Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
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Ablehnung eines Informationsantrages unter Hinweis auf
den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nicht
beanstandet, da es in diesem Fall tatsächlich um Informationen über die Willensbildung der Bundesregierung in
einem – allerdings abgeschlossenen – Gesetzgebungsverfahren ging (vgl. Nr. 4.6.1). Eine solche Ausnahme kann
aber nur in eng begrenzten Fällen zugelassen werden,
etwa wenn es um die konkrete Vorbereitung von Kabinettentscheidungen geht. Keinesfalls kann mit dieser Begründung der Informationszugang zu Vorgängen, die sich auf
ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren beziehen,
insgesamt abgelehnt werden. Es würde der grundlegenden Zielsetzung des Gesetzes, das Verwaltungshandeln
gerade auch der Ministerialbürokratie transparent zu machen, völlig widersprechen, wenn der wichtige Bereich
der Entstehung gesetzlicher Vorschriften vollständig aus
seinem Anwendungsbereich herausgenommen würde.
2.2.3
Bereichsausnahmen durch die Hintertür?
fallbezogen plausibel zu begründen (vgl. Nr. 4.6.3). Ich
habe in all diesen Fällen auf einer Einzelfallprüfung bestanden, um zu verhindern, dass sich über die im Gesetz
ausdrücklich festgelegten Institutionen hinaus faktisch
weitere Bereichsausnahmen entwickeln, weil die Behörden in diesen Bereichen alle Informationsbegehren mit
immer der gleichen pauschalen Begründung ablehnen.
Diese Frage beschäftigt inzwischen auch die Gerichte, so
dass hoffentlich bald eine Klärung erreicht werden kann.
K a s t e n zu Nr. 2.2.3
§ 3 Nr. 1 lit. d und Nr. 6 IFG
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
1. wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf
…
Bei Ausnahmetatbeständen kommt es immer auf den konkreten Einzelfall an.
Lediglich bei den in § 3 Nr. 8 IFG genannten Nachrichtendiensten und öffentlichen Stellen des Bundes, soweit
sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen, enthält das IFG
Bereichsausnahmen. Darüber hinaus gibt es keine Verwaltungsbereiche, denen gegenüber generell keine Informationsansprüche geltend gemacht werden können. Dies
war im Gesetzgebungsverfahren heftig umstritten, der
Gesetzgeber hat sich aber entschieden, neben den genannten Sicherheitsbehörden keine weiteren Bereiche aus
dem Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen.
Alle übrigen Ausnahmeregelungen sind deswegen einzelfallbezogen zu verstehen. Dies gilt auch für § 3 Nr. 1
lit. d IFG (Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-,
Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden; vgl. Kasten)
und § 3 Nr. 6 IFG (fiskalische Interessen des Bundes im
Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der
Sozialversicherungen; vgl. Kasten). Auch hier kann ein
Antrag auf Informationszugang nur abgelehnt werden,
wenn die Weitergabe der Informationen in dem konkreten
Einzelfall die vom Gesetz angeführten nachteiligen Auswirkungen oder Beeinträchtigungen haben könnte. Dies
muss die Behörde einzelfallbezogen darlegen und begründen.
In einer Reihe von Fällen, insbesondere im Bereich der
Finanzverwaltung, habe ich die Tendenz festgestellt, die
entsprechenden Ausnahmetatbestände in faktische Bereichsausnahmen umzudeuten. Die Behörden argumentierten, die Erfüllung eines Informationsanspruches etwa
im Bereich der Kontrollaufgaben einer Finanzbehörde beeinträchtige an sich schon, losgelöst von der konkret begehrten Information, die vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit den zu kontrollierenden Stellen, die sich nicht mehr
auf die absolute Verschwiegenheit der Behörde verlassen
könnten. Deswegen wurden Informationsersuchen ohne
konkrete Einzelfallprüfung pauschal abgelehnt (vgl.
Nr. 4.6.4; 4.6.5). Ein vergleichbares Verhalten habe ich
auch im Rahmen des § 3 Nr. 6 IFG festgestellt, wo Informationsersuchen wegen fiskalischer Interessen des Bundes pauschal zurückgewiesen wurden, ohne dies einzel-
d) Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-,
Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden,
…
6. wenn das Bekanntwerden der Information geeignet
wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der
Sozialversicherungen zu beeinträchtigen,
2.2.4
Schutz von laufenden Gerichtsverfahren
und Ermittlungen
Geschützt wird die Durchführung von Verfahren, nicht die
Position der Behörde in dem Verfahren.
Nach § 3 Nr. 1 lit. g IFG besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer
Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung
strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen haben kann. Mit diesem Ausnahmegrund haben in mehreren Fällen Verwaltungen das
Informationsbegehren eines Bürgers abgelehnt, der sich
in einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der entsprechenden Behörde befand oder eine solche vorbereitete. Die Verwaltungen befürchteten eine Verschlechterung ihrer Prozesssituation und lehnten die Anträge
deshalb ab. Ich habe dagegen darauf hingewiesen, dass es
bei diesem Ausnahmetatbestand nicht um die Prozesssituation der Verwaltung geht, sondern die unbeeinträchtigte Durchführung der entsprechenden Verfahren als solche. Der Zweck der Regelung besteht darin, die Arbeit der
Gerichte und Ermittlungsbehörden vor Einflussnahmen
zu schützen, die sich z. B. durch das Bekanntwerden und
die öffentliche Diskussion bestimmter verfahrensrelevanter
Einzelheiten ergeben können. Es war nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht Ziel des Gesetzgebers,
den Verwaltungen die Möglichkeit zu geben, Informationen und Unterlagen deshalb vor einem Bürger geheim zu
halten, um einen Rechtsstreit gegen ihn gewinnen zu kön1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit