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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Anita Schäfer (Saalstadt)

(A) gilt aber: Die Massenheere des Kalten Krieges werden
nicht mehr gebraucht.
Es ist richtig, dass unter anderen Bedingungen geschlossene Beschaffungsverträge neu gehandelt werden.
Ich begrüße es auch außerordentlich, Frau Ministerin
von der Leyen, dass Sie die von Ihrem Amtsvorgänger
begonnene Neuordnung des Beschaffungswesens so
energisch fortsetzen. Gerade das regelmäßige Auftauchen neuer Herausforderungen in den letzten Jahren
zeigt doch, dass wir uns zeitlich und finanziell aus dem
Ruder laufende Projekte weniger denn je leisten können.
Vielleicht zeigen die aktuellen Entwicklungen noch
den einen oder anderen Bedarf auf. Ich denke dabei zum
Beispiel an den Bereich der bodengebundenen Flugabwehr, wo der Einsatz bisheriger Systeme zu stagnieren
scheint. Modernste Ausstattung für alle Bereiche bleibt
unabdingbare Voraussetzung für die Auftragserfüllung
der Bundeswehr; denn nur so kann sie ihre Rolle als Anlehnungspartner für unsere Nachbarn bei der Gewährleistung der Sicherheit im Bündnis erfüllen.
Das Wichtigste in der Bundeswehr sind und bleiben
aber die Menschen. Wir haben in den vergangenen Jahren viel zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in
der Bundeswehr getan. Dazu gehören materielle Verbesserungen wie die Zulagen für ärztliche Dienste, Piloten,
Minentaucher und Soldaten mit besonderer zeitlicher
Belastung. Wir entwickeln einerseits die Nachwuchswerbung und andererseits Fortbildungsangebote und Berufsförderung weiter; die Frau Ministerin hat das vorhin
angesprochen. Besonders wichtig ist aber, die Vereinbar(B) keit von Familie und Dienst weiter zu verbessern.
Ich bin besonders froh, dass nunmehr die Einrichtung
von Betriebskindergärten an Bundeswehrstandorten mit
besonderem Bedarf in Gang kommt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das gilt insbesondere für die Standorte mit Bundeswehrkrankenhäusern und die Universität der Bundeswehr in
München. Mit Ausnahme des Bundeswehrkrankenhauses Berlin, wo die Planungen noch laufen, werden alle
Kindergärten voraussichtlich binnen Jahresfrist in Betrieb gehen. Allein für die Baumaßnahmen geben wir
über 5 Millionen Euro aus. Hinzu kommen Belegrechte
in vorhandenen Betreuungseinrichtungen wie etwa im
Fall der Sanitätsakademie in München. Mit Stand Februar sind bereits 317 Eltern-Kind-Arbeitszimmer realisiert worden. Insgesamt wird es diese an rund 200 Standorten geben. Ergänzt wird das durch Verbesserungen bei
der Kinderbetreuung während der Aus- und Fortbildung,
der Unterstützung bei der Ferienbetreuung sowie der
Notfallbetreuung nicht nur von Kindern, sondern auch
von pflegebedürftigen Angehörigen.
Im Hinblick auf die Problematik pendelnder Soldaten
soll neben der dauerhaften Möglichkeit der Wahl zwischen Trennungsgeld und Umzugskostenvergütung die
Wohnungsfürsorge optimiert werden, um sowohl den
Pendlern als auch umzugswilligen Familien bei der Suche nach geeigneten Wohnungen besser zu helfen. Gerade in diesem Punkt gibt es sicherlich noch Raum für

weitere Verbesserungen. Nach der Ankündigung von (C)
Ministerin von der Leyen, das Thema der Attraktivität
zu einem Schwerpunkt zu machen, bin ich aber zuversichtlich, dass es diese auch geben wird.
Der Wehrbeauftragte hat in seinem Bericht bedauert,
dass die Folgestudie des Zentrums für Militärgeschichte
und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zum Stand
der Integration von weiblichen Soldaten noch nicht vorlag. Beim Verfassen dieser Zeilen konnte er noch nicht
wissen, dass dies noch vor der Vorstellung des Jahresberichts geschehen würde. Über die Studie Truppenbild
ohne Dame? ist vor allem unter zwei Schlagzeilen berichtet worden: erstens dass sich die Einstellung männlicher Soldaten zu Frauen in der Bundeswehr gegenüber
der Vorgängerstudie von 2005 verschlechtert hat und
zweitens dass 55 Prozent der Soldatinnen schon sexuell
belästigt worden seien. Diesen Punkten hat auch der
Wehrbeauftragte breiten Raum eingeräumt.
Beim Durchlesen der Studie ergibt sich allerdings ein
differenzierteres Bild, als eine Schlagzeile vermitteln
kann. Zunächst einmal: Mittlerweile beträgt der Anteil
weiblicher Soldaten in der Bundeswehr rund 10 Prozent,
was bereits ein großer Erfolg des Integrationsprozesses
ist. 13 Jahre nach Öffnung aller Laufbahnen erreichen
Frauen nun auch die entsprechenden höheren Dienstgrade. Das BMVg scheint sich zwar mit dem Wehrbeauftragten einig zu sein, dass es etwa bei A-15-Stellen
im Sanitätsdienst, der für Frauen schon früher zugänglich war, noch Nachholbedarf gibt. Aktuell gibt es aber
bereits den zweiten weiblichen Generalarzt. Wenn man
sich die notwendigen Beförderungszeiten ansieht, dann (D)
stellt man fest, dass Anfang des nächsten Jahrzehnts
auch mit den ersten Frauen im Generalsrang zu rechnen
ist, die seit 2001 die Karriereleiter im Truppendienst erklettert haben. – Das vorweg.
Nun zu den Ergebnissen der Studie. Es ist in der Tat
so, dass die Einstellung männlicher Soldaten gegenüber
den militärischen Leistungen von Frauen kritischer ist
als noch 2005. Gleichzeitig bewerten sie aber den gemeinsamen Dienst beider Geschlechter in der Bundeswehr insgesamt besser, und die Angst vor Problemen hat
sich verringert.
Interessant ist auch, dass weniger Soldaten Probleme
mit der Effektivität in ihren eigenen Einheiten sehen.
Der Leiter der Studie hat mir dazu erläutert, dass die Kritik sowohl auf eigenem Erleben als auch auf Hörensagen
beruhe. Echte Probleme mit körperlicher Leistungsfähigkeit muss man dabei sicherlich ernst nehmen, weil
die Leistung jedes Einzelnen lebenswichtig für die gesamte Einheit sein kann. Ich denke, es wäre einmal interessant, nachzuforschen, wie sich die Kritik auf Kampfund Unterstützungseinheiten verteilt. In Ersteren kommt
es auf körperliche Leistung besonders an. Allerdings
entscheiden sich auch nur vergleichsweise wenige
Frauen für diese Verwendungen. In Unterstützungseinheiten ist es eher umgekehrt. Es ist also durchaus möglich, dass sich die Kritik vor allem an einigen wenigen
Negativbeispielen festmacht, während Soldaten in Einheiten mit höheren Frauenanteilen aus eigener Erfahrung

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