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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Christian Flisek

(A)

Genau das entspricht auch meinem Verständnis. Freiheit und Sicherheit sitzen nicht auf einer Balkenschaukel, bei der immer dann, wenn die Sicherheit oben ist,
die Freiheit unten ist, sie kleingehalten wird und für sie
kein Platz ist. Nein, meine Damen und Herren, Freiheit
und Sicherheit bedingen einander. Das eine kann ohne
das andere in einem demokratischen Rechtsstaat nicht
zur Geltung kommen. Wer immer unter demokratischen
und rechtsstaatlichen Bedingungen eine Sicherheitsarchitektur errichtet, hat dies auf dem Fundament von Vertrauen, auf dem Fundament der Verfassung und von demokratischer Legitimation zu tun.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Jede Sicherheitsarchitektur, die diese Kriterien missachtet, wird auf Dauer nicht überleben; denn die Bürgerinnen und Bürger werden ihr zu Recht den Boden entziehen, und sie wird damit in sich zusammenfallen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Die Politik wird lernen müssen, dass sie bei diesem
komplexen Thema tatsächlich Neuland betreten muss,
wenn ich das unter Rückgriff auf ein Zitat der Bundeskanzlerin einmal so sagen darf. Wenn wir alle das Internet als einen Ort der Freiheit erhalten wollen, dann müssen wir auch lernen, das Internet besser zu verstehen,
und zwar vor allem von seiner technischen Seite her.

Der US-amerikanische Rechtswissenschaftler Lawrence
Lessig hat schon vor 15 Jahren deutlich gemacht, wen er
für die entscheidende Regulierungsmacht in der digita(B)
len Kommunikationswelt hält. „Code is law“, hat er gesagt. Es sind also nicht die von Staaten verabschiedeten
Gesetze, die das Internet regulieren, sondern es ist der
Code. Es sind die Programme, die Software, und die
technischen Architekturen und Standards, die das Sagen
haben und den Ton angeben. Man muss diese Bewertung
in ihrer Absolutheit nicht teilen. Ich selbst teile sie nicht,
weil ich als Jurist naturgemäß an die positive Geltung
und Durchsetzung staatlich gesetzten Rechts glaube, insbesondere an Normen, die Verfassungsrang haben. Aber
die These von Professor Lessig macht gerade in Bezug
auf unser Problem eines deutlich: In der globalen digitalen Kommunikation ist die Wirksamkeit staatlichen
Rechts begrenzt. Solange wir weltweit kein gemeinsam
geteiltes Grundrechtsverständnis haben – und von einem
solchen sind wir schon im transatlantischen Verhältnis,
jedenfalls in Bezug auf das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung, weit entfernt –, so lange wird ein regulatives Vakuum existieren. Dieses Vakuum wird von
technischen Normen und Standards ausgefüllt. Wer sie
beherrscht, der regiert, wenn man so will, auch das Internet, und damit sind wir mitten in der Debatte über Internet Governance.
Für mich ist es besonders wichtig, dass wir mit der
Ausschussarbeit schnell beginnen. Der Ausschuss wird
sich nach seiner heutigen Einsetzung in der ersten Sitzungswoche im April konstituieren. Wir sollten keine
Zeit verlieren und bereits unmittelbar nach der Konstituierung des Ausschusses und der Klärung der Verfahrensfragen gemeinsam die ersten Beweisanträge auf Beizie-

hung von Akten beschließen. Wir stehen erst am Anfang (C)
unserer Arbeit und zum Glück auch am Anfang unserer
Legislaturperiode. Wir können gründlich und zügig arbeiten, aber eben ohne jeden Zeitdruck.
Dass die Einsetzung des Ausschusses auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrages im Parlament erfolgt –
das ist bereits von meinen Vorrednern erwähnt worden –,
ist ein erster großer Erfolg. Es war ein mühsamer Weg;
ich glaube, diese Mühe hat sich gelohnt. Dass alle Fraktionen an einem Strang ziehen, ist ein sehr gutes Signal;
denn unsere Arbeit im Ausschuss wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam beobachtet werden.
Die Bürger werden zu Recht Antworten auf die gestellten Fragen einfordern, die elementare Grundrechte unserer Verfassung betreffen, Grundrechte, die ihre Wurzeln
nach unserem Verfassungsverständnis in der Unantastbarkeit der Menschenwürde haben.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege!
Christian Flisek (SPD):

Ich komme zum Schluss. Von mir selbst kann ich sagen: Ich bin hochmotiviert, freue mich auf ein kollegiales Miteinander aller Ausschussmitglieder und auf eine
erfolgreiche Ausschussarbeit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. – Letzter Redner in dieser Debatte ist
Dr. Stephan Harbarth, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir das
letzte Mal in diesem Haus über die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Thema
NSA diskutiert hatten, lagen uns noch zwei Anträge vor,
ein Antrag der Koalitionsfraktionen und ein Antrag der
Oppositionsfraktionen. Dass es gelungen ist, die Anträge
in viel mühsamer Kleinarbeit zusammenzuführen, erfüllt
uns mit Freude, weil das zum Ausdruck bringt, dass dieses Haus ein gemeinsamer Aufklärungswille eint. Das
ist, glaube ich, auch deshalb so wichtig, weil die Bevölkerung ein gemeinsamer Aufklärungswille eint. Der
Aufklärungswille in der Bevölkerung macht nicht an
Parteigrenzen, macht nicht an politischen Präferenzen
halt, sondern er betrifft die gesamte Bevölkerung. Deshalb ist es so wichtig, dass es uns gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag vorzulegen. Allen, die daran beteiligt
waren, vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD sowie des Abg. Dr. Konstantin von
Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben im Geschäftsordnungsausschuss intensiv
miteinander gerungen und konstruktiv diskutiert. Das

(D)

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