1824
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Hans-Christian Ströbele
(A)
Die Einrichtung dieses Untersuchungsausschusses
– ich freue mich auch, dass wir ihn gemeinsam einrichten – kann ein erster Schritt sein. Der Beschluss heute
und die Konstituierung in der nächsten Sitzungswoche
sind richtige und wichtige Schritte. Das kommt jetzt
endlich in Gang. Wir können dann zügig anfangen, zu
arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verfolge mit
großem Interesse, wie Sie von der SPD und von der
Union sich in der Öffentlichkeit dahin gehend äußern,
was wir alles machen und was wir nicht machen sollen.
Ich muss sagen, dass die Äußerungen der Frauen aus der
SPD mir wesentlich sympathischer sind als die der Männer.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD –
Dr. Eva Högl [SPD]: Wenn Sie mich meinen:
Danke schön!)
– Das ist kein Kompliment, sondern ein Faktum.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ach so!)
Wir dürfen in unseren Aufklärungsbemühungen, die
wir jetzt unternehmen, nicht davor zurückschrecken,
auch Personen aus der jetzigen Bundesregierung und aus
der Koalition – möglicherweise von beiden Seiten – und
Personen, die im Parlamentarischen Kontrollgremium
tätig gewesen sind, im Untersuchungsausschuss als Zeugen zu hören. Ich sage Ihnen ganz klar: Es geht nicht,
dass Sie vor dem Präsidententhron den Mut verlieren. Es
kann nicht sein, dass wir Zeugen, die sich anbieten, nicht
hören wollen. Das gilt natürlich für die Bundeskanzlerin.
(B)
Da haben manche mit dem Kopf geschüttelt. Auch Journalisten haben gesagt: Was wollen Sie denn eigentlich
mit der Bundeskanzlerin? Was soll sie dazu wissen? Sie
weiß doch nicht, was die Geheimdienste im Einzelnen
treiben. – Ja, aber sie ist das wichtigste Opfer der Machenschaften der NSA. Sie ist die einzige Zeugin, die
uns und übrigens auch dem Generalbundesanwalt Range
helfen kann, den Verdacht zu konkretisieren, dass auch
ihr Handy abgehört worden ist, und zwar offenbar über
einen langen Zeitraum. Die Bundeskanzlerin – leider
nicht ich – hat das Telefonat mit Herrn Obama geführt
und von ihm ganz offensichtlich Hinweise bekommen
– direkt oder inzident –, dass ihr Handy in der Vergangenheit tatsächlich abgehört worden ist. Wen sollen wir
im Hinblick auf dieses Faktum als Zeugen hören, wen
soll der Generalbundesanwalt als Zeugen benennen,
wenn nicht sie?
Einen Zeugen, der mir natürlich besonders am Herzen
liegt, dürfen wir nicht vergessen. Wer, wenn nicht Herr
Edward Snowden, kann uns im Deutschen Bundestag im
Untersuchungsausschuss erklären, was die Dokumente
aus seinem Besitz, die jetzt nach und nach veröffentlicht
worden sind, bedeuten und was sie aussagen? Das hat er
auch selber immer wieder betont. Herr Binninger, da
können Sie nicht einfach sagen: Ich weiß doch nicht,
was der weiß. – Nach diesem Motto hätten Sie im UliHoeneß-Prozess nicht die Steuerbeamtin hören dürfen,
die die Akten verwaltet und anschließend als Zeugin
ausgesagt hat. Edward Snowden ist der Zeuge, der uns
Aufklärung geben kann.
Es mag sein, dass das dem einen oder anderen in den (C)
USA nicht gefällt. Sie dürfen sich aber nicht davor drücken, ihn als Zeugen hier in Deutschland zu hören. Das
erwarte ich von Ihnen. Das erwartet Deutschland von Ihnen. Das erwarten auch viele andere Länder dieser Welt.
Denn Edward Snowden kann uns in einer Zeugenaussage, in deren Rahmen wir auch nachfragen können, helfen, die Wahrheit herauszufinden.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Ich erwarte jetzt von Ihnen, dass Sie die Redezeit einhalten.
Hans-Christian
Ströbele
(BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Danach müssen wir die richtigen Konsequenzen daraus ziehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Danke schön. – Nächster Redner ist der Herr Kollege
Christian Flisek, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Christian Flisek (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit im
Sommer letzten Jahres durch Veröffentlichung des briti- (D)
schen Guardian und der amerikanischen Washington
Post die umfassenden Überwachungsaktivitäten des
amerikanischen Geheimdienstes NSA der Öffentlichkeit
bekannt wurden, haben sich die Ereignisse überschlagen.
Sämtliche Versuche, den Abhörskandal zu banalisieren
oder ex cathedra für beendet zu erklären, waren untauglich. Sie sind im Sande verlaufen, und das auch völlig zu
Recht. Sie mussten scheitern, weil uns seitdem nahezu
wöchentlich neue Meldungen über das immer größer
werdende Ausmaß der Überwachungsmaßnahmen erreichten. Wenn ich aktuell höre – meine Vorredner haben
sich bereits darauf bezogen –, dass die Kommunikationsinhalte der Bevölkerungen ganzer Staaten pauschal
erfasst und anlasslos über Wochen gespeichert werden,
also jedes Wort, das tatsächlich gesprochen oder in EMails geschrieben wird, dann bin ich froh, dass wir als
deutsches Parlament heute mit der Einsetzung dieses
Untersuchungsausschusses endlich ein deutliches Signal
setzen, dass wir die klare Botschaft aussenden, dass wir
unter den völlig veränderten Kommunikationsbedingungen im 21. Jahrhundert unsere Grundrechtsstandards
verteidigen und die Grundrechte unserer Bürgerinnen
und Bürger auf Privatheit und Vertraulichkeit nicht einfach auf dem globalen digitalen Altar opfern werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Das ist die Botschaft, die wir an die Bürgerinnen und
Bürger in Deutschland richten. Es ist auch die Botschaft,