Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

1831

Elisabeth Winkelmeier-Becker

(A) des einen Partners auch von dem anderen angenommen
werden kann, unabhängig davon, ob die erste Adoption
vor oder auch schon während der bestehenden Lebenspartnerschaft erfolgt ist.
Der Minister sagte es schon: Wir setzen damit den
Auftrag des Bundesverfassungsgerichts um, das im Februar des letzten Jahres entschieden hat, dass wir bis zur
Mitte dieses Jahres eine entsprechende gesetzliche Regelung auf den Weg und ins Gesetzblatt bringen müssen.
Genau das tun wir. Ich bin an dieser Stelle froh, dass
Fristen, die aus Karlsruhe gesetzt werden, auch einmal
wieder eingehalten werden. Ich denke, das ist eine gute
Sache.
(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck
[Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie
haben sich stets bemüht, Umsetzungsfristen
bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen!)
Gleichzeitig setzen wir das Europaratsabkommen um,
das diese Form der Adoption erst ermöglicht. Es würde
auch die Volladoption ermöglichen. Davon sehen wir allerdings bewusst ab. Die Regierung hat gesagt, dass davon ausdrücklich abgesehen wird.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Der einzig substanzielle Gehalt
Ihres Entwurfs! Fürchterlich! – Zuruf von der
LINKEN: Warum denn?)
Wir stehen nicht am Anfang der Diskussion. Wir haben die Diskussion schon mehrfach geführt.
(B)

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Seit 25 Jahren wird darüber geredet!)
Ein paar Argumente, ein paar Forderungen und ein paar
Reflexe auf beiden Seiten sind bekannt; so möchte ich es
sagen. Den einen gehen die Regelungen dieses Entwurfs
nicht weit genug, den anderen zu weit. Das ist in der
Politik nicht so selten, sondern eher der Normalfall.
Aber wir müssen sehen, wie wir auf diesem schmalen
Grat eine gute Lösung erreichen.
Ich verweise nur auf die Bedeutung unserer Diskussion im wahren Leben. Ich habe mich beim Amtsgericht
Köln – Köln! – erkundigt, welche Bedeutung diese Regelung hat, die nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts so lange vorläufig gilt, bis diese Sache gesetzlich geregelt ist. Die Anzahl der Verfahren in dieser
Angelegenheit war null.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Glauben Sie, dass die Leute bei so
etwas klagen?)
Ich sage das in beide Richtungen. Das ist ein Anlass, die
Emotionen vielleicht ein Stück weit herunterzufahren
und zu erkennen, dass das jetzt nicht die alles entscheidende Frage ist, obwohl ich die symbolische Bedeutung
durchaus anerkenne und nicht in Abrede stellen möchte.
Ich denke, wir legen mit dem Entwurf zur Regelung
der Sukzessivadoption eine in der Praxis gute Lösung
vor. Ich möchte für diese Lösung werben, nicht nur weil
sie uns das Verfassungsgericht ohnehin vorgegeben hat,

sondern weil diese nach meiner Ansicht in der Praxis (C)
gute Lösungen ermöglicht.
Eine Adoption – das ist klar – muss immer aus dem
Blickwinkel des Kindes gedacht werden. Diesem Kind
fehlen – aus welchem Grund auch immer – ein Elternteil
oder beide Elternteile. Es geht darum, für dieses Kind
gute Eltern zu finden. Dabei die Wünsche der annehmenden Elternteile und des anzunehmenden Kindes zu
berücksichtigen, ist mit der Regelung, die wir heute vorlegen, möglich.
Für mich sind hier zwei Sätze gleichermaßen bedeutsam. Sie sind beide gleich wichtig, obwohl sie in einem
Spannungsverhältnis zueinander stehen. Der eine Satz
ist: Wir gehen davon aus, dass es für die Entwicklung eines Kindes am allerbesten ist, wenn es mit Vater und
Mutter aufwächst. – Diesen Satz sage ich hier mit aller
Deutlichkeit und ganz bewusst. Der zweite Mann ersetzt
nicht die Mutter, die zweite Frau ersetzt nicht den Vater,
sondern jedes Geschlecht hat seine eigenständige Bedeutung, auch für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: So ein Unsinn!)
Der zweite Satz ist: Ob ein Mann ein guter Vater ist
oder ob eine Frau eine gute Mutter ist, ist keine Frage ihrer sexuellen Orientierung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie
des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN])
Noch einmal zu dem ersten Satz: Wir haben im vergangenen Jahr über die Situation der nichtehelichen Väter
diskutiert. Da hat es für den Satz: „Ein Kind braucht Vater und Mutter“, Applaus gegeben, und zwar von allen
Seiten.
Ich habe als Familienrichterin viele Fälle verhandelt,
in denen Wert darauf gelegt wurde, dass ein Kind zu
dem getrennt lebenden Vater oder zu der getrennt lebenden Mutter Kontakt hat, nicht nur um das Trauma der
Trennung zu überwinden, sondern auch um den anderen
Elternteil in seiner verschiedenen Geschlechtlichkeit zu
erleben; das ist wichtig.
Uns liegen neue Erkenntnisse aus der Väterforschung
vor, die unterstreichen, dass Väter von Anfang an für die
Persönlichkeitsentwicklung des Kindes wichtig sind.
Nicht zuletzt versuchen wir auch, mehr Erzieher in die
Kitas zu bekommen, gerade weil wir wissen, dass sie etwas anderes einbringen als die überwiegend tätigen Erzieherinnen.
Ich komme zu dem anderen Satz. Ich kenne schwule
Männer, die tolle Väter sein könnten. Ich kenne lesbische Frauen, die tolle Mütter sind. Der Staat macht sich
deren Fähigkeit, zu erziehen, zunutze, indem er Pflegekinder in homosexuelle Partnerschaften gibt – mit gutem
Erfolg.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Was keiner will, bekommen die
Schwulen und Lesben!)

(D)

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