Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1779
Wolfgang Gehrcke
(A) sogenanntes Gewohnheitsrecht konstruiert wird, das erlaubt, dass in andere Staaten eingegriffen wird.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]:
Rabulistik! Quatsch!)
Wir wollen, dass völkerrechtlich festgeschrieben
wird, dass Trennungen nur im Rahmen von friedlichen
Vereinbarungen zwischen allen Partnern möglich sind.
Vielleicht kommt es Ihnen komisch vor, wenn ich frage,
ob man nicht gerade die jetzige Situation nutzen muss,
um in Europa über Konferenzen, über Arbeitsgruppen,
auch über gemeinsame Arbeitsgruppen mit Russland
und anderen Staaten, zu einer Erneuerung des Völkerrechts auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen zu kommen. Das ist dringend notwendig. Wir
wollen geschriebenes Völkerrecht, das für alle gleichermaßen gilt und gegen alle gleichermaßen durchgesetzt
wird. Das wollen wir erreichen. Das bedeutet, dass man
erst einmal selbstkritisch an die Dinge herangehen muss.
Das war der Anstoß, den Gregor Gysi geben wollte.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich verstehe nicht, warum man einen so einfachen Gedanken nicht einmal konstruktiv aufnehmen kann.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ist das jetzt
eine Kurzintervention, oder erklären Sie die
Rede von Herrn Gysi noch einmal?)
Wenn mir noch ein polemischer Satz gestattet ist, und
zwar zu Ihrem schönen Bild von dem Verstand, der in
(B) die Trompete rutscht: Wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, zeigen auch immer Finger auf einen selbst zurück. Schauen Sie einmal in die Trompete hinein, um zu
sehen, wessen Verstand Sie dort finden!
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank. – Herr Kollege Grund.
Manfred Grund (CDU/CSU):
Ich schaue zuerst in die Geschäftsordnung und stelle
fest, dass wir nicht nur eine Weiterentwicklung des Völkerrechts haben, sondern auch eine Weiterentwicklung
der Geschäftsordnung. Eine Kurzintervention kann sich
immer nur auf den Redebeitrag beziehen, der unmittelbar zuvor gehalten worden ist; es darf nicht noch ein anderer Redner dazwischen gewesen sein. Aber wir wollen
jetzt darüber hinwegschauen.
(Zuruf des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN] – Heiterkeit)
Herr Kollege Gehrcke, wer die Situation seinerzeit im
Kosovo mit der Situation jetzt auf der Krim vergleicht,
der vergleicht Äpfel mit Birnen; das ist etwas fundamental anderes. Im Kosovo hat es einen Völkermord gegeben. Der Auftrag der Völkergemeinschaft an die Vereinten Nationen ist, Völkermord zu verhindern und alle
Möglichkeiten, alle juristischen und alle diplomatischen
Möglichkeiten, zu nutzen, um Völkermord aufzuhalten.
(Zurufe von der LINKEN)
(C)
Srebrenica war schon passiert. Ich nenne auch Vukovar.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Und Russland
hat goutiert!)
Die Resolution ist immer wieder am Veto Russlands im
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gescheitert,
(Beifall bei der CDU/CSU)
sodass es zur Beendigung des Völkermords keine andere
Möglichkeit mehr gegeben hat, als so vorzugehen, wie
vorgegangen worden ist.
Nun zur Krim. Alle Argumente, die für die Annexion
der Krim vorgetragen worden sind – Bedrohung der russischen Minderheit; es sei sogar schon jemand umgekommen; die Sprache dürfe nicht mehr gesprochen werden –,
(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Das habe ich
nie gesagt! Was erzählst du überhaupt? –
Michael Brand [CDU/CSU]: Der UN-Generalsekretär hat von der dunklen Wolke des Völkermords gesprochen!)
waren aus der Luft gegriffen und hatten überhaupt nichts
mit der Wirklichkeit zu tun. Alles das, was man mit der
ukrainischen Regierung hätte aushandeln können – Autonomiestatus der Krim etwa –, ist einfach ausgeschlagen worden. Es sind vollendete Tatsachen geschaffen
worden. Es ist etwas herausgeschnitten worden. Vollendete Tatsachen! Annexion! Ein Teil eines Landes wurde
einem anderen Land angegliedert. Das ist mit der Situa- (D)
tion im Kosovo seinerzeit überhaupt nicht zu vergleichen. Ich bitte Sie und die Kollegen der Linken, diese
Argumentation nicht zu wiederholen, weil sie nicht trägt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank.
Herr Kollege Grund, der Kollege Gehrcke war von
Ihnen so beeindruckt, dass er der irrigen Auffassung war,
dass Sie ihm das Wort erteilen dürfen. Das war mir entgangen. Deshalb wollte ich den Fehler korrigieren und
habe eine Ausnahme von der Geschäftsordnung gemacht.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN –
Michael Brand [CDU/CSU]: Wir sind ja nicht
in Russland! – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deeskalation! Sehr
gut! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]:
Gut, dass das hier möglich ist! – Heiterkeit)
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/853. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Antrag gegen die Stimmen der Linken abgelehnt worden.