Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

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Wehrbeauftragter Hellmut Königshaus

(A)

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auch in diesem
Jahr beim Thema „Vereinbarkeit von Familie und
Dienst“. Jenseits aller Entbehrungen, die der Beruf des
Soldaten unvermeidbar mit sich bringt, muss der Dienst
so gestaltet werden, dass er auch ein befriedigendes Familienleben zulässt. Dazu bedarf es natürlich mehr als
bloßer Bekenntnisse, so unter anderem auch der Bereitschaft, zusätzliche finanzielle Mittel für diese Aufgaben
zur Verfügung zu stellen. Ich bin froh, dass Sie, Frau
Bundesministerin, die Verbesserung der Vereinbarkeit
von Familie und Dienst zu einem Schwerpunkt Ihrer Arbeit machen wollen. Dieses Signal ist bei den Soldatinnen und Soldaten und vor allem bei ihren Familien gut
angekommen. Sie erwarten nun allerdings, dass Verbesserungen in diesem Bereich unmittelbar und konkret
spürbar werden. Ich hoffe, Frau Ministerin von der
Leyen, dass Sie auf diesem Gebiet tatsächlich klare Linie halten.

Ein wesentliches Thema war im vergangenen Jahr die
Situation der Frauen in der Bundeswehr. Beunruhigende
Meldungen über sexuelle Übergriffe haben deren Situation stärker in das Blickfeld gerückt. Jenseits der gravierenden Fälle, über die in den Medien berichtet wurde,
klagten zahlreiche Soldatinnen über frauenspezifische
Diskriminierung. Sie bestätigten damit die inzwischen
veröffentlichte Studie „Truppenbild ohne Dame?“. Im
Gespräch mit Betroffenen wurde deutlich, dass oftmals
Hemmungen bestehen, Mobbing, sexuelle Belästigungen oder sogar sexuelle Übergriffe zu melden. – Das hat
übrigens dazu geführt, dass auch bei mir ein falscher
Eindruck entstanden ist. Manche meiner Stellungnah(B) men würde ich heute so nicht mehr abgeben. – Dies
wurde im Gespräch, aber auch aufgrund der Diskussion
in der Öffentlichkeit deutlich. Als Gründe für die Zurückhaltung, dies zu melden, wurde vorwiegend die
Furcht vor negativen Auswirkungen auf die eigene Beurteilung und mögliche Laufbahnnachteile genannt. Alle
Vorgesetzten bleiben daher aufgefordert, frauenfeindlichen Tendenzen konsequent entgegenzutreten und verlorenes Vertrauen in ein kameradschaftliches Miteinander
zurückzugewinnen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, die Auswirkungen der
Veränderungen durch die Neuausrichtung brachten es
mit sich, dass die Personalführung noch stärker ins
Blickfeld geriet; das versteht sich von selbst. Aber auch
die rechtlichen Rahmenbedingungen brachten erhebliche
Veränderungen. Bei den Auswahlverfahren zur Übernahme von Soldatinnen und Soldaten in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin bzw. eines Berufssoldaten
wurden Geburtsjahrgänge bisher immer getrennt betrachtet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in einer
Grundsatzentscheidung zu Recht als unzulässig verworfen, weil Eigenleistung und Befähigung nicht unbedingt
im Zusammenhang mit Jahrgängen zu sehen sind. Es
gibt auch Menschen älterer Jahrgänge, die durchaus eine
Leistungsfähigkeit erbringen, die bei Jüngeren vergeblich gesucht wird.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Für Offiziere wurde diese Gerichtsentscheidung im (C)
Auswahlverfahren 2013 bereits berücksichtigt. Das Auswahlverfahren für Feldwebel dagegen wurde im Berichtsjahr zunächst ausgesetzt und auf das laufende Jahr
verschoben. Das ist bei den betroffenen Bewerbern
nachvollziehbar auf Unverständnis gestoßen. Je mehr
sich das Auswahlverfahren verzögert, desto größer ist
die Gefahr, dass sich die besten Bewerberinnen und Bewerber beruflich bereits anderweitig orientiert haben
oder dass sie persönliche Nachteile erfahren, auch wenn
sie in der Bundeswehr bleiben.
Schwer tut sich die Bundeswehr auch mit der Umsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie. Schon bei
den zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern konnte
der Ausgleich für mehr geleisteten Dienst personell nicht
oder nur schwer kompensiert werden, sodass einzelne
Arbeitsbereiche vorübergehend stillgelegt werden mussten, etwa die Flughafenfeuerwehr. Dem Grunde nach gilt
die Arbeitszeitrichtlinie nach meiner Auffassung auch
für Soldatinnen und Soldaten, sodass eine Umsetzung in
diesem Bereich unausweichlich ist. Es macht keinen
Sinn, davor die Augen zu verschließen. Je eher sich die
Bundeswehr, aber auch das Parlament mit den personellen und finanziellen Folgen einer entsprechenden Umsetzung beschäftigt, desto besser wird darauf reagiert
werden können. Ich sage auch – ich weiß nicht, ob Herr
Kampeter heute anwesend ist –: Kostenneutralität steht
dabei nicht in Aussicht.
Ein letztes Stichwort: Sanitätsdienst. Erhebliche Sorgen bereitet nach wie vor die sanitätsdienstliche Versorgung. Ohne einen massiven Rückgriff auf zivile Kapazitä- (D)
ten ist die Versorgung heute nicht mehr sicherzustellen.
Deshalb gibt es eine immer engere Kooperation zwischen zivilen und militärischen Bereichen. Allerdings
darf dabei der militärische Versorgungsauftrag nach meiner Auffassung nicht aus dem Blick verloren werden.
Ich habe den Eindruck, dass vielfach die Fragen der
Wirtschaftlichkeit den eigentlichen Daseinszweck des
Sanitätsdienstes mehr und mehr überlagern. Das darf
nicht sein.
Ich sehe, dass ich meine Zeit schon überschritten
habe, und möchte Ihnen an dieser Stelle für Ihre Aufmerksamkeit danken. Aber wenn Sie erlauben, Frau Präsidentin, möchte ich noch einen besonderen Dank an
meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten, die
wirklich Großartiges geleistet haben. Wir hatten nicht
nur eine hohe Zahl von Eingaben, sondern eben auch
sehr komplizierte und konkrete Fragen zu klären. Diese
Arbeit ist auf großartige Art und Weise geleistet worden.
Das Gleiche gilt natürlich für unsere Ansprechpartner in
den Ministerien, in den militärischen Organisationen
und auch im Parlament. Wenn Sie erlauben, richte ich an
dieser Stelle meine Grüße auch an alle Soldatinnen und
Soldaten im Einsatz. Nochmals ganz herzlichen Dank!
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

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