Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

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Birgit Wöllert

(A) sprechenden politischen Rahmenbedingungen dafür haben wir jetzt hier zu schaffen.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt kommt mein Appell an Sie, liebe Gäste: Seit
gestern gibt es im Internet eine öffentliche Petition mit
der Nummer 50667 und dem Titel „Gesundheitsfachberufe – Sicherstellung der flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung mit Hebammenhilfe“. Die Mitzeichnungsfrist läuft vom 19. März 2014 bis zum 16. April
2014. Kommen in diesem Zeitraum 50 000 Unterschriften oder Mitzeichnungen über das Internet zustande,
dann wird der Petitionsausschuss eine öffentliche Sitzung zu dieser Thematik durchführen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die löst dann das
Problem?)
Bis heute sind es bereits 27 500 Unterschriften. Das ändert sich stündlich.
(Beifall bei der LINKEN – Hubert Hüppe
[CDU/CSU]: Und wie heißen die?)
Stündlich erfolgen mehr als 1 000 Mitzeichnungen im
Internet,
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Aufzählen!
Vorlesen!)
und ich fordere Sie auf, dazu beizutragen, dass die geforderte Zahl deutlich überschritten wird. Sie alle haben das
mit in der Hand.
(B)

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch einmal
bei der Initiatorin, Frau Schmuck aus Ingolstadt, recht
herzlich bedanken.
Schon vor rund vier Jahren hat meine Fraktion, Die
Linke, hier einen ähnlichen Antrag wie heute Bündnis 90/Die Grünen eingebracht, und zwar mit dem Titel
„Versorgung durch Hebammen und Entbindungspfleger
sicherstellen“. Das heißt, mindestens seit diesem Zeitpunkt beschäftigt uns diese Frage. Die Hebammen waren damals nämlich in der gleichen miesen Situation.
2010 stellte die Linke fest, dass nur noch 30 Prozent
der Hebammen und Entbindungspfleger von ihrem Beruf leben können. Wie sieht es jetzt, vier Jahre später,
aus? Nach Presseangaben, die wir alle reichlich verfolgen können, lagen die Stundenlöhne einer freiberuflichen Hebamme oder eines Entbindungshelfers zwischen
2011 und 2014 bei durchschnittlich 7,50 Euro bis
8,50 Euro. Angemessener Verdienst für diese verantwortungsvolle Tätigkeit sieht wohl anders aus.
(Beifall bei der LINKEN)
Für ein so reiches Land wie Deutschland ist es einfach nur beschämend, wie wir mit den Menschen umgehen, die unserer Zukunft – so nennen wir unsere Kinder
so schön vollmundig – auf die Welt helfen. Ich denke,
Herr Minister, da tragen Sie eine Verantwortung. Aus
Steuermitteln werden im Bereich Gesundheit vor allem
versicherungsfremde Leistungen bezahlt. Vielleicht soll-

ten Sie einmal überlegen, dass von den 3 Milliarden (C)
Euro, die sich der Finanzminister zurückholen möchte,
ein winziger Teil in zweistelliger Millionenhöhe ausreichen würde, um das Problem schnell zu lösen.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein
[CDU/CSU]: Sie haben das Problem nicht verstanden!)
2010 schlug die Linke vor, in einem Treffen zwischen
dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem
Hebammenverband deutliche Vergütungserhöhungen zu
vereinbaren und auch die steigenden Haftpflichtprämien
abzusichern. Ich muss sagen: Wenigstens die Übernahme der steigenden Haftpflichtprämien – Sie haben
das vorhin angeführt – hat geklappt. Seit 2012 werden
diese Kosten von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen.
Anders dagegen sieht es mit der Gesamtvergütung der
Hebammen aus; denn sie ist immer noch nicht auskömmlich, wie ich das schon sagte. Zur Hebammentätigkeit gehört eben noch viel mehr, als Kinder auf die Welt
zu holen. Hebammentätigkeit – so haben wir es uns von
den Hebammen erklären lassen – ist vor allem auch die
Betreuung der Mütter vor und nach der Geburt, und zwar
über einen längeren Zeitraum. Ich denke, das müssen wir
uns auch etwas kosten lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
2010 stellte die Linke fest: Eine flächendeckende Versorgung mit Geburts- und Hebammenhilfe ist gefährdet. – Vorige Woche, also vier Jahre später, wurde im
Bundesrat ein Entschließungsantrag zum gleichen (D)
Thema behandelt. So ein langer Zeitraum ist beschämend. Was hat sich eigentlich in diesen vier Jahren getan? Machen Sie es besser als Ihr Kollege von der FDP!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zur Situation in meiner Heimatregion Cottbus-SpreeNeiße kann ich sagen: Dort gab es 2004 noch insgesamt
vier Entbindungsstationen. Entbindungsstationen gibt es
jetzt nur noch in Cottbus und Forst, womit ihre Zahl auf
zwei abgesenkt worden ist. In Spremberg haben wir deshalb aus der Not eine Tugend gemacht und 2005 ein
Geburtshaus am Krankenhaus gegründet. Die dort freiberuflich tätigen Hebammen haben eine verantwortungsvolle Arbeit. Die Menschen aus Spremberg und der
Region nehmen diese Einrichtung gut an. Aber die Hebammen sind jetzt schon wieder in einer Notsituation. Da
haben wir sie gefälligst herauszuholen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist für junge Leute nicht attraktiv, einen Beruf mit
solchen Aussichten zu ergreifen. Ein Beispiel ebenfalls
aus Brandenburg: Nur im Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus gibt es hierzu alle drei Jahre einen Ausbildungslehrgang mit 17 Plätzen. Diese 17 Plätze sind seit 2007 noch
nie vollständig belegt gewesen.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ändern Sie das
doch in Brandenburg! Da sind Sie doch an der
Regierung!)

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