Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1823
Clemens Binninger
(A)
(Heiterkeit der Abg. Dr. Konstantin von Notz
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thomas
Oppermann [SPD])
Nein, ganz ernsthaft: Es hat mit der Art und Weise zu tun
– ich will an dieser Stelle im Deutschen Bundestag
sagen, dass die Kritik berechtigt war und der Anlass von
fast niemandem mehr bestritten wurde –, wie unsere befreundeten Partner, die USA und Großbritannien, mit
unseren Sorgen, mit den Anliegen, die unsere Bundesregierung transportiert hat, umgegangen sind. Dass sie auf
einen Fragenkatalog nicht geantwortet haben, dass sie
ein Informationsverhalten an den Tag gelegt haben, das
in jeder Hinsicht unzureichend war,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Ist es immer noch!)
dass öffentliche Auftritte wie auf der Münchner Sicherheitskonferenz chancenlos vertan wurden, das kann man
so eben nicht stehen lassen. Da müssen wir, das deutsche
Parlament, der Souverän des deutschen Volkes, sagen:
Das ist zu wenig; wir wollen mehr Aufklärung, mehr
Information und eine Änderung dieser Praxis.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie
bei Abgeordneten der LINKEN und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin in den letzten Tagen oft gefragt worden:
Macht der Ausschuss überhaupt Sinn? Sie bekommen
doch keine Akten und keine Zeugen. Niemand wird
kommen. – Dies sind Sorgen, die ich durchaus selber
hatte. Es gibt aber eine ganze Reihe von Fragen, die wir
(B)
erörtern können. Wir befassen uns auch mit der Rolle der
deutschen Dienste. Das ist richtig. Frau Renner und Herr
von Notz, ich sichere Ihnen zu: Wir schonen niemanden.
Wir führen aber auch niemanden vor. In Ermangelung
ausländischer Akten und Zeugen sollten wir uns nicht
darauf konzentrieren, den deutschen Diensten alles unterzujubeln. Das wäre falsch. Das würde auch in der Sache nichts bringen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn sich herausstellen sollte, dass es Wissen gab, dann
wird nicht geschont, sondern aufgeklärt. Aber ich
glaube, dass wir an dieser Stelle differenzieren müssen.
Trotzdem haben wir genügend Chancen, die Dinge
aufzuklären und die Faktenlage stabiler zu machen.
Ich sichere Ihnen auch zu: Was geht, machen wir öffentlich. Es kann aber sein, dass wir geheim tagen müssen. Das gab es übrigens in jedem Untersuchungsausschuss. Auch im NSU-Ausschuss haben wir immer
wieder einmal nichtöffentlich getagt. Wir haben sogar
geheim getagt. Wir hatten Geheim eingestufte Akten;
das gibt es in jedem Ausschuss. Daraus kann man nicht
schließen, dass etwas vertuscht wird. Es hängt übrigens
nicht von den Personen im Ausschuss ab, ob wir öffentlich oder geheim tagen. Dies ist immer in der Sache
begründet. Ich sichere Ihnen aber ausdrücklich zu, dass
wir kein Interesse daran haben, möglichst viele Sitzungen hinter geschlossenen Türen abzuhalten. Sie wird es
trotzdem geben müssen. Dies gehört zu einer fairen Bewertung.
Wir haben eine große Chance, weil wir den Aus- (C)
schuss gemeinsam einsetzen. Machen wir uns aber
nichts vor – wir sind keine Romantiker; dafür sind wir
nicht in den Deutschen Bundestag gewählt worden –:
Die parteipolitischen Unterschiede werden bleiben. Das
ist auch völlig in Ordnung.
(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Zwischen uns beiden sowieso, Herr Kollege Ströbele.
Trotzdem arbeiten wir gut zusammen. Es geht beides.
Wir sollten uns gut überlegen, was wir wollen.
Nutzen wir die Monate der Untersuchung, um unsere
Unterschiede zu betonen, oder nutzen wir die Monate
der Untersuchung, um unsere Gemeinsamkeiten hervorzuheben? Ich bin davon überzeugt ��� auch aus den Erfahrungen des NSU-Untersuchungsausschusses –: Wenn
wir die Gemeinsamkeiten betonen, erreichen wir mehr,
sind wir als Ausschuss stärker, bringen wir mehr Veränderungen auf den Weg und erfahren auch mehr. Davon
bin ich zutiefst überzeugt. Lassen Sie uns deshalb bei der
Arbeit die Gemeinsamkeiten betonen im Interesse der
Sicherheit unseres Landes, vor allen Dingen der Bürger!
In unserem Land muss gelten: Kommunikation ist geschützt. Sie ist frei möglich, und man muss keine Angst
haben, überall, an jeder Ecke überwacht zu werden.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat HansChristian Ströbele das Wort.
Hans-Christian
Ströbele
(BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gestern hat mir einer, der es wissen muss, erzählt, dass
sich für die NSA das Thema „Überwachung von deutschen Kommunikationsbeziehungen“ erledigt hat, und
das war’s. Keiner in den USA erinnert sich offenbar
noch daran, dass uns im Juni und in den Monaten danach
regelmäßig im Parlamentarischen Kontrollgremium mitgeteilt worden ist, dass wir die Informationen bekommen, dass sie nur noch herabgestuft werden müssen und
wir dann ein „Deutschland-Paket“ zu erwarten haben.
Wir warten darauf, aber es wird nicht mehr kommen.
Das ist schon schlimm genug. Viel schlimmer aber ist,
wenn ich höre, dass überhaupt keine Gespräche mehr
stattfinden, auch nicht von den in Deutschland dafür
Berufenen mit den US-Kollegen. Das Allerschlimmste
daran ist, dass die Überwachung nahtlos weitergeht, dass
das, was uns Herr Snowden über seine Dokumente im
Juni und in den Monaten danach hat wissen lassen,
keinerlei Konsequenzen nach sich gezogen hat. Das können wir nicht hinnehmen. Damit können wir uns nicht
abfinden. Deshalb müssen wir die Aufgabe übernehmen,
aufzuklären, was da war, und zwar mit allen unseren
Möglichkeiten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
(D)