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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Volker Kauder
(A) sche Kommission riskiert nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit von einzelnen Branchen bei uns in Deutschland.
Was viel schlimmer wiegt und den Einsatz der Bundesregierung umso notwendiger macht, ist, dass mit dem
Kurs der Europäischen Kommission der Weg in die erneuerbaren Energien in ganz Europa erschwert wird. Wir
wollen nicht mehr Kernkraft in Frankreich. Aber dann
muss der Weg der Unterstützung der Implementierung
der erneuerbaren Energien in Deutschland auch weiter
beschritten werden. Dazu kann ich die Europäische
Kommission nur auffordern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Länder in Europa, die sich auf den Weg machen, die erneuerbaren Energien stärker auszubauen, von
der Europäischen Kommission den Hinweis bekommen,
dass dies wettbewerbsschädigend sein kann, dann ist
dies verheerend. Deswegen muss dieser Weg gemeinsam
mit der Europäischen Kommission angegangen werden.
Die Kommission trägt Verantwortung für Wachstum und
nicht für Stillstand in Europa.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ein letzter Hinweis. Neben der Situation in der
Ukraine und der Wettbewerbsfähigkeit in Europa ist das
Thema Afrika ein weiterer Schwerpunkt. Die Bundesregierung – das habe ich jetzt gesehen, Herr Bundesaußenminister – trifft sich in diesen Tagen mit den Zuständigen
(B)
(Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister:
Heute Morgen!)
– oder hat sich getroffen –, um ein Afrika-Konzept zu
entwickeln. Wir werden es sicher sehr bald in den Fraktionen vorgelegt bekommen und beraten. Ich halte dies
auch für notwendig. Die Bevölkerung Afrikas wächst
schneller als die Bevölkerung Asiens. Wir haben in
Afrika 1 Milliarde Menschen, und diese Zahl wird sich
sehr rasch weiter vergrößern. Afrika ist wahrscheinlich
der jüngste Kontinent überhaupt, und junge Menschen
verlangen nach einer Perspektive, und dies auch zu
Recht. Wenn wir nicht alle dazu beitragen, dass in Afrika
eine Perspektive für junge Menschen entsteht, dann werden die starken Jungen dorthin gehen, wo sie sich eine
Perspektive versprechen, und die schwächeren zurückbleiben. Dies wird den Kontinent insgesamt nicht stärken.
Insofern haben wir eine Verantwortung, in Afrika für
mehr Wachstum und Zukunftschancen zu sorgen. Das
wird nur gehen, indem wir die Menschen in Afrika ernst
nehmen, indem wir fragen, was sie wollen, und nicht nur
von außen einwirken, indem wir die Kräfte in Afrika
stärken, sowohl die Kräfte in der Wirtschaft als auch die
Kräfte, die für staatliche Ordnung und Sicherheit sorgen.
Deswegen ist der Weg, den die Bundesregierung geht,
genau richtig. Sie sagt: Wir schicken Ausbilder und Berater nach Afrika, die helfen, die dortigen Strukturen zu
stärken. Frau von der Leyen und Herr Bundesaußenminister, genau dies ist der Weg in Afrika: keine Interventionstruppen einzusetzen, sondern Hilfsangebote zu
machen und Unterstützungsmaßnahmen umzusetzen. (C)
Auf diesem Weg wünsche ich uns allen viel Erfolg.
Die Kraft Europas, der Europäischen Union – Friede,
Wirtschaft, Stabilität, Zukunftschancen – brauchen wir
jetzt in der Diskussion über die Ukraine und Russland.
Diese Kraft muss auch wirken, wenn entsprechende
Möglichkeiten in Afrika genutzt werden sollen. Ich
glaube, dass wir eine Menge Aufgaben vor uns haben.
Wenn das ganze Haus – da habe ich bei der einen oder
anderen Frage meine Zweifel – oder der größte Teil dieses Hauses hinter diesem Konzept steht,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die Grünen sind
ja schon eingemeindet!)
dann wird das gut für unser Land und für die Welt sein.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Norbert
Spinrath für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Norbert Spinrath (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung
und der überwiegende Teil dieses Hauses haben klare
Botschaften zur Situation in der Ukraine gesendet: Die
Unabhängigkeitserklärung der Krim in der vergangenen
Woche und das dann folgende Referendum verstoßen (D)
gegen die Verfassung der Ukraine; das Ergebnis und dessen Folgen dürfen von der internationalen Staatengemeinschaft keinesfalls anerkannt werden.
(Beifall bei der SPD)
Die perfide eingeleitete Annexion der Krim durch Russland verstößt gegen das Völkerrecht.
Der russische Staatspräsident Putin hat mit seiner
Rede am vergangenen Dienstag in Moskau Öl ins Feuer
gegossen und stellt den in den letzten 25 Jahren nach
dem Zerreißen des Eisernen Vorhangs gewachsenen Zusammenhalt Europas auf eine Art und Weise infrage, die
wir längst überwunden zu haben glaubten. Ja, er löst damit Verunsicherung, gar Angst in vielen Staaten Osteuropas aus, in denen viele russischstämmige Bürger leben.
Die Europäische Union hat in Reaktion darauf Sanktionen beschlossen, die Russland dazu bringen sollen, an
den Verhandlungstisch zurückzukehren. Zur Notwendigkeit von Sanktionen hat mein Fraktionsvorsitzender,
Thomas Oppermann, alles gesagt; ich unterstütze das
nachdrücklich. Beim heutigen EU-Gipfel gilt es auch,
den politischen Teil des Assoziierungsabkommens mit
der Ukraine zu unterschreiben und ein Hilfspaket der
Europäischen Union und des IWF für die Ukraine auf
den Weg zu bringen. Dies darf aber keinesfalls, liebe
Kolleginnen und Kollegen, zu einer Entweder-oder-Entscheidung führen. Vielmehr muss der Ukraine die Option eines Sowohl-als-auch erhalten bleiben, also die