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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Dr. Gregor Gysi

(A)

Ich sage auch: Sanktionen sind keine Politik, sondern
ein Ersatz dafür. Die USA drängen aber auf Sanktionen,
weil die Antwort Russlands, die darauf erfolgen kann,
nicht die USA, sondern die Europäerinnen und Europäer
und insbesondere die Deutschen treffen würde. Frau
Merkel, Sie sind hier wieder das, was Sie bei der US-Regierung immer sind: Sie sind hörig gegenüber der USRegierung.
Präsident Dr. Norbert Lammert:

Einen kleinen Augenblick, bitte, Herr Gysi. – Ich darf
darum bitten, dass offenkundig etwas länger dauernde
bilaterale Gespräche nicht unmittelbar in der Nähe des
Rednerpultes geführt werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):

Das sind dieselbe Hörigkeit und dasselbe Duckmäusertum wie bei den millionenfachen Abhöraktionen der
NSA in Deutschland. Sie tun nichts dagegen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Glauben Sie,
dass Ihre Freunde aus Russland nicht abhören?)
Es kommt noch etwas hinzu: Die USA planen jetzt
neue Atomwaffen in Deutschland, Herr Kauder. Wir
brauchen aber weder die alten noch neue Atomwaffen.
(B)

(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen eines: Wenn je von Deutschland aus eine
Atomwaffe von den USA gestartet wird, dann trifft die
Antwort uns und nicht die USA. Der Höhepunkt dabei
ist: Wir sollen uns auch noch mit 20 Prozent an den Kosten beteiligen. Das sind 30 Millionen Euro. Ich frage Sie
wirklich, Frau Bundeskanzlerin, Herr Steinmeier und
Herr Schäuble: Wollen Sie ernsthaft für neue Atombomben der USA in Deutschland auch noch 30 Millionen
Euro bezahlen? Die brauchen wir wirklich dringender
für ganz andere Zwecke.
(Beifall bei der LINKEN)
Als Sanktionen wurden Kontensperrungen, Einreiseverbote und das Aussetzen der Verhandlungen über Visaerleichterungen und über wirtschaftliche Zusammenarbeit angesprochen. Außerdem soll Russland vom
kommenden G-8-Gipfel ausgeladen werden; das wird
also ein G-7-Gipfel. Daneben wurden weitere politische
Maßnahmen und Wirtschaftssanktionen diskutiert.
Der Bundeswirtschaftsminister hat nun den Export
von Rüstungsgütern nach Russland verboten. Dazu – das
ist die Ausnahme – sagen wir: Das ist richtig. Das hat aber
nichts mit den Sanktionen zu tun, sondern damit, dass Rüstungsexporte unserer Meinung nach generell eingestellt und
verboten werden müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieses Verbot wird die russische Armee allerdings
nicht sehr beeindrucken.

Ich frage Sie schon jetzt: Wie wollen Sie wieder raus (C)
aus den Sanktionen? Wollen Sie sagen, das geschieht,
wenn die Krim wieder bei der Ukraine ist? Wenn das
nicht geschieht: Wollen Sie sie ewig aufrechterhalten?
Ich sehe schon, wie sich das nach einem oder zwei Jahren schleichend wieder auflösen wird.
Ich frage Sie: Gibt es keine andere Chance – auch dafür, auf die Völkerrechtswidrigkeit hinzuweisen? Doch,
die gibt es! Wir müssten umgekehrt herangehen und einmal nicht negativ und nicht in Form von Sanktionen
denken. Wir könnten jetzt doch Verhandlungen mit der
russischen Regierung aufnehmen und sagen: Okay, die
EU und die NATO haben auch Fehler begangen; das
stimmt. – Das kann man doch einräumen; das kostet
doch nichts und wäre eine Selbstverständlichkeit. Weiterhin könnte man den Russen sagen: Sie haben auch
Fehler begangen, und jetzt zeigen wir Ihnen einmal, wie
eine Perspektive für gute Beziehungen mit der EU und
der NATO aussehen könnte und wie wir auch Ihre Sicherheitsinteressen berücksichtigen könnten.
Ich nenne einmal ein Beispiel, nämlich die Raketen in
Polen und Tschechien. Die Russen haben gesagt, das beeinträchtige ihre Sicherheit. Der US-Außenminister hat
daraufhin zum russischen Außenminister gesagt: Wieso
das? Das hat doch gar nichts mit Russland zu tun. – Dieser hat geantwortet: Würden Sie es akzeptieren, wenn
wir Raketen in Mexiko aufstellten und sagten, das habe
nichts mit den USA zu tun? – Natürlich nicht!
Ich sage: Wir müssen anders herangehen, nämlich
eine Perspektive aufzeigen und dann sagen: Das knüpfen
wir aber an die Bedingung, dass diese Art von Politik (D)
aufhört. Sie dürfen jetzt nicht lauter russische Inseln suchen und meinen, sie Russland wieder einverleiben zu
können. – Das wäre doch eine Perspektive. Gehen Sie
doch einmal positiv und nicht nur negativ an die Sache
heran, damit wir endlich ein Europa nicht gegen und
ohne Russland, sondern mit Russland bekommen; denn
sonst wird es auch mit unserer Sicherheit nichts.
(Beifall bei der LINKEN)
Nun wollen Sie mit der Übergangsregierung der
Ukraine den politischen Teil des Assoziierungsabkommens unterschreiben, mit einer Regierung, die nicht aus
demokratischen Wahlen hervorgegangen ist und der Faschisten angehören. Wenn Sie uns schon angreifen
– Sigmar Gabriel tut das ja auch; das, was ich hier sage,
können Sie ihm einmal bestellen – und uns in die Ecke
der kalten Krieger stellen, was Blödsinn ist – das muss
ich Ihnen einmal ganz klar sagen –, dann hören Sie doch
wenigstens auf den ehemaligen EU-Kommissar und Sozialdemokraten Günter Verheugen. Er sagt, dass es richtige Faschisten und nicht nur irgendwelche Nationalisten
sind. – Das ist ein fataler Tabubruch, und denen wollen
Sie auch noch Geld geben. Ich bitte Sie! Ich finde, eine
deutsche Bundesregierung muss hier ganz andere Maßstäbe setzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich meine das auch so. Am 13. März dieses Jahres
habe ich ein Zitat von dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Swoboda Tjagnibok gebracht.

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