1888
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
(A) lich beraten. Ich denke, dass wir uns alle einig sind, dass
wir das Duale System mit der flächendeckenden haushaltsnahen Entsorgung mit hohen Verwertungsquoten erhalten wollen. Gut funktionierende Systeme – die in Europa Schule gemacht haben – dürfen nicht ohne Not
kaputtgemacht werden.
Deshalb müssen wir mit der siebten Novelle zur Verpackungsverordnung Lösungen finden, um den Missbrauch der Ausnahmen bei der Lizenzierung von Verpackungsmüll einzudämmen. Dafür werden wir uns hier
alle einsetzen.
Michael Thews (SPD): Diese kleinen Backförmchen, die man kauft, um da drin Schokoladenmuffins für
den Kindergeburtstag zu backen – kennen Sie die? Nein?
Aber vielleicht haben Sie schon einmal einen fertig gebackenen Muffin in einer Bäckerei gekauft, der Ihnen in
einem solchen braunen oder bunten Förmchen verkauft
wurde. Zwischen diesen beiden Förmchen gibt es tatsächlich einen Unterschied. Das eine – aus der Bäckerei – gehört in den gelben Sack oder die gelbe Tonne, weil es als
Verpackung verkauft wird, das andere in die graue Restmülltonne, weil es keine Verpackung ist. Das eine Förmchen in der gelben Tonne wird auf Kosten des Herstellers und Vertreibers des Muffins abtransportiert, der
Abtransport des anderen in der grauen Tonne wird durch
die Müllgebühren finanziert. Denn das eine ist Verpackungsmüll, für den die Herstellerverantwortung gilt,
das andere Förmchen nicht.
Die Unterscheidung dieser beiden Fälle – und weiterer –
(B) ist wesentlicher Inhalt dieser sechsten Novelle der Verpackungsverordnung, über die wir heute debattieren. Denn
diese sechste Novelle, die eine europäische Richtlinie
umsetzt, enthält lediglich einige Klarstellungen dazu,
was als Verpackung zu werten ist und was nicht, was in
die gelbe Tonne gehört und was nicht. Sie ändert an keiner Stelle die bestehende Rechtssituation, sondern liefert
nur zusätzliche Beispiele für die Unterscheidung zwischen Verpackungen und Nichtverpackungen. Außerdem enthält sie noch eine von der Kommission angemahnte
Klarstellung
zum
Begriff
der
Transportverpackung, wie Container.
Mein Beispiel mit den Muffinförmchen mag ihnen lächerlich und als Ausdruck der absurden Auswüchse des
deutschen Mülltrennungswesens erscheinen. Und wenn
es nach der SPD geht, und ich glaube das ist ein ganz
wichtiger Aspekt, werden wir auch bald beide Förmchen
in eine Wertstofftonne werfen, so wie es bereits in vielen
Fällen in Deutschland getan wird, wo die Wertstofftonne
jetzt schon angeboten wird.
Zurzeit aber ist dieser Unterschied wesentlich. Denn
seit Einführung der Verpackungsverordnung im Jahre
1991 wird Verpackungsmüll anders behandelt.
Aber zunächst zurück zu dieser sechsten Novelle:
Das Land Nordrhein-Westfalen wollte ursprünglich
bereits mit dieser sechsten Novelle weitere Änderungen
der Verpackungsverordnung auf den Weg bringen. Diese
Änderungen richten sich darauf, bestimmte Schlupflöcher im System der Verpackungsverordnung zu stopfen.
Da die Bundesregierung aber mit der Umsetzung der (C)
oben erwähnten EU-Richtlinie im Verzug ist und bereits
ein Vertragsverletzungsverfahren läuft, wollen wir zunächst diese sechste Novelle ohne weiteren Verzug umsetzen – wir halten diesen Weg für den besseren. Die
weiter notwendigen Änderungen wollen wir mit der
siebten Novelle noch vor der Sommerpause anpacken.
Der Entwurf dieser siebten Novelle liegt bereits vor.
Dennoch stellt sich die Frage: Warum so viele Änderungen? Das mag nachdenklich stimmen und lässt die
Frage aufkommen: Wieso muss denn da so oft nachgebessert werden? Sind wir denn mit unserem System der
Verpackungsentsorgung und -verwertung und dem Prinzip der Produktverantwortung auf dem richtigen Weg?
Ich meine die Antwort ist ganz klar: Ja! Die Verpackungsverordnung ist ein klares Erfolgsmodell, was
manchmal vielleicht etwas aus dem Blick gerät.
Die Verpackungsverordnung hat dafür gesorgt, dass
es in Deutschland eine qualitativ hochwertige stoffliche
Verwertung von Verpackungen gibt. Hierbei sind wir europaweit und weltweit an der Spitze.
Die Verpackungsverordnung hat für den Aufbau einer
leistungsstarken Recyclingindustrie und vorbildlichen
Recyclingtechnik in Deutschland gesorgt. Laut Zahlen
aus dem BMUB arbeiten fast 200 000 Beschäftigte in
etwa 3 000 Unternehmen im Bereich der Kreislaufwirtschaft.
Die Verpackungsverordnung hat für einen wichtigen
Paradigmenwechsel gesorgt. Sie hat die Verantwortung
der Hersteller für die Entsorgung und Verwertung ihrer (D)
Verpackungen und der daraus entstehenden Abfälle eingeführt. Diese Produktverantwortung ist für mich der
Schlüssel, um das primäre Ziel der Abfallhierarchie des
Kreislaufwirtschaftsgesetzes – nämlich die Vermeidung
von Abfällen – erreichen zu können.
Natürlich gibt es bei diesem System Verbesserungsmöglichkeiten und auch Verbesserungsnotwendigkeiten. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Udo di Fabio hat es in einem Gutachten zur
Selbstregulierung im Verpackungsbereich so formuliert:
Eine gesetzlich regulierte Kreislaufwirtschaft, die
öffentliche und private Abfallverantwortung zusammenführt, entwickelt sich dynamisch und bedarf immer wieder einer steuernden Nachkorrektur
und einer angemessenen Aufsicht.
Deshalb müssen wir uns zeitnah, sobald wir hier die
sechste Novelle beschlossen haben, an die Beratung der
siebten Novelle machen. Denn wir wollen dieses System
weiter stabilisieren und verbessern, um die Ziele des
Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu verfolgen. Mit der siebten Novelle sollen bestehende Wettbewerbsverzerrungen
beseitigt und Missbrauchsmöglichkeiten eingedämmt
werden. Schon der SPD-Abgeordnete Gerd Bollmann
hat in seiner Rede zur fünften Novelle am 21. Februar
2008 von unseriösen Selbstentsorgern und Trittbrettfahrern gesprochen, denen Einhalt geboten werden muss.
Ähnliches müssen wir leider auch heute feststellen: In
der letzten Zeit wurden offenbar verstärkt Regelungen