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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Thomas Oppermann
(A) eine OSZE-Beobachtermission prüfen soll, ob es Aktivitäten im Süden und Osten der Ukraine gibt, die zu einer
Destabilisierung führen können. Eine solche Mission
könnte einen Wiedereinstieg in einen politischen Prozess
ermöglichen. Ich hoffe sehr, dass das gelingt.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben aber auch klare Forderungen an die ukrainische Regierung, auch wenn sie es im Augenblick sehr
schwer hat. Sie muss die Rechte aller nationalen Minderheiten achten und aktiv schützen. Niemand darf sich in
der Ukraine als Bürger zweiter Klasse fühlen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie
bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Anton Hofreiter ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Ich bin deshalb froh, dass das geplante Sprachengesetz
gestoppt wurde. Es hat unnötig Ängste geschürt und die
Spannungen verschärft.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU)
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine mutige Bürgerbewegung hat in der Ukraine eine Regierung gestürzt,
die für Korruption und Unfreiheit stand. Ein Teil der
Menschen, die das gemacht haben, hat dafür einen extrem hohen Preis bezahlt, den höchsten Preis, den man
sich vorstellen kann; denn diese Menschen haben mit ihrem Leben dafür bezahlt. Das verdient unsere Solidarität
und unsere Unterstützung.
Rechtsextremes und nationalistisches Denken wollen
wir nicht in Europa, nicht in Deutschland und auch nicht
in der Ukraine.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Weiterhin muss die Regierung die militanten Gruppen
entwaffnen und das staatliche Gewaltmonopol durchsetzen. Antisemitismus und Rechtsextremismus dürfen in
der neuen Ordnung der Ukraine keinen Platz haben.
(B)
einzugehen. Jetzt geht es darum, den politischen Dialog (C)
wieder in Gang zu bringen. Ich wünsche der Bundeskanzlerin und dem Außenminister auf dem jetzt anstehenden Gipfel eine glückliche Hand für die ganz sicher
nicht einfachen Verhandlungen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Schließlich muss die ukrainische Regierung die Arbeit an einer neuen Verfassung, wie das in der Verständigung vom Februar vorgesehen war, vorantreiben, und sie
muss die Verbrechen auf dem Maidan lückenlos aufklären.
Ich will zum Schluss noch etwas zu den angekündigten Hilfen der EU und des IWF sagen. Ich begrüße sehr,
dass diese Hilfen jetzt auf den Weg gebracht werden.
Aber die Programme haben eine ganz entscheidende Voraussetzung: Das Geld muss für den Aufbau des Landes
und für öffentliche Aufgaben eingesetzt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es darf nicht in den privaten Taschen korrupter Machteliten verschwinden. Die Menschen in der Ukraine wollen, dass die Korruption endlich aufhört in diesem Land.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN)
Wenn die Ukraine am Freitag den politischen Teil des
EU-Assoziierungsabkommens unterschreibt, dann verpflichtet sie sich zur Einhaltung von mehr Rechtsstaatlichkeit. Das ist richtig; denn nur eine rechtsstaatliche
und demokratische Ukraine wird stark genug sein, die
Herausforderungen der nächsten Tage, Wochen und Monate zu bewältigen.
Die Vorschläge zur Regelung des Konflikts liegen auf
dem Tisch. Jetzt ist es an Russland, auf diese Vorschläge
Die Menschen in der Ukraine haben es verdient, dass (D)
alle anderen Länder um sie herum ihre demokratischen
Entscheidungen achten, dass alle anderen Länder um sie
herum darauf achten, in welche Richtung sich die
Ukraine entwickeln will, und dass sie darauf achten, dass
die Ukraine kein geostrategisches Spielfeld ist, das man
in die eine oder andere Richtung zerren kann. Das ist
von großer Bedeutung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die russische Regierung tritt mit der Annexion der
Krim das Völkerrecht mit Füßen. Hier herrscht nicht das
Recht, sondern das Unrecht des Stärkeren. Für jeden,
dem an friedlichen Konfliktlösungen gelegen ist, dem an
Abrüstung gelegen ist, der dafür kämpft, dass es in der
Welt weniger Atomwaffen gibt, ist diese Entwicklung
ganz besonders bitter. Denn die Ukraine war eines der
ersten Länder, die freiwillig auf Atomwaffen verzichtet
haben. Dafür gab es eine Reihe von Garantiestaaten. Einer dieser Garantiestaaten war Russland.
(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: So ist es!)
Insofern geht es hier nicht nur um das Völkerrecht als
solches; vielmehr hat Russland explizit die Unabhängigkeit, die Freiheit und die territoriale Integrität der
Ukraine garantiert. Bei allem Streit, ob das russische
Vorgehen völkerrechtswidrig war, ist das ein ganz klarer
Bruch dieses Vertrages. Das muss jeden ganz besonders
hart treffen, der wirklich für friedliche Lösungen eintritt.
Es muss besonders scharf verurteilt werden, was Russland da gemacht hat.