Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
(A) schrieben wird, dass zum Beispiel Grablichtbecher keine
Verpackungen sind, Streichholzschachteln aber schon.
Oder: Kleiderbügel, die mit einem Kleidungsstück verkauft werden, sind Verpackungen, die gleichen Kleiderbügel, die getrennt verkauft werden, jedoch nicht.
Das klingt in der Tat überzogen. Aber es weist uns auf
einen wichtigen Punkt hin: Wir müssen das Kreislaufwirtschaftssystem weiterentwickeln. Künftig sollten
Verpackungen und sonstige Abfälle aus den gleichen
Materialien in einer einheitlichen Wertstofftonne entsorgt werden. Wir sollten das angehen.
Und dabei wird es dann auch um folgende Punkte gehen – ich nenne hier nur drei –:
Erstens. Die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen muss erhöht werden. Technisch ist dies machbar.
Zweitens. Im Zuge des Wertstoffgesetzes braucht es
eine umfassende Neuregelung und eine bessere Organisation, zum Beispiel mit einer zentralen Stelle.
Drittens. Die bestehende Trittbrettfahrerproblematik
muss in diesem Zusammenhang gelöst werden.
Wir haben viel vor uns: Es ist aber auch eine gewaltige Chance. Wir können unser Land in einem wichtigen
Feld weiter fit machen für die Zukunft. Diese Chance
sollten wir nutzen. Gehen wir es an.
Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Abfall oder Müll
verbinden wir im allgemeinen Sprachgebrauch mit etwas
(B) Wertlosem. Dass dies ganz und gar nicht der Fall ist,
zeigt die heutige Debatte. Verpackungsabfälle sind Wertstoffe.
Um diese Wertstoffe in den Kreislauf wieder zurückzuführen, haben wir in Deutschland vor fast einem Vierteljahrhundert das Duale System eingeführt. Dass in
Deutschland die Verwertungsquoten von Verpackungen
allgemein im europäischen Vergleich so gut sind, haben
wir auch dem Dualen System zu verdanken. Nach einer
Auswertung von Eurostat liegen wir mit knapp 72 Prozent Verwertungsquote von Verpackungsabfällen in
Deutschland auch klar über dem europäischen Durchschnitt von rund 64 Prozent.
Die deutsche Verpackungsverordnung von 1991 war
sogar Beispiel für die europäische Verpackungsrichtlinie, die drei Jahre später kam. Damit nehmen wir mit
unserem Modell der Abfall- und Verwertungspolitik
– wie bei so vielen anderen Umweltthemen auch – in
Europa eine Vorreiterrolle ein. Und das ist gut so.
Die sechste Novelle, die wir heute diskutieren, ist
eine 1:1-Umsetzung der europäischen Richtlinie. Natürlich soll Europa nicht jedes Detail regeln. Auch während
meiner Zeit als Europaabgeordnete war immer meine
Devise: Wir brauchen mehr Europa im Großen und weniger im Kleinen. Mehr Leitplanken, aber weniger
Stoppschilder!
Aber zu den großen Fragen, die sich manchmal bis ins
Detail auswirken können, zählen auch grenzüberschreitende Herausforderungen. Umweltschutz sowie Res-
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sourceneffizienz sind solche grenzüberschreitenden He- (C)
rausforderungen, die wir auch auf europäischer Ebene
angehen müssen.
Mein Ziel in der europäischen Umweltpolitik war es
immer, die hohen deutschen Standards und die umweltpolitischen Erfolge, wie zum Beispiel hier bezüglich der
Verwertungsquoten, auf die europäische Ebene zu heben. Diese Harmonisierung durch europäische Umweltgesetze birgt dann die Chance, dass wir für die Bürger
ein einheitlich hohes Umwelt- und Ressourcenschutzniveau in ganz Europa bekommen, und für die Unternehmen und Landwirte verbessern wir die Wettbewerbsbedingungen im Vergleich mit den anderen europäischen
Ländern. Deswegen macht es durchaus Sinn, die Abfallpolitik auf europäischer Ebene zu harmonisieren.
Aber wir müssen nicht nur bei den Verwertungsquoten eine Vorbildfunktion übernehmen, sondern auch bei
der Umsetzung der harmonisierten europäischen Vorgaben. Wenn wir – wie die Grünen das fordern – die
sechste mit der siebten Novelle, die ausführlicher diskutiert werden muss, zusammenfassen, dann kommen wir
sicher noch weiter in Verzug mit der Umsetzung.
Zum Inhalt der sechsten Novelle ist noch Folgendes
zu sagen: Wenn man sich den Text anschaut, der die EURichtlinie 1:1 umsetzt, findet man natürlich schon sehr
detaillierte Beispiele dazu, was Verpackung ist und was
nicht. Aber: Wir schaffen damit auch in allen EU-Mitgliedstaaten klare Kriterien, was Verpackung ist und was
nicht. Das hilft den Behörden in allen EU-Mitgliedstaaten, besser entscheiden zu können, ob bestimmte Verpackungen den Rücknahme- und Verwertungspflichten (D)
unterliegen. Letztendlich entwickeln wir damit die
Kreislaufwirtschaft fort und erreichen, dass mehr Abfälle wiederverwertet werden.
Von der Linksfraktion wird kritisiert, dass die Beispielliste für Verpackungen nicht stimmig sei. Die Linke
befürchtete in der Debatte im Umweltausschuss, dass
Glasflaschen für Injektionslösungen, die noch gefährliche Stoffe oder Medikamente enthalten, in den gelben
Sack gelangen könnten. Man muss sich die Verpackungsverordnung aber mal genau anschauen. Diese Befürchtungen kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt spezielle Regeln für die Entsorgung von toxischen und
infektiösen Abfällen. Und die Verpackungsverordnung
regelt in § 2 ganz klar, dass diese speziellen Rechtsvorschriften von der Verordnung unberührt bleiben und die
speziellen Rechtsvorschriften weiterhin gelten. Der
Grund, weshalb die Linksfraktion im Ausschuss nicht
zugestimmt hat, ist also vorgeschoben und die Sorge
nicht begründet. Das muss man den Abgeordneten der
Linksfraktion so deutlich sagen!
Lassen Sie uns die sechste Novelle, die im Wesentlichen eine 1:1-Umsetzung der Europäischen Richtlinie
von Januar letzten Jahres ist, schnell verabschieden. Hier
müssen wir jetzt alle an einem Strang ziehen.
In einem nächsten Schritt müssen wir uns dann sehr
schnell um die siebte Novelle und die Stärkung des Dualen Systems kümmern. Die Vorbereitungen dazu laufen
bereits. Wir müssen diese Novelle aber gut und gründ-