Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1835
Dr. Sabine Sütterlin-Waack
(A)
Das Kindeswohl ist nach gängiger Definition die
nachhaltige Verbesserung der persönlichen Verhältnisse
und der Rechtsstellung des Kindes. Unsere Familiengerichte treffen in Zusammenarbeit mit den Adoptionsbehörden letztendlich die Entscheidung im Kindeswohlinteresse. Ich habe vollstes Vertrauen in die Fähigkeit
unserer deutschen Familiengerichte zu ausgewogenen
Urteilen.
Ich will es noch einmal hervorheben: Die für uns zentrale Frage ist: Dient die Adoption dem Kindeswohl?
Auch das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinen
Entscheidungsgründen vorangestellt. Es hat zu dieser
Frage im Zusammenhang mit der Sukzessivadoption
Stellungnahmen von elf Sachverständigen eingeholt.
Zehn davon äußerten sich positiv; einer hatte Bedenken.
Auch wegen der überwiegenden Zustimmung der Fachleute zur Sukzessivadoption bestanden für das Verfassungsgericht keine Zweifel. Das gilt auch für uns. Ich
werbe daher um die Zustimmung zum Gesetzentwurf zur
Sukzessivadoption.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, bei diesem wichtigen Thema werden Sie mich in
meiner ersten Rede sicher nicht von der Antwort auf die
Frage befreien: Wie halten Sie es mit der Volladoption
bei eingetragenen Lebenspartnern?
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Richtig erkannt!)
Ich gebe zu, dass ich lange darüber nachgedacht habe,
wie ich mich zu dieser Frage stellen soll. Die Stimmen,
die den letzten oder vorletzten Schritt zur rechtlichen
(B)
Gleichstellung fordern, sind zwar laut, aber für uns ist
festzustellen, dass die grundsätzliche Frage, ob Kinder in
einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft genauso gut
aufwachsen können wie bei Mann und Frau, immer noch
gesellschaftlich stark umstritten ist. Auch aus der wissenschaftlichen Literatur ist mir keine belastbare Studie
bekannt, die darüber verlässlich Auskunft erteilt. Die
vielzitierte Studie der Uni Bamberg ist nicht allgemein
anerkannt.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Um diskriminieren zu dürfen,
müssten Sie eine Studie haben, die belegt, dass
es ein Problem gibt!)
Ihr werden erhebliche Schwächen vorgehalten, vor allen
Dingen, weil sie nicht repräsentativ sei.
Auch die Anhörung des Rechtsausschusses zum
gleichlautenden Gesetzentwurf der Grünen am 6. Juni
2011 förderte kein einheitliches Bild zutage. Einige der
Sachverständigen haben ausgeführt, dass ein Kind, das,
aus welchen Gründen auch immer, nicht in seiner Herkunftsfamilie aufwächst, schon dadurch besonderen Belastungen ausgesetzt ist.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Das spricht jetzt gegen Adoption
insgesamt!)
Weitere Belastungen sollten daher vermieden werden.
Der Gesetzgeber, also wir, wurde auch ermahnt, das
Adoptionsrecht nicht als Instrument zum Abbau von ge-
sellschaftlichen Diskriminierungen zu gebrauchen. Der (C)
Sachverständige warnte davor, über das Adoptionsrecht
Gleichstellungspolitik zu betreiben.
Wegen der sich aus Art. 6 Grundgesetz ergebenden
Wächterfunktion des Staates müssen wir hier aber Gewissheit haben. Solange wir diese nicht haben, werden
wir dem Gesetzentwurf der Grünen auf Zulassung der
Volladoption durch eingetragene Lebenspartner nicht
zustimmen. Diese Ablehnung hat nichts, aber auch gar
nichts damit zu tun, dass wir gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht akzeptieren. Dies heißt aber
nicht automatisch, dass sie Anrecht auf Kinder haben.
Das hat niemand.
Jetzt zitiere ich Sie, Herr Beck:
Kinder haben … ein Recht auf Liebe, Fürsorge,
Aufmerksamkeit und Geborgenheit.
Im Umkehrschluss ist die Adoption aber keine Maßnahme zur Heilung von Kinderlosigkeit von Paaren, egal
welcher geschlechtlichen Orientierung. Sinn und Ziel
von Adoptionen ist eine mögliche Hilfe für bereits geborene Kinder, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre
Eltern verloren haben und für die deshalb eine neue Familie gesucht wird.
Ich möchte am Ende noch einmal auf die Wächterfunktion des Staates und die damit verbundene Verantwortung zurückkommen. Die Adoption ergeht durch einen staatlichen Hoheitsakt. Der Staat ist also an der
Entstehung von rechtlichen Familienbeziehungen aktiv
beteiligt. Daraus erwächst die besondere Verantwortung
des Staates. Er darf eine solche Beziehung nur schaffen, (D)
wenn es dem Kindeswohl dient. Also noch einmal: Solange wir keine Gewissheit haben, dass die Volladoption
durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner vollumfänglich dem Kindeswohl entspricht, können wir derartigen
gesetzlichen Vorhaben nicht zustimmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD –
Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum ist die Sukzessivadoption von
der gewollten gemeinschaftlichen Adoption zu
unterscheiden?)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Herzlichen Dank. – Das war Ihre erste Rede. Ich gratuliere Ihnen im Namen des ganzen Hauses dazu.
(Beifall)
Der nächste Redner ist Dr. Volker Ullrich, CDU/
CSU-Fraktion. Bitte schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.
Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])
Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen
und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zum Abschluss der Debatte sei noch einmal daran erinnert, dass es bei der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts eben doch um die Verbesserung von
Kinderrechten und um die Verbesserung des Kindes-