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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Elisabeth Winkelmeier-Becker

(A) Das ist anzuerkennen; das sage ich hier ausdrücklich.
Die Stiefkindadoption ist etabliert und mittlerweile gängige Praxis.
Was heißt das jetzt für die Adoption vor dem Hintergrund dieser zwei Sätze, die sich aneinander reiben? Das
heißt für mich: Ich kann mir keine Regelung und vor allem keine Praxis vorstellen, in der es egal ist, ob ein
Kind ein Elternpaar bekommt, das aus einem Vater und
einer Mutter oder aus zwei Vätern bzw. zwei Müttern
besteht. Für mich ist das ein starkes Kriterium und wird
es auch bei jeder konkreten Entscheidung über eine
Adoption bleiben. Diesen Gedanken bringen wir im Gesetzentwurf durch die Beschränkung auf die Sukzessivadoption zum Ausdruck.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Unglaublich! Es gibt keinen sachlichen Grund außer Ihrem Bauchgefühl!)
Aber die Sukzessivadoption bietet auch Raum, im
konkreten Einzelfall anders zu entscheiden. Wenn ein
Kind bereits einen Lebenspartner als Elternteil hat, ist es
doch klar, dass es das Beste für dieses Kind ist, wenn es
auch den anderen Partner als Elternteil bekommt. Genau
das ermöglicht die Sukzessivadoption.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Denken Sie bitte an die Redezeit.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):

Es gibt andere Fälle in der Praxis. Denken Sie an die
(B) langjährigen Pflegekinder, die sich selber wünschen, adoptiert zu werden, oder an den Patenonkel eines Waisenkindes, der das Kind kennt und zu dem es auch will. In
solchen Fällen liegt es doch auf der Hand, dass dort, und
zwar auch im Wege einer Sukzessivadoption, eine gute
Lösung in der Praxis gefunden werden kann. Ich habe
Vertrauen in die Adoptionsvermittlungsstellen, dass sie
mit dieser Regelung sehr verantwortungsvoll umgehen
und gute Eltern für die Kinder suchen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Geschätzte Kollegin Winkelmeier-Becker, ich
nehme Ihnen ab, dass Sie es in der Sache gut meinen und
eigentlich auch eine aufgeklärte Position vertreten wollen. Es ist Ihnen bloß noch nicht ganz gelungen.
Sie haben gerade selber zu Recht gesagt – das ist Praxis –,
dass Jugendämter häufig gerade gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften Pflegekinder aufziehen lassen,
weil sie oftmals niemand anderen finden als ein gleichgeschlechtliches Paar, das bereit ist, sich insbesondere
um ältere Pflegekinder zu kümmern, weil diese Kinder

und Jugendliche nicht ganz einfach sind, vielleicht schon (C)
Vorprägungen haben und man sich als erziehender Elternteil ein bisschen mehr anstrengen muss.
Wenn aber diese Pflegekinder, weil die Herkunftsfamilie familienrechtlich auf sie verzichtet, zur Adoption
freigegeben werden, dann wollen Sie nicht zulassen,
dass diese Kinder gemeinschaftlich adoptiert werden.
Was ist das für ein Unsinn?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
bei Abgeordneten der LINKEN)
Warum müssen diese Eltern ein, zwei Jahre warten, bis
sie gemeinsam familienrechtlich für die Kinder Verantwortung tragen, obwohl sie es tatsächlich unter Umständen schon seit Jahren tun? Ihnen geht es bei dieser Position nicht um das Kindeswohl. Ihnen geht es um
Vorteile. Ihnen geht es um Bauchgefühl und um falsche
Rücksichtnahmen am rechten Rand unserer Gesellschaft
in Ihrer Partei und bei der AfD.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der LINKEN)
Das finde ich skandalös. So macht man keine Rechtspolitik.
Aber nun zu Ihnen, Herr Minister. Sie haben mit
schönen Worten einen Gesetzentwurf begründet, wobei
ich dachte: Die Rede hätten Sie besser zu unserem Gesetzentwurf gehalten als zu dem Ihrem.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich will Ihnen eines mitgeben: Sie sind Justizminister,
nicht der Notar des Bundesverfassungsgerichts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie haben heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der es
hinbekommt, an der Rechtslage schlichtweg gar nichts
zu ändern. Das, was Ihr Gesetzentwurf aufschreibt, gilt
so seit dem 19. Februar 2013 durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits unmittelbar. Schön ist
nur, dass wir jetzt eine neue Fundstelle dafür bekommen,
nämlich das BGB und das Lebenspartnerschaftsgesetz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
bei Abgeordneten der LINKEN)
Gesellschaftspolitisch und rechtspolitisch weniger ambitioniert als dieser Gesetzentwurf, Herr Minister, kann
man überhaupt nicht sein.
Aber ganz ohne Aussage ist Ihr Gesetzentwurf in der
Tat nicht. In der Begründung – komischerweise spricht
in der Begründung der Koalition jetzt die Koalition für
die Bundesregierung – heißt es:
Die Bundesregierung wird das Übereinkommen
von 2008
– zum Adoptionsrecht –
umsetzen. Von der in dem Übereinkommen eröffneten Möglichkeit, im nationalen Adoptionsrecht die

(D)

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