Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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Inhaltlich ist aber auch dort, wo bereits ein Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Landesund Kommunalbehörden besteht, die Rechtslage nicht
völlig gleich. Zwar entsprechen sich Bundes- und Landesrecht im Grundsatz, in den Einzelregelungen sind aber
Unterschiede festzustellen, z. B. bei den Bestimmungen
zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Die größten Abweichungen gibt es zwischen dem Bundesrecht und den bereits davor in Kraft getretenen Landesregelungen sowie zwischen diesen Landesgesetzen.
Bei den erst nach dem Informationsfreiheitsgesetz des
Bundes verabschiedeten Landesgesetzen hat nur Mecklenburg-Vorpommern eine eigenständige Regelung. Das
Hamburgische und das Saarländische Informationsfreiheitsgesetz nehmen weitgehend Bezug auf das Bundesrecht und sehen nur Abweichungen und Ergänzungen vor.
Das bremische Gesetz ist überwiegend wortgleich mit der
Bundesregelung, mit einigen landesrechtlich bedingten
Änderungen und Ergänzungen. Bis auf Hamburg haben
bisher alle Länder auch das Amt eines Beauftragten für
die Informationsfreiheit geschaffen und dies dem bzw.
der jeweiligen Landesbeauftragten für den Datenschutz
übertragen. Ich stimme mich mit meinen Länderkollegen
bei der Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten
regelmäßig ab (vgl. Nr. 3.3.1), um für die Bürgerinnen
und Bürger bei den Informationsansprüchen nach dem
Bundes- und Landesrecht eine soweit wie möglich einheitliche Interpretation und Anwendung zu erreichen.
2.1.2

Informationsfreiheit ist internationaler
Standard

In vielen Staaten der Welt und auch auf europäischer
Ebene ist der Informationszugang zu Verwaltungsvorgängen längst gängige Praxis.
Bei der gesetzlichen Verankerung von Informationszugangs- und Akteneinsichtsrechten der Bürgerinnen und
Bürger gegenüber staatlichen Stellen ist die Bundesrepublik Deutschland eher Schlusslicht. Nicht nur in den
westlichen Industrienationen, sondern auch in vielen Ländern Asiens, Amerikas und Afrikas gibt es schon seit langem vergleichbare Regelungen, zum Teil auch schärfere
und weitergehende Ansprüche. So verfügt Schweden bereits seit 1766 über einen gesetzlich geregelten Informationszugang zu Verwaltungsvorgängen. Der Freedom of Information Act gilt in den Vereinigten Staaten von
Amerika seit 1967 und ist weltweit bekannt geworden,
weil auf diesem Wege immer wieder wichtige Informationen über das Handeln amerikanischer Behörden an die
Öffentlichkeit gelangt sind. In Frankreich gibt es seit
1978 ein Aktenzugangsgesetz, in Großbritannien ist der
Freedom of Information Act seit dem 1. Januar 2005 in
Kraft. In der Europäischen Union hatten alle Mitgliedstaaten – außer Luxemburg – vor der Bundesrepublik
Deutschland einen geregelten Zugang der Bürger zu den
Verwaltungsvorgängen staatlicher Stellen eingeführt.
Inhaltlich weichen diese nationalen Regelungen voneinander ab, denn sie gründen auf unterschiedlichen
Verwaltungstraditionen und müssen die jeweilige Staatsorganisation berücksichtigen. Im Kern zeichnen sich aber
vergleichbare Regelungsmuster ab. Dem grundsätzlich voraussetzungslosen und begründungsfreien Informations-

oder Akteneinsichtsanspruch der Bürgerinnen und Bürger
stehen im Einzelfall Ausnahmetatbestände gegenüber, die
bestimmte staatliche Belange sowie personenbezogene Daten Dritter und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von
Unternehmen schützen sollen. Die Abgrenzung zwischen
den Ansprüchen des Einzelnen und den Ausnahmen vom
Informationszugang wird dabei im Einzelfall unterschiedlich vorgenommen, aber überall findet eine solche Grenzziehung statt. Unterschiede gibt es auch bei der Zeitspanne,
innerhalb derer die Verwaltung einem Auskunftsersuchen
entsprechen muss. Sie reicht von wenigen Tagen (Schweden) bis zu mehreren Monaten. Eine Reihe von Ländern
sieht auch die Funktion eines Beauftragten für die Informationsfreiheit (z. B. Frankreich, Großbritannien, Kanada)
vor, teilweise als eigenständiges Amt (so in Frankreich),
vorwiegend – wie in Deutschland – in Personalunion mit
dem Beauftragten für den Datenschutz.
Auch auf europäischer Ebene ist Informationsfreiheit und
Aktenzugang schon lange geregelt: So wurde durch den
Vertrag von Amsterdam Artikel 255 EGV neu eingefügt,
der grundsätzlich ein Recht auf Zugang zu Dokumenten
des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission begründet. Die näheren Einzelheiten regelt auf
der Grundlage des Artikel 255 Abs. 2 EGV die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der
Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. Nr. L 145,
S. 43). Ein vergleichbares Recht enthält Artikel 42 der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
(ABl. 2000 C 364,1).
K a s t e n zu Nr. 2.1.2
Artikel 255 EGV
(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission
vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die
nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen sind.
(2) Die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechts auf Zugang zu
Dokumenten werden vom Rat binnen zwei Jahren nach
Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam gemäß dem
Verfahren des Artikels 251 festgelegt.
(3) Jedes der vorgenannten Organe legt in seiner Geschäftsordnung Sonderbestimmungen hinsichtlich des
Zugangs zu seinen Dokumenten fest.
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Artikel 42 – Recht auf Zugang zu Dokumenten
Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede
natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder
satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat haben das
Recht auf Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission.

1. Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit

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