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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Vizepräsidentin Ulla Schmidt

(A)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung der Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten
Jahresbericht 2013 (55. Bericht)
Drucksache 18/300
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie jetzt ganz
schnell die Plätze wechseln, dann könnte ich die Aussprache auch eröffnen. – Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Hellmut Königshaus, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren Abgeordnete! Es ist bemerkenswert, dass sich
(B) das Hohe Haus schon so kurz nach der abschließenden
Beratung des Jahresberichts 2012 mit dem Jahresbericht
2013 befasst. Das ist ein wirklich gutes Signal an die
Soldatinnen und Soldaten und auch an ihre Familien. Es
zeigt, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht nur Belastungen beschließen, sondern sich
auch mit den Folgen für die Truppe, für die Soldatinnen
und Soldaten, übrigens auch für die Zivilbeschäftigten,
befassen wollen. Es gibt eine ganze Reihe von Herausforderungen, denen sich die Angehörigen der Bundeswehr stellen müssen. Deshalb ist das besonders wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Herausforderungen, meine Damen und Herren,
sind immens. Das schlägt sich auch in den Eingaben, die
uns erreichen, immer wieder nieder. Mit knapp
5 100 Zuschriften erreicht die Eingabenquote im Berichtsjahr einen absoluten Höchststand, gemessen an der
Kopfzahl der Soldatinnen und Soldaten. Gegenstand der
Eingaben waren schwerpunktmäßig Probleme in den Bereichen Personalführung, Ausbildung, Einsatz, Betreuung und Versorgung der Soldatinnen und Soldaten und
ihrer Familien. Übrigens, damit nicht der Eindruck entsteht, das alles seien nur Sonderentwicklungen wegen
der Frage der Beihilfebearbeitung: Auch in den ersten
beiden Monaten dieses Jahres hat sich diese Quote auf
dem gleichen hohen Niveau bewegt wie im vorangegangenen Jahr. Ich glaube, das sollte schon Anlass sein, die
angekündigte Evaluierung der Neuausrichtung umgehend anzugehen, um den eingeschlagenen Kurs der Umstrukturierung der Streitkräfte zum Erfolg zu führen.

Das Berichtsjahr 2013 war für unsere Soldatinnen (C)
und Soldaten ein Jahr des Umbruchs. Die Neuausrichtung der Bundeswehr stellte die neue Struktur neben die
bisherige. In der Praxis bedeutete das: Trotz erheblicher
Reduzierung des Personals mussten beide Strukturen unter der vollen Belastung der Einsätze ausgefüllt werden.
Hinzu kam die Verunsicherung vieler Soldatinnen und
Soldaten und ihrer Familien, aber auch vieler Zivilbeschäftigter über die Frage, ob, wo und in welcher Verwendung sie künftig ihren Platz in der sogenannten
neuen Bundeswehr finden werden.
Ich erwähne übrigens die Zivilbeschäftigten an dieser
Stelle, weil die Verlagerung von Zuständigkeiten der
Bundeswehrverwaltung in die Bereiche der Innen- und
Finanzverwaltung zu massiven Verzögerungen bei der
Bearbeitung der Beihilfe- und Versorgungsanträge führte
und darüber hinaus auch verfassungsrechtliche Fragen
zur zukünftigen parlamentarischen Kontrolle dieser Bereiche aufwirft, die sich aus meiner Sicht bisher noch
nicht abschließend beantworten lassen. Ich will nicht
über die Frage reden, ob die besonderen Rechte des Verteidigungsausschusses durch diese Verlagerung berührt
sind; das wird sicherlich das Parlament selbst beantworten. Rechte des Wehrbeauftragten sind allerdings sehr
wohl betroffen; denn insbesondere Auskunfts- und Besuchsrechte hat er nur unmittelbar gegenüber Dienststellen aus dem Bereich der Bundesministerin der Verteidigung.
Im Bereich der Streitkräfte gibt der Verlauf der Neuausrichtung durchaus noch immer Anlass zur Sorge, zu (D)
der Sorge nämlich, dass eine nachhaltige Verbesserung
der Einsatzfähigkeit, Finanzierung und Attraktivität der
Streitkräfte nicht erreicht werden kann, wenn nicht nachgesteuert wird. Trotz der bisher erfolgten Umstrukturierung steht die Bundeswehr mit den laufenden Einsätzen
personell und materiell nach wie vor an den Grenzen
ihrer Leistungsfähigkeit. Operativer Bedarf und strukturelle Ausplanung klaffen auf absehbare Zeit weiter deutlich auseinander. Der Jahresbericht geht darauf ausführlich ein.
Ich nenne in diesem Zusammenhang hier nur einige
besonders kritische Bereiche wie den Lufttransport und
den Luftumschlag, die Flughafenfeuerwehr, den Flugverkehrskontrolldienst sowie die Flugberatung bei der
Luftwaffe. In der Marine ist es ein offenes Geheimnis,
dass die Besatzungen der Schiffe und Boote im Einsatz
nur unter Rückgriff auf die letzten Reserven auch in Stäben und Dienststellen zusammengestellt werden können.
Auch im Heer reicht das verfügbare Personal nicht aus,
um Einsatzkontingente unter Berücksichtigung des
Grundsatzes „4 Monate Einsatz, 20 Monate Inlandsdienst“ wirklich verlässlich abbilden zu können. Das
Prinzip „Breite vor Tiefe“ ist angesichts dieser Situation
meines Erachtens zu überprüfen. In der jetzigen Form
führt es zur Überlastung insbesondere der einsatzrelevanten Bereiche. Es bedarf daher einer Korrektur. Die
für dieses Jahr vorgesehene Evaluierung der Neuausrichtung wird dies erweisen und bietet auch eine gute Grundlage und Gelegenheit dafür.

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