Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1771
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
(A) glaube ich, sehr dankbar sein – hat Russland isoliert. Bei
der Abstimmung über die Anerkennung des Referendums haben 13 der 15 Staaten mit Nein gestimmt; China
hat sich enthalten, und nur Russland hat isoliert und einsam dagegen gestimmt. Das war eine gute und richtige
Antwort. Das zeigt, dass Russland allein dasteht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck
[Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich glaube, dass der Dreistufenplan eine richtige Antwort ist, insbesondere weil er auf jeder Stufe die Möglichkeit zum Dialog lässt. Kollege Oppermann hat es
richtig gesagt: Es muss eine Spirale der Sanktionen vermieden werden. – Ich glaube, das wird durch diesen
Dreistufenplan erreicht. Das ist wichtig.
Den Putin-Freunden, insbesondere unserem Altkanzler Gerhard Schröder, sei gesagt: Gerhard Schröders
Argumentation, Putin habe Einkreisungsängste, ist geradezu grotesk. Putin hat überhaupt keine Ängste, sondern
Putin versucht kaltblütig, seine machtpolitischen Spielräume auszunutzen. Es liegt an uns, diese Spielräume
entsprechend einzuengen. Es ist geradezu grotesk, zu behaupten, Europa habe Putin zu dem, was er jetzt macht,
provoziert.
Die Bundeskanzlerin war es, die an diesem Pult mehrfach gesagt hat: Wir wollen nicht, dass sich die Staaten
der Östlichen Partnerschaft in einem Entweder-oder für
Russland oder die Europäische Union entscheiden müssen. – Nein, wir wollen, dass die Staaten der Östlichen
(B) Partnerschaft eine Brücke zwischen der EU und Russland darstellen; das ist das Entscheidende. Ich sage allen
Russenverstehern in diesem Land
(Lachen bei der LINKEN)
– die in Wahrheit ja nur geschäftliche Interessen im
Blick haben –: Wenn wir zulassen, dass Putin das Völkerrecht und Abkommen bricht, dann werden wir auch
nicht verhindern, dass er eines Tages, wenn es ihm passt,
die westlichen Investoren enteignet; das muss jeder wissen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Wenn wir das Recht jetzt nicht durchsetzen, wird es auch
in der Zukunft nicht gelten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg.
Christine Lambrecht [SPD] – Heike Hänsel
[DIE LINKE]: Hätten Sie einmal eine so große
Lippe bei den USA riskiert, bei der NSA! Dort
sind Sie als Bettvorleger gelandet!)
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die
Antwort muss viel langfristiger und viel grundsätzlicher
sein. Es ist an der Zeit, dass wir unser weltpolitisches
Koordinatensystem in Deutschland und in Europa wieder zurechtrücken. Seit 20 Jahren glauben wir, dass wir
permanent, alljährlich die Friedensdividende kassieren
können. Die Wahrheit aber ist eine andere. Wer es riskiert, sich von Staaten, die unsere Werte von Freiheit
und Demokratie nicht teilen, abhängig zu machen, gefährdet sein eigenes Wertefundament und wird erpress-
bar. Deswegen danke ich unserer Bundeskanzlerin ganz (C)
herzlich, dass sie im Hinblick auf die Ukraine-Krise den
Schulterschluss mit Präsident Obama gefunden hat.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Mit SaudiArabien!)
Ich danke Ihnen, Herr Außenminister, sehr verehrter
Herr Steinmeier, dass Sie in Washington deutlich gemacht haben, wie eng das Band der Freundschaft zwischen Europa
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und der NSA!)
und den Vereinigten Staaten von Amerika ist. Dafür
herzlichen Dank. Ich glaube, das ist der richtige Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]:
Bravo, Herr Friedrich!)
Es wird höchste Zeit, dass wir bei allen politischen
Weichenstellungen – in der Sicherheitspolitik, in der Außenpolitik wie in der Wirtschaftspolitik – Abhängigkeiten von Staaten vermeiden, die nicht unseren Vorstellungen von Freiheit und Demokratie entsprechen und die
nichts damit zu tun haben. Andernfalls werden wir erpressbar, andernfalls gefährden wir unsere außenpolitische Handlungsfähigkeit, andernfalls gefährden wir unser eigenes Wertesystem.
Bei diesem europäischen Gipfel stehen zwei wichtige
Punkte auf der Tagesordnung, nämlich die industrielle
Wettbewerbsfähigkeit und die Energiepolitik. Diese
zwei Punkte hängen unmittelbar zusammen. Die EU
wird nicht dadurch wettbewerbsfähig, dass sich irgend- (D)
welche schlauen Kommissare, Räte oder Bürokraten
schlaue Programme ausdenken, sondern sie wird dadurch wettbewerbsfähig, dass wir Unternehmern und Investoren, Menschen, die etwas tun wollen, Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, die sie nicht zu
Verlierern auf den internationalen Märkten machen.
Deswegen ist es wichtig, dass wir auch in der Energiepolitik die Weichen richtig stellen. Energie ist der Lebenssaft der deutschen und der europäischen Wirtschaft,
überhaupt jeder Volkswirtschaft. Die Kommission muss
wissen: Wenn sie die energieintensive Industrie in
Deutschland plattmacht, schädigt sie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft insgesamt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die EU braucht Gestaltungswettbewerb und keine
zentralistischen Fünfjahrespläne von Räten, Etatisten
und Bürokraten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich wünsche mir, dass der Geist von Ludwig Erhard
über ganz Europa weht. Das ist mein Wunsch für die
nächsten Jahre. Dann wird Europa auch erfolgreich sein.
Seit Jahren reden wir in der Energiepolitik zu Recht
über Klimaschutzziele und technologische Machbarkeit.
Aber es wird Zeit, dass wir auch darüber reden, wie wir
in der Energiepolitik unabhängig von nichtdemokratischen Staaten werden können. Wer das in den letzten