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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Dr. Karl-Heinz Brunner

(A)

Erstens haben wir im Koalitionsvertrag bereits festgelegt, rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche
Partnerschaften schlechterstellen, zu beseitigen – das
haben wir noch vor uns –, und wir haben – das haben wir
heute vorliegen – den Gesetzentwurf zur Umsetzung des
Urteils des Bundesverfassungsgerichts vereinbart. Das
machen wir jetzt.
Zweitens. Familie hier, Ehe da, Lebenspartnerschaft
dort – das sind in unserer Gesellschaft keine Gegensätze
mehr. Ich sage ganz deutlich: Familie ist da, wo Solidarität herrscht, wo Menschen füreinander einstehen, wo ein
Kind in behüteten Verhältnissen aufwachsen kann, wo es
sich gut entwickeln kann, dort, wo es daheim ist. Das hat
nichts mit Mann und Frau, sondern das hat etwas mit
Liebe zu tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Drittens. Kinder in homosexuellen Ehen entwickeln
sich psychisch ganz normal.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der
LINKEN)
Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass sie es schwerer
hätten als Dicke, Dünne, Kleine oder Große, von Diskriminierung ganz zu schweigen. Schließlich hat das das
Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg bestätigt, und die müssen es wissen.

Viertens. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden in der Bevölkerung meist Homoehe genannt, nicht
(B)
Partnerschaft, sondern Ehe. Selbst die Bild-Zeitung
schreibt nur Homoehe. Damit ist klar, dass eingetragene
Lebenspartner wie Ehepartner leben und zweifelsohne
die Verantwortung für sich und für ihre Kinder und
Angehörigen übernehmen wie Ehepartner und so, wie
wir das in Deutschland wollen. Gut, dass der allgemeine
Sprachgebrauch schon etwas weiter ist als die Gesetzgebung.
Fünftens: die Realität. Es gibt sie schon längst, die
Stiefeltern, die Pflegeeltern, die Patchworkfamilien, die
ihren Kindern Schutz und Geborgenheit geben. Das verdient Anerkennung. Unterschiede werden gelebt, öffentlich, unabhängig von jedem Schubladendenken. Warum
sollten wir einen anderen Maßstab anlegen, warum soll
es bei Sukzessivadoptionen Ausnahmen geben? Wenn
irgendjemand die Gleichstellung bremsen möchte, dann
ist es, glaube ich, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eh schon zu spät. Der Zug fährt schon. Das
nächste Gesetz ist vor der Tür.
(Beifall bei der SPD)
Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Schritt in die
richtige Richtung, aber er darf es nicht allein bleiben.
Dazu sollten wir künftig keinen Wink unseres Bundesverfassungsgerichts mehr benötigen. Haben wir den
Mut, die Augen für die Realität zu öffnen und die Fragen
zu beantworten, die wir für unsere Gesellschaft beantworten müssen. In welcher Gesellschaft wollen wir leben? In was für einer Gesellschaft sollen unsere Kinder
aufwachsen? Füreinander einstehen, sorgen, lieben und

beschützen – was ist uns das wert? Glauben Sie mir: (C)
Wenn wir diese Fragen fern von parteipolitischem
Kalkül und fern von unseren parteipolitischen Unterschieden sehen, dann steht am Ende nicht nur die
Gleichstellung, sondern auch die Ehe für Schwule und
Lesben.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bei der
Präsidentin, dass sie mir ein paar Sekunden hinzugegeben hat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist
Frau Dr. Sütterlin-Waack für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich glaube aus den bisherigen Redebeiträgen entnehmen zu können, dass wir uns darüber einig
sind, dass durch die Sukzessivadoption die rechtliche
Stellung von Adoptivkindern in der schon dargestellten
speziellen Situation verbessert wird.
Die Kinder entwickeln nach erfolgter Zweitadoption
ein sogenanntes doppelstrahliges Kindschaftsverhältnis
zu beiden Elternteilen. Somit haben auch diese Kinder (D)
zwei Elternteile, denen sie vertrauen und die für sie
rechtlich einstehen. Sie bekommen eine zweite Bezugsperson, die für sie unterhaltspflichtig ist und bei der sie
erbberechtigt sind. Alles zusammengenommen ist wichtig. Dadurch verbessern wir sowohl die soziale als auch
die rechtliche Situation der betroffenen Kinder.
Selbstverständlich bleibt auch bei der Sukzessivadoption das allgemeine Adoptionsverfahren aufrechterhalten. Dies ist im Wesentlichen in § 1741 BGB festgeschrieben. Dort heißt es – jetzt muss ich doch das Wort
„Kindeswohl“ in den Mund nehmen; das werde ich in
meiner Rede noch öfter tun –:
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Wenn Sie die richtige Position
einnehmen, dürfen Sie das sogar! Wenn Sie es
konterkarieren, nicht!)
Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem
Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass
zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein
Eltern-Kind-Verhältnis entsteht.
Im Einzelfall wird also entschieden, ob ein Paar oder
eine Einzelperson für die Adoption eines ganz bestimmten Kindes infrage kommt oder nicht. Im Mittelpunkt
des Adoptionsverfahrens steht also das Kindeswohl.
Daran darf und wird sich nichts ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

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