,
Kommentar zum IFG zu § 3, Rn. 88). Danach soll unter
den Begriff der Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnisse auch das Vergaberecht fallen. Informationen, die
Unternehmen nach den Verwaltungsvorschriften VOB,
VOL/A und VOF Behörden vorlegen müssen, seien von
den Ausnahmetatbeständen des § 3 Nummer 3 IFG und
§ 6 Satz 2 IFG erfasst. Während des Vergabeverfahrens
seien zudem die §§ 72 Absatz 2, 111 Absatz 2 GWB dem
IFG als spezialgesetzliche Regelung gem. § 1 Absatz 3 IFG vorrangig.
Daraus folgt im Umkehrschluss, dass beide Kommentierungen grundsätzlich – wenn auch in unterschiedlichen
zeitlichen Abschnitten – von der Anwendbarkeit des IFG
ausgehen.
Entscheidend ist aber die Frage, wann und wie weit das
IFG gilt und welche Ausnahmegründe eventuell zum Tragen kommen können.
Auszugehen ist von dem Zweck des IFG, Verwaltungshandeln transparenter zu gestalten. Die Anwendbarkeit
des IFG kann in diesem bislang sehr vertraulich behandelten und korruptionsanfälligen Bereich deswegen nur
die logische Folge sein. Transparenz im Vergabeverfahren schützt vor Korruption und ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, deutlich besser staatliches Handeln
nachzuvollziehen und ihr Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu erhöhen. Gerade an den
Nahtstellen zwischen Staat und Wirtschaft hat die Öffentlichkeit ein großes Interesse an der Transparenz staatlichen Handelns.
Dabei sind die einzelnen Stadien eines Vergabeverfahrens
zu berücksichtigen, das sich in die folgenden Verfahrensschritte unterteilen lässt:
1. Ausschreibungsverfahren
2. laufendes Verfahren
3. abgeschlossenes Verfahren
2. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit