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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Heidtrud Henn
(A) genesen kann. Das gilt nicht nur für die Angehörigen der
Bundeswehr, das gilt für uns alle.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und Gottes Segen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank. – Das Wort hat Doris Wagner, Bündnis 90/
Die Grünen.
Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau
Ministerin! Werter Herr Königshaus! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich war vor 14 Tagen in Afghanistan,
und ich muss Ihnen sagen: Durch Kabul zu fahren, ist
schon ein sehr spezielles Erlebnis. Mit einer kiloschweren Sicherheitsweste und mit bewaffnetem Begleitschutz
im Konvoi durch die Stadt, ständiger Funkkontakt zwischen den Fahrzeugen mit Anweisungen und Hinweisen
auf Gefahrenquellen und auf der Straße bewaffnete
Männer: Das hat mir noch einmal ganz klar vor Augen
geführt, dass Soldatin oder Soldat zu sein eben kein normaler Beruf ist; denn sie setzen sich in ihren Einsätzen
in unserem Auftrag besonderen Gefahren für Leib und
Leben aus.
Deshalb lese ich den Wehrbericht, für den ich Herrn
Königshaus heute auch noch einmal danken möchte, mit
anderen Augen, und deshalb haben Sie, Frau Ministerin,
(B) eine spezielle Verantwortung und Fürsorgepflicht für
diese Soldatinnen und Soldaten. Dieser Verantwortung
und der Pflicht zur Fürsorge wird die Bundesregierung
derzeit bei weitem nicht gerecht.
Verantwortung und Fürsorge: Das bedeutet, wir müssen alles tun, damit die Soldatinnen und Soldaten optimal ausgerüstet und vorbereitet in den Einsatz gehen.
Doch der Wehrbericht zeigt: Die Realität sieht anders
aus. Während die Soldatinnen und Soldaten in den Auslandseinsätzen inzwischen über eine gute Ausrüstung
verfügen, herrscht in den Kasernen in Deutschland Mangel. Da müssen Maschinengewehre von anderen Truppenteilen ausgeliehen werden, oder unmittelbar vor dem
Einsatz wird kurzfristig mit Panzern trainiert, die zentral
über ein „Verfügbarkeitsmanagement“ entliehen werden,
damit sich die Soldatinnen und Soldaten überhaupt auf
den Einsatz vorbereiten können.
Auf diese Weise möchte die Bundesregierung haushalterische Disziplin üben, aber ich glaube, die Grundausrüstung ist dafür denkbar ungeeignet; denn wer seine
Soldatinnen und Soldaten unzureichend vorbereitet in
gefährliche Einsätze schickt, handelt fahrlässig und verantwortungslos.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Verantwortung und Fürsorge: Das bedeutet auch, dafür zu sorgen, dass unsere Soldatinnen und Soldaten bei
der Erfüllung ihrer Aufgaben keinen unnötigen Schaden
nehmen. Doch mittlerweile müssen wir fast froh sein,
wenn sie zu Hause ihren alltäglichen Dienst gesund und
unbeschadet überstehen. Der Grund dafür liegt in der un- (C)
glücklichen Personalpolitik Ihrer Amtsvorgänger, Frau
von der Leyen.
Unsere Streitkräfte verfügen mittlerweile nicht mehr
über ausreichend Personal, um die eigenen Kasernen
und Flughäfen effektiv zu sichern. In Seedorf konnte ein
Unbekannter unbehelligt auf das Gelände vordringen
und über 30 000 Schuss Munition entwenden. Dem
Wehrbericht zufolge wurden in den letzten Jahren in
zahlreichen Liegenschaften der Bundeswehr Radmuttern
an Fahrzeugen gelöst, und im Juli 2013 kam es sogar zu
einem Brandanschlag. Es ist also nur noch eine Frage
der Zeit, bis die ersten Soldatinnen und Soldaten durch
Sabotageakte zu Schaden kommen.
Wir haben es schon gehört: Schlecht steht es auch um
die medizinische Versorgung der Streitkräfte. Auch hier
gilt: Der Mangel an Personal hat mittlerweile gravierende Folgen. Bei den Sanitätsoffizieren fehlten 2013
mehr als 400 Ärztinnen und Ärzte, die vor allem für die
Notfallversorgung im Einsatz unerlässlich sind. Aus Personalmangel müssen in manchen Bundeswehrkrankenhäusern ganze Stationen geschlossen werden, sodass die
Soldatinnen und Soldaten für Behandlungen teilweise
weite Reisen auf sich nehmen müssen. Wer sich im
Dienst etwa eine schwere Brandverletzung zuzieht, der
kann zwar in das Krankenhaus nach Koblenz fahren und
dort hervorragende Gerätschaften zur Behandlung seiner
Verletzung besichtigen, optimal geholfen kann aber
nicht werden, weil es kein Personal mehr gibt, das sich
auf Schwerstbrandverletzungen spezialisiert hat. Eine
solche Situation ist völlig inakzeptabel. So können wir
(D)
nicht mit Menschen umgehen, die in unserem Auftrag
ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.
Frau Ministerin, Sie haben bei Ihrer Rede auf der
Münchner Sicherheitskonferenz von der Verantwortung
gesprochen, die Deutschland bei der Lösung internationaler Krisen übernehmen muss. Ich finde, Sie sollten erst
einmal Ihrer Verantwortung für unsere Soldatinnen und
Soldaten gerecht werden. Beheben Sie den eklatanten
Personalmangel, der sich als Thema wie ein roter Faden
durch den ganzen Wehrbericht zieht! Überprüfen Sie das
Tempo der Streitkräftereduzierung!
Ich freue mich, dass ich Ihre Worte so deuten kann,
dass Sie darüber nachdenken, ob Truppenverbände wirklich über Standorte von der Ostsee bis zu den Alpen verteilt werden müssen. Aber ich bitte Sie: Fangen Sie unverzüglich an, die Bundeswehr zu einem attraktiven und
familienfreundlichen Arbeitgeber umzugestalten, wie
Sie es Anfang des Jahres immer wieder versprochen haben! Nur so werden Sie den Nachwuchs gewinnen, den
die Bundeswehr so dringend braucht.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu meinem letzten Punkt. Ein junger Mensch, der sich entscheidet, Soldat oder Soldatin zu werden, muss darauf vertrauen können, dass sein Dienstherr verantwortungsvoll
mit ihm umgeht. Er muss darauf vertrauen können, dass
er im Falle einer Verletzung umfassende Hilfe und Fürsorge erfährt. Leider versagt die Bundeswehr ausgerechnet in diesem Punkt kläglich, wie ich in mehreren Gesprächen mit Betroffenen erfahren habe.