Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1761
Dr. Gregor Gysi
(A)
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Von
2004! Das war vor zehn Jahren!)
Er hat gesagt:
Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und andere
Unarten.
Dann haben Sie, Frau Göring-Eckardt, erklärt, das Zitat
sei von 2004. Was wollten Sie denn damit sagen? Meinten Sie, es sei verjährt? Oder wollten Sie damit sagen,
dass er jetzt anders denkt? Entweder haben Sie nicht die
Wahrheit gesagt oder sich zumindest geirrt; denn das Zitat stammt vom Oktober 2012. Lesen Sie das im sozialdemokratischen Vorwärts nach.
Ich würde mit dem Mann kein Wort wechseln, ihm
schon gar nicht einen einzigen Euro übergeben und mit
ihm auch keinen Vertrag schließen.
(Beifall bei der LINKEN)
Gestern haben Swoboda-Leute den Programmdirektor
des Fernsehens in Kiew zusammengeschlagen und zum
Rücktritt gezwungen, weil er die Rede von Putin dokumentiert hat. Der Hauptschläger ist im Parlament Mitglied des Ausschusses für Pressefreiheit.
Am 9. Februar 1990 hat US-Außenminister Baker zu
Gorbatschow gesagt, die NATO werde sich keinen Inch
nach Osten ausdehnen. Frau Merkel, Sie und ich säßen
heute vielleicht nicht hier im Bundestag, Herr Gauck
wäre vielleicht nicht Bundespräsident, wenn die NATO
diese Zusicherung nicht gegeben hätte. Der Preis von
(B)
Gorbatschow für die deutsche Einheit und die Zugehörigkeit ganz Deutschlands zur NATO war der Verzicht
auf die Ostausdehnung der NATO; auch Genscher hatte
das zugesichert. Diese Vereinbarung haben Sie verletzt.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Im Übrigen hat Gorbatschow vielleicht etwas mehr für
die deutsche Einheit getan als die britische Regierung,
wenn ich daran einmal erinnern darf.
Aus der NATO wurde ein Interventionsbündnis, und
zwölf Staaten des ehemaligen Ostblocks wurden aufgenommen: Tschechien, Polen, Ungarn, Estland, Lettland,
Litauen, Slowakei, Slowenien, Bulgarien, Rumänien,
Albanien und Kroatien.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollten die nicht?)
– Ich habe nicht bestritten, dass sie beitreten wollten; das
weiß ich. Aber die NATO wollte das auch, sonst wäre
dieser Beitritt nicht zustande gekommen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Entstehen eines mächtigen Militärblocks an (C)
unseren Grenzen würde in Russland als direkte Bedrohung der Sicherheit unseres Landes betrachtet
werden.
Warum wurde daran nicht gedacht, warum von vornherein das Gezerre um die Ukraine, entweder zur EU
oder zu Russland? Nie wurde begriffen, dass die Ukraine
eine Brücke zwischen der EU und Russland sein muss.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt sage ich Ihnen ganz schnell die Lösungen.
Erstens. Lassen Sie den Unsinn mit den Sanktionen.
Eine neue Spirale und weitere Zuspitzungen bringen
nichts. China macht da nicht mit; das ist für Russland
viel wichtiger. Sie müssen diese Sanktionen eines Tages
sowieso wieder zurücknehmen. Das wird eher peinlich.
Zweitens. Keine Abkommen und Verträge mit dieser
Übergangsregierung, sondern Unterstützung bei der Vorbereitung und Beobachtung demokratischer Wahlen in
der Ukraine. Erst dann, mit legitimer Regierung und
ohne Faschisten, können Verhandlungen geführt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine muss
ausgeschlossen werden.
Viertens. Der Status der Ukraine als Brücke zwischen
EU und Russland ginge auch mit einer Perspektive der
Mitgliedschaft der Ukraine in der EU, wenn sie auch mit
Russland ausgehandelt ist und wir insgesamt eine Zu- (D)
sammenarbeit vereinbaren können.
Fünftens. Russland bleibt aufgefordert, auf weitere
militärische Drohungen und Androhungen, erst recht auf
die Anwendung von Gewalt, in der Ukraine und anderswo zu verzichten und die Ukraine als souveränen
Staat anzuerkennen. Das muss mit einer klaren, positiven Perspektive der Beziehungen zu Russland seitens
der EU und seitens Deutschlands verbunden sein,
(Beifall bei der LINKEN)
und zwar mit Russland als Bestandteil Europas und nicht
außen vor.
Sechstens. Faschistische Organisationen und Parteien
sowie paramilitärische Einheiten und andere illegale bewaffnete Formationen in der Ukraine sind aufzulösen.
Das staatliche Gewaltmonopol muss durchgesetzt werden. Darauf müssen Sie bestehen, bevor Sie ihnen einen
einzigen Euro überweisen oder Verträge mit ihnen abschließen.
(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)
Auf dem NATO-Gipfel in Bukarest 2008 wollten die
USA das NATO-Gebiet auch auf Georgien und die
Ukraine ausdehnen – die wollten das vielleicht auch –,
aber da hat die Bundesregierung Nein gesagt, in den anderen Fällen nicht. Immerhin das haben Sie verhindert.
Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Thomas
Oppermann das Wort.
Putin sagte auf dem Gipfel in Bukarest wörtlich Folgendes – ich zitiere –:
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert: