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Im Europarat hat das Ministerkomitee am 21. Februar
2002 eine Empfehlung zum Zugang zu amtlichen Dokumenten verabschiedet (R (2002) 2). Die Empfehlung ist
zwar nicht verbindlich, gibt aber einen politischen Gestaltungsrahmen vor. Zur Zeit wird diese Empfehlung überarbeitet und weiterentwickelt. Die Überlegungen richten
sich dabei vor allem auf die Erarbeitung eines bindenden
Übereinkommens über den Zugang zu amtlichen Dokumenten. Die Arbeiten stehen kurz vor ihrem Abschluss.
Dies begrüße ich ausdrücklich, auch wenn noch weitergehende Regelungen wünschenswert gewesen wären.
2.1.3

grenzt werden können (z. B. § 3 Nr. 1 lit. c und Nr. 2).
Um die grundlegende Zielrichtung des Gesetzes, das vom
Informationszugang als Regel ausgeht, nicht zu gefährden, sind diese Ausnahmen eng an ihrem Wortlaut und
unter Beachtung dieser grundlegenden Zielrichtungen
auszulegen. Andernfalls würde vom Grundsatz der Informationsfreiheit nicht mehr viel übrig bleiben. Allerdings
ist nach den ersten beiden Jahren meiner Tätigkeit die
Tendenz vieler Verwaltungen unverkennbar, von den
Ausnahmeregelungen eher großzügig Gebrauch zu machen, um auf diese Weise die bisherige Amtsverschwiegenheit so weit wie möglich aufrecht zu erhalten.

Informationsfreiheit – ein Ziel und seine
Umsetzung

Das Informationsfreiheitsgesetz durchbricht den bisherigen Grundsatz der Amtsverschwiegenheit, aber mit vielen
Ausnahmen.
Der umfassende und voraussetzungslose Anspruch auf
Zugang zu amtlichen Informationen bei öffentlichen Stellen des Bundes, auf den sich seit Inkrafttreten des IFG am
1. Januar 2006 jeder berufen kann, ist ein bewusster
Abschied von dem bisherigen Grundsatz der Amtsverschwiegenheit. Ein allgemeines Informationszugangsrecht stellt einen Systemwechsel der deutschen Verwaltungstradition dar, dessen Konsequenzen vielen
Bürgerinnen und Bürgern, aber auch vielen Mitarbeitern
der Bundesverwaltung noch gar nicht richtig klar sind
und dessen Auswirkungen sich erst in der Zukunft in ihrer ganzen Breite zeigen werden.
Es geht nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl.
Kasten) nicht nur darum, den Bürgerinnen und Bürgern
punktuell Sachinformationen aus Verwaltungsvorgängen
zugänglich zu machen. Nach dem erklärten Ziel soll ihnen das Verwaltungshandeln auf Antrag insgesamt transparent gemacht werden. Dies ist eine gewichtige Vorgabe
bei der Anwendung und Auslegung des Gesetzes und insbesondere seiner Ausnahmetatbestände.
Das Gesetz weist eine klare Gliederung auf: Nach der
grundsätzlichen Definition des Informationsanspruchs
und den erforderlichen Begriffsbestimmungen enthalten
die §§ 3 und 4 IFG Ausnahmeregelungen, die besondere
öffentliche Belange schützen sollen, während die Interessen möglicherweise betroffener Dritter in den §§ 5 und 6
IFG geschützt werden. Die §§ 7 bis 9 IFG enthalten Verfahrensvorschriften, gefolgt von der Gebührenregelung
(§ 10 IFG), besonderen Veröffentlichungspflichten (§ 11
IFG) und den Vorschriften zum Bundesbeauftragten für
die Informationsfreiheit (§ 12 IFG). Diese Gliederung ist
nicht ohne Bedeutung bei der Auslegung des Gesetzes.
So halte ich es nicht für zulässig, die §§ 3 und 4 IFG zum
Schutze der Belange Dritter heranzuziehen, wenn nicht
zugleich öffentliche Interessen berührt sind, oder aus den
Verfahrensvorschriften neue Ausnahmetatbestände zu
entwickeln (vgl. Nr. 2.2.2.2), die in den §§ 3 bis 6 nicht
enthalten sind.
Insgesamt enthält das Informationsfreiheitsgesetz eine
Vielzahl von Ausnahmeregelungen, die sich teilweise
überschneiden und nicht immer klar voneinander abge1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

K a s t e n zu Nr. 2.1.3
Aus der Gesetzesbegründung,
Bundestagsdrucksache 15/4493, S. 6
„Der Zugang zur Information und die Transparenz
behördlicher Entscheidungen ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Dies gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates heute mehr denn je. Lebendige
Demokratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten
des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen. …
Das Informationsfreiheitsgesetz ist daher notwendig,
um entsprechend innerstaatlichen, europäischen und internationalen Tendenzen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine
Verbesserung der Informationszugangsrechte zu stärken.“
2.2

Probleme bei der Gesetzesanwendung –
eine erste Bilanz

Obwohl jeder Einzelfall anders liegt, haben sich bei der
Anwendung des Gesetzes bestimmte Problemkreise herausgebildet, bei denen es immer wieder zu Auslegungsschwierigkeiten kommt.
Während der zwei Jahre Tätigkeit als Bundesbeauftragter
für die Informationsfreiheit haben sich bei der Behandlung von Eingaben und Beschwerden, aber auch bei der
Beratung von Behörden eine Reihe von Fragen und Problemen ergeben, die auch über den jeweiligen Einzelfall
hinaus bedeutsam sind.
2.2.1

Wann gilt das IFG?

Das Verhältnis zu anderen Informationsansprüchen ist
nicht immer klar.
Nach § 1 Abs. 3 IFG gehen diesem Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch vor. Damit soll sichergestellt werden,
dass – in der Regel vor Inkrafttreten des IFG beschlossene – spezialgesetzliche Zugangsregelungen unabhängig
davon, ob sie ein engeres oder weiters Zugangsrecht ge-

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