Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
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Gabriele Groneberg
(A) tigt werden. Das ist meiner Ansicht nach voll daneben,
ist polemisch, ist unsachlich. Herr Hofreiter müsste wissen, dass die Ziele der EU in diesem Bereich schon lange
festliegen. Er selber bzw. seine Fraktion hat sie in der
Vergangenheit mit geprägt.
Es ist richtig: Nicht alle unsere Ziele stoßen in der EU
auf helle Begeisterung. Es gibt durchaus Kritiker in den
Ländern des Südens und des Ostens, für die angesichts
hoher Arbeitslosigkeit eine zielführende Beschäftigungspolitik und sozialpolitische Fragen im Vordergrund stehen, ebenso wie die Versorgungssicherheit im
Bereich Energie und das Preisniveau.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt doch:
Wenn wir es in Deutschland nicht schaffen, die Menschen bei der Energiewende mitzunehmen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu sichern, wenn wir es nicht schaffen, die Energiewende
sicher, sauber und bezahlbar hinzubekommen, dann werden wir – da können wir uns noch so viele Ziele setzen
und noch so viele schöne Papiere schreiben – scheitern.
Deshalb empfehle ich Ihnen allen in diesem Hause, diese
Verhandlungen zu unterstützen. Die Abgeordneten der
CDU/CSU und der SPD werden dies tun. Wir erwarten
von unserer Bundesregierung vollen Einsatz auf der Basis der Formulierungen unseres Koalitionsvertrages. Der
Auftrag, den dieses Haus der deutschen Delegation mitgibt, ist klar.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!
(B)
Gabriele Groneberg (SPD):
Ja, sehr geehrter Herr Präsident, ich komme zum
Ende. – Wir sollten auf jeden Fall aus diesem Hause Rückendeckung für die anstehenden Verhandlungen geben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege
Michael Stübgen das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Michael Stübgen (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden im
Abstand von einer Woche das zweite Mal – diesmal im
Zusammenhang mit dem kommenden Europäischen
Rat – im Wesentlichen über ein Thema, nämlich die
Krise in der Ukraine.
Die Ereignisse dort vollziehen sich mit einer enormen
Geschwindigkeit. Mir fällt dazu nur ein Begriff aus dem
Kalten Krieg ein: Hinsichtlich der „Eskalationsdominanz“ hat Putin eindeutig die Nase vorn. Russland bestimmt die Agenda und setzt die Fakten, und der Westen
ist scheinbar schwach und läuft den Ereignissen lediglich hinterher. Die diplomatischen Kanäle zwischen der
EU und Russland waren selten so schlecht und so dünn (C)
wie heute.
Für die Analyse der jetzigen Situation sind mir zwei
Punkte besonders wichtig:
Erstens. Ich fange bei uns selber an; denn wenn man
sich nicht mit den eigenen Fehlern beschäftigt, dann
lernt man nichts. – Bei einer solchen diplomatischen Katastrophe wie der jetzigen zwischen der Europäischen
Union, der Ukraine und Russland sind nie nur auf der einen Seite Fehler gemacht worden, nein, dann sind immer
– das ist auch hier der Fall – auf beiden Seiten, also auch
auf unserer Seite, der Seite des Westens, Fehler gemacht
worden.
Meine Einschätzung ist, dass die Europäische Union
mit ihrer Politik zur Ukraine und den Assoziierungsverhandlungen nicht das notwendige Augenmaß gewahrt
hat. Die Europäische Union hat die geopolitische
Sprengkraft der Ukraine-Frage gerade für Russland und
auch die fundamentalen innenpolitischen Konflikte in
der Ukraine evident unterschätzt. Dies kann man nicht
einfach mit einem Assoziierungsvertrag, in Vilnius unterschrieben, übertünchen; denn darunter bleiben die
Konflikte bestehen.
Zweitens. Auf der anderen Seite ist auch klar: Der
scheinbare Vorteil, den Russland jetzt hat, steht auch nur
auf tönernen Füßen. Natürlich unterstützt im Moment
eine demokratische Mehrheit auf der Krim und auch in
Russland die Politik Putins – auch gegenüber der Krim –
jubelnd und euphorisch. Euphorie hat aber eine Eigenart:
Sie ist niemals und nirgends nachhaltig.
(D)
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das müssen Sie sich merken!)
Die Menschen auf der Krim und in Russland werden
sehr bald wieder auf den Boden der Tatsachen zurückfallen, und dieser Boden ist sowohl auf der Krim als auch
in Russland hart und unkomfortabel.
Russland hat – und das seit Jahren wachsend –
enorme wirtschaftliche und soziale Probleme, die auch
jederzeit Sprengkraft in diesem Land erzeugen können.
Eines ist eindeutig: Russland braucht in der Wirtschaftsund Finanzpolitik den Westen. Das weiß Putin im Übrigen genauso, wie es eine Tatsache ist.
Weil ich aus Zeitgründen nicht intensiv darauf eingehen kann, möchte ich nur kurz sagen, dass ich die jetzige
Krisenreaktion bei aller Kritik – auch an der EU-Diplomatie in den letzten Jahren – grundsätzlich für richtig
halte. Sie wird von mir unterstützt.
Es ist wichtig, dass wir der Ukraine kurzfristig helfen,
um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden, und es
ist richtig, dass wir die Assoziierung vorantreiben – auch
mit dem Signal der Unterschrift morgen. Es ist aber auch
richtig, obwohl das auch in der EU kritisiert wird, dass
die Bundesregierung sich hinsichtlich der Sanktionen
zwar klar bekennt, aber auch zurückhaltend agiert.
Ich bin der festen Überzeugung – es ist für mich besonders wichtig, das zu sagen –, dass der Schlüssel für
gegenwärtiges Handeln und für die Möglichkeit, einen