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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Julia Bartz

(A)

Die erste Möglichkeit – dieser Weg ist der naheliegende überhaupt –: Man sucht das Gespräch mit der oder
dem Vorgesetzten. Zahlreiche Vorgesetzte in der Bundeswehr sind treffliche Beispiele für gute Personalführung. Da könnte sich so mancher zivile Arbeitgeber eine
Scheibe abschneiden. Die Möglichkeit, direkt mit dem
Vorgesetzten oder der Vorgesetzten zu sprechen, steht allen offen und darf keine negativen Folgen haben.
Die zweite Möglichkeit ist: Man wendet sich an die
Vertrauenspersonen. Die Vertrauenspersonen sind als
unabhängige Hilfen für die Frauen und Männer der
Truppe da und können vermittelnd tätig werden.
Als dritter und weiterführender Schritt hat jede Soldatin und jeder Soldat das Recht, eine förmliche Beschwerde einzureichen.

Erst an vierter und letzter Stelle würde ich die Möglichkeit einer Eingabe an den Wehrbeauftragten sehen,
falls die anderen Schritte nicht erfolgreich waren. Ich betone das hier, weil sich offenbar nicht alle Petenten bewusst sind, dass ihre Eingabe an den Wehrbeauftragten
eine öffentliche Angelegenheit ist. So manche sind überrascht, wenn sie am nächsten Tag von ihrem Vorgesetzten auf ihre Eingabe angesprochen werden. Damit Sie
mich nicht falsch verstehen: Die Institution des Wehrbeauftragten ist zu Recht in unserem Grundgesetz verankert. Er gibt den Soldatinnen und Soldaten die Möglichkeit, ihre Anliegen an übergeordneter Stelle vorzutragen.
Der jährliche Bericht des Wehrbeauftragten gibt uns im
Parlament einen wertvollen Einblick in die Sorgen und
Nöte der Soldatinnen und Soldaten. Er zeigt uns auch
(B) Verbesserungsmöglichkeiten auf. Ich sage aber auch:
Ein Schwert, das zu oft genutzt wird, verliert an Schärfe.
Das liegt weder in unserem Interesse noch im Interesse
der Soldatinnen und Soldaten.
Die derzeitige Beschwerdeflut kann kein Dauerzustand sein. Ich denke, darüber sind wir uns alle in diesem
Haus einig. Ich habe vollstes Vertrauen in unsere Verteidigungsministerin, dass sie die Strukturreform so sozialverträglich wie nur möglich umsetzen wird und dabei
immer auch die Menschen in der Uniform ganz fest im
Blick haben wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Aspekt des Menschlichen spielt gerade im Hinblick auf traumatische Erfahrungen in Auslandseinsätzen eine ganz besondere Rolle. Dieser Herausforderung
müssen wir uns als Bundestag, aber auch als Gesellschaft verstärkt zuwenden. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, hat die Zahl der Einsatzteilnehmer mit seelischen Verwundungen zugenommen. Wir bauen deshalb
die bereits gute medizinische Versorgung noch weiter
aus, um diejenigen aufzufangen, die unsere Hilfe benötigen. Neue Screeningverfahren helfen, einsatzbedingte
psychische Störungen frühzeitig zu erkennen. An circa
80 Standorten haben sich psychosoziale Netzwerke
etabliert, wo Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und
Militärseelsorger gemeinsam Hilfe anbieten. Die Angehörigen werden zunehmend in die Therapieangebote eingebunden. Auch die Sporttherapie nach Einsatzbeendi-

gung zeigt Erfolge. Vielen Soldatinnen und Soldaten (C)
konnte bereits geholfen werden. Nun gilt es, dieses
Angebot noch auszubauen und die Qualität weiter zu
steigern. Das Ziel ist ganz klar: Allen hilfsbedürftigen
Soldatinnen und Soldaten sollte die bestmögliche Versorgung zur Verfügung gestellt werden.
Die Militärseelsorge leistet an dieser Stelle einen ganz
wichtigen Beitrag. Im In- und Ausland können sich die
Soldatinnen und Soldaten auf die Hilfe der Militärseelsorge verlassen. Mein ganz besonderer Dank gilt allen
Seelsorgern, die am Auslandseinsatz teilnehmen und
dort Ansprechpartner in allen Lebenslagen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Sie geben den Soldatinnen und Soldaten Rückhalt und
Beistand. Die Oasen sind ein wichtiger Rückzugsort im
harten Alltag im Einsatz.
Auch die daheimgebliebenen Angehörigen finden bei
der Militärseelsorge ein offenes Ohr. Diese Unterstützung ist besonders dann hilfreich, wenn sich psychische
Belastungen nach den Auslandseinsätzen auf die gesamte Familie auswirken. Hier sehe ich vor allem bei der
gemeinsamen therapeutischen Betreuung noch weitere
Verbesserungsmöglichkeiten. Das Ziel ist klar: Wir lassen die Familien der Soldatinnen und Soldaten nicht allein.
Der Truppenbesuch in Afghanistan vor zwei Wochen
hat mir vor Augen geführt, welch herausragende Leistung unsere Frauen und Männer in Uniform bei dieser
und anderen Missionen erbringen. Ein schmerzlicher (D)
Moment der Reise war die Gedenkminute am Ehrenhain
für die gefallenen Soldaten. Mein tiefes Mitgefühl gilt
ihren Angehörigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns bei
all unseren Entscheidungen, seien es Reformen oder
Auslandseinsätze, eines immer fest im Blick haben: die
Menschen in Uniform.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Claudia Roth:

Danke, Frau Kollegin. – Einen schönen guten Tag allen von meiner Seite! Der nächste Redner ist Dr. Fritz
Felgentreu für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Dr. Fritz Felgentreu (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Königshaus! Wer meiner Generation angehört und in der Bundesrepublik aufgewachsen ist, der erinnert sich zumeist noch ganz gut an Soldaten im
Straßenbild, und zwar nicht nur an Soldaten auf Fahrzeugen in natooliv und mit einem Y-Nummernschild,
sondern auch an Grundwehrdienstleistende, die oft irgendwo unterwegs waren, sich abends amüsieren woll-

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