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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Marieluise Beck (Bremen)

(A) land wollen. Wir haben von der Modernisierungspartnerschaft gesprochen, die wir mit Russland eingehen
wollten.
Ich weiß, dass dieser Außenminister in dieser Legislaturperiode wirklich etwas anderes vorhatte als das, was
er jetzt gestalten muss; er wollte die Beziehungen zu
Russland vertiefen. Wir müssen uns fragen: Stimmt die
Prämisse, mit der wir in den vergangenen Jahren Politik
gemacht haben, noch? Sind Putin und der Kreml wirklich noch an einer engen Zusammenarbeit mit dem Westen interessiert? Wollen Putin und der Kreml gemeinsam
nach Möglichkeiten suchen, russische Interessen mit unseren Interessen zu verknüpfen? Oder ist Putin nicht inzwischen in einer anderen Welt, in der geostrategisch gedacht wird, in der Öl und Gas als Machtinstrumente
betrachtet werden,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Im Gegensatz
zur NATO!)
in der es auf unsere Ansprache gar keine Antwort gibt,
weil die Gedankenwelt eine vollkommen andere ist?
Das beunruhigt nicht nur uns hier im Westen, sondern
das beunruhigt auch solche Länder wie Belarus und Kasachstan. Kasachstan hat eine große russische Minderheit im Norden seines Landes. Der Satz, dass dort, wo
russische Bürger sind, auch russische Interessen sind,
verunsichert ein Land wie Kasachstan, das zukünftig
Mitglied der Eurasischen Union sein soll, zutiefst.

(B)

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE
LINKE])
Dieser Vertrauensbruch geht unendlich tief, und er wird
auf lange Sicht Russland schaden. Dabei blutet mir das
Herz für die russischen Bürgerinnen und Bürger,
(Zurufe von der LINKEN: Oh!)
die unsere Freunde sind; denn wir wollen mit ihnen
gemeinsam das europäische Haus gestalten, wie
Gorbatschow es einst gesagt hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Zur Ukraine: Ich hoffe, dass Putin als Nächstes nicht
einen Schritt in Richtung Ostukraine unternimmt. Was
wir jetzt tun müssen, ist Festigkeit zu zeigen, dass wir
das nicht akzeptieren werden, und wir müssen die
Ukraine mit allem, was uns zur Verfügung steht, stabilisieren. Die Ukraine muss faktisch einen neuen Staat aufbauen. Sie braucht rechtsstaatliche Institutionen und eine
effektive Verwaltung. Sie muss ein Staat werden, der mit
der Krake der Korruption fertig wird. Janukowitsch hat
faktisch ein insolventes Land hinterlassen. Wir brauchen
jetzt eine entschiedene Politik. Wir müssen diejenigen
stabilisieren, die die schwierige Aufgabe übernommen
haben, dieses Land aus der Krise herauszuführen. Das ist
unsere wichtigste Aufgabe, und wir werden sie in Europa gemeinsam schultern.
Schönen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)

(C)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Hans-Peter Friedrich
für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Dieser Gipfel wird beherrscht von der Krise in
der Ukraine. Volker Kauder hat es richtig gesagt: Diese
Frage berührt im Grunde den Kern des europäischen Gedankens. Kern des europäischen Gedankens war es von
Anfang an – das galt schon in den 50er-, 60er- und 70erJahren –, in und für Europa eine dauerhafte Friedensordnung zu schaffen. Alle Konstruktionen, auch die ökonomischer Art, von der Montanunion bis zum heutigen
Binnenmarkt, dienten nur einem Ziel, nämlich der Absicherung dieses Kerngedankens.
Im Laufe der Jahre ist das Ziel der Friedenssicherung
in Europa als Kerngedanke der Europäischen Union verloren gegangen, weil viele geglaubt haben, dieses Ziel
sei selbstverständlich, sei bereits erreicht. Wir stellen
nun fest, dass das ein großer Irrtum ist. Eine stabile Friedensordnung in Europa ist und bleibt eine Daueraufgabe.
Sie muss immer wieder gefestigt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Europa
bzw. die EU steht heute genauso auf dem Prüfstand wie (D)
in der Schulden- und Finanzkrise 2008/2009, und zwar
hinsichtlich ihrer Handlungsfähigkeit und hinsichtlich
ihrer Glaubwürdigkeit. Ich glaube, dass bei diesem Gipfel und in den nächsten Wochen das wichtigste Ziel
überhaupt ist, Europa geschlossen zu halten. Das ist eine
schwierige Aufgabe, die auf die Führer Europas und der
EU zukommt, insbesondere auf unsere Bundeskanzlerin.
Denn in den 28 Mitgliedstaaten der EU ist nicht nur die
geografische und ökonomische Situation sehr unterschiedlich, sondern auch die historische Situation. Außerdem haben sie sehr unterschiedliche Befindlichkeiten, insbesondere was den Umgang mit Russland angeht.
In diesen Wochen entscheidet sich, ob die Europäische
Union für unsere Partner, für unsere Gegner, aber auch
für unsere Bürger eine außenpolitische Größe oder nur
ein aufgeblasener Bürokratenhaufen ist. Das ist die zentrale Frage, die in den nächsten Wochen beantwortet
werden wird.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Der russische Präsident Putin hat Völkerrecht gebrochen, er hat Verträge und Abkommen über den Haufen
geworfen, und er hat den Geist des sowjetischen Imperialismus des letzten Jahrhunderts wiederbelebt.
(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: So ist es!)
Die Weltgemeinschaft, die Wertegemeinschaft und die
Europäische Union können nicht zur Tagesordnung
übergehen. Der Sicherheitsrat – dafür können wir alle,

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