Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

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Anita Schäfer (Saalstadt)

(A) keine Probleme mit der Effektivität sehen. Das wäre
doch vielleicht einmal eine Frage für die nächste Studie.
Noch überraschender fand ich die einzelnen Ergebnisse zum Thema sexuelle Belästigung. Zunächst einmal: Dass sich die Fallzahlen nicht groß vom Rest der
Gesellschaft unterscheiden, kann nicht zufriedenstellen.
Hier muss die Bundeswehr tatsächlich einmal besser
sein als der Rest der Gesellschaft; denn abgesehen von
allen rechtlichen Vorschriften und grundsätzlichen Regeln allgemeinen Anstands gilt hier noch zusätzlich die
Pflicht zur Kameradschaft. Der kameradschaftliche Umgang zwischen allen Soldatinnen und Soldaten unter
Achtung der Würde des Einzelnen ist immer wieder einzufordern und umzusetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Ich betone: zwischen allen Soldatinnen und Soldaten,
weil sexuelle Belästigung laut der Studie eben nicht nur
ein Problem zwischen, sondern auch innerhalb der Geschlechter ist. Das gilt sowohl bei Männern als auch bei
Frauen, gerade für die Kategorie tatsächlicher sexueller
Nötigung. Diese Kategorie umfasst aber gegenüber anzüglichen Bemerkungen und Ähnlichem glücklicherweise nur eine sehr geringe Zahl von Fällen, sodass die
Verteilung nicht unbedingt aussagekräftig ist. Auch hier
sollte meiner Meinung nach der Hintergrund genauer erforscht werden.
Meine Damen und Herren, und dennoch bleibt es dabei:
Selbst wenn die Bundeswehr als Spiegelbild der Ge(B)
sellschaft auch deren Schattenseiten wiedergibt, ist sie
besser, als gängige Stereotypen glauben machen wollen.
Ihre Soldatinnen und Soldaten leisten einen unverzichtbaren Dienst für die Sicherheit Deutschlands im Bündnis. In Krisenzeiten wie jetzt wird es uns wieder bewusst, wie wichtig die Sicherheit ist und für wie
selbstverständlich wir das im Herzen eines friedlichen,
geeinten Europas in den letzten Jahren gehalten haben.
Aber Sicherheit ist nicht selbstverständlich, sondern
muss immer wieder erarbeitet werden. Deswegen danke
ich allen Männern und Frauen der Bundeswehr, die diesen Dienst jeden Tag an vielen Standorten im In- und
Ausland für uns leisten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. – Das Wort hat Dr. Tobias Lindner,
Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Ihnen,
Herr Wehrbeauftragter Königshaus, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dieser Debatte zu Recht für
die Vorlage dieses Berichts viel gedankt worden, ich will
aber in diesen Dank noch einen weiteren Aspekt ein-

schließen. Wenn man darüber nachdenkt, was der (C)
Markenkern einer Parlamentsarmee ist, dann wird man
sicherlich als einen Aspekt die Parlamentsbeteiligung
bei Auslandseinsätzen benennen,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
aber genauso solche Debatten wie diese heute, Debatten,
bei denen uns in Form eines Berichts an Beispielfällen
vor Augen gehalten wird, was in der Truppe tatsächlich
passiert, was gut läuft, aber auch, was nicht gut läuft,
und Debatten, bei denen wir uns als Parlamentarier – Sie
sich als Koalition, wir uns als Opposition – mit unseren
Vorstellungen und Programmen natürlich fragen müssen: Was sind unsere Erwartungen an die Bundeswehr,
wo haben wir vielleicht falsche Erwartungen, wo haben
wir vielleicht Fehler gemacht bei Strukturen, bei finanzieller Ausstattung und bei anderen Aspekten? Insofern,
liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es gut, dass wir hier
in diesem Hohen Hause nicht nur über Auslandseinsätze
der Bundeswehr und über Aspekte der Militärpolitik reden, sondern eben auch über den Zustand der Bundeswehr an sich. Allein deswegen hat diese Debatte einen
Wert.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Ich möchte in diesem Zusammenhang zu drei Aspekte kommen – sie wurden teilweise schon angesprochen –:
Der erste Aspekt betrifft das Thema Überwachung.
Erst jüngst gab es einen eklatanten Fall von Munitionsdiebstahl; über ihn haben wir auch gestern im Verteidigungsausschuss diskutiert. Herr Königshaus, wenn man (D)
in Ihrem Bericht nach dem Komplex Bewachung sucht,
dann findet man Informationen über Anschläge auf Bundeswehrfahrzeuge, auf Fahrzeuge von Soldatinnen und
Soldaten und nicht zuletzt über den leider geglückten
Versuch des Eindringens eines Mannes in ein Flugzeug
der Flugbereitschaft. All diese Beispiele machen deutlich, dass wir offensichtlich ein Problem mit der Bewachung von Bundeswehrliegenschaften haben. Ich will
hinzufügen: ein ernsthaftes Problem.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Und mit linksextremer Gewalt!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sprach schon
von Munition, von Waffen, von Kriegsgerät, das in Bundeswehrliegenschaften naturgemäß lagert. Die Bundeswehr wird alles dafür tun müssen, dass die Soldatinnen
und Soldaten, ihre Angehörigen, aber auch die Bevölkerung durch eine bessere Bewachung vor einem Missbrauch dieses Materials geschützt werden. Die besten
Empfehlungen von Kommissionen über Bewachungsmaßnahmen helfen gar nichts, wenn diese, wie auf dem
Kasernengelände in Seedorf geschehen – wir haben dies
gestern erfahren –, nicht umgesetzt werden. Dann bleibt
natürlich die Frage offen, warum diese Empfehlungen
nicht umgesetzt worden sind, zumal uns das Ministerium
versichert hat, dass Mittel dafür vorhanden gewesen
sind.
Ich will auf den zweiten Aspekt zu sprechen kommen.
Frau von der Leyen, Ihr Vorgänger, Thomas de Maizière,

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