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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
(A) ten Arbeitsauftrag wir in den nächsten 24 Stunden haben. Sie sehen, dass es darum geht, einen Gesamtansatz
einer Wirtschafts-, Industrie-, Energie- und Klimapolitik
hinzubekommen, von dem wir der Überzeugung sind,
dass er die Basis für Wohlstand und mehr Beschäftigung
bilden kann. Wir sind uns allerdings bewusst, dass dies
letztlich nur gelingt, wenn wir unseren Blick auch nach
außen richten, weil wir uns immer mit den Besten in der
Welt messen müssen und demzufolge unsere Wachstumschancen definieren müssen.
Das gilt auch mit Blick auf die Vereinigten Staaten
von Amerika; ich habe auf die Energiepreise hingewiesen. Europa und die USA erwirtschaften gemeinsam fast
die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung. Fast ein
Drittel des Welthandels wird über den Atlantik abgewickelt. Wir sind deshalb der tiefen Überzeugung, dass die
Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen
den USA und der EU von den Mitgliedstaaten unterstützt werden müssen und dass wir hier zu einem solchen
Abkommen kommen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, ich kenne all die Vorbehalte. Aber ich glaube, wenn wir nur mit Blick darauf,
was alles schwierig ist, an dieses Thema herangehen,
dann werden wir Folgendes erleben: Die USA werden
mit nahezu allen anderen Regionen dieser Welt Freihandelsabkommen abschließen,
(Zuruf von der LINKEN: Das machen sie ja!)
(B) und auch wir werden mit sehr vielen Regionen dieser
Welt Freihandelsabkommen abschließen. Aber ausgerechnet die beiden führenden Märkte, im Übrigen noch
angesiedelt in erkennbar demokratischen Gesellschaften,
wären nicht in der Lage, miteinander ein Freihandelsabkommen abzuschließen. Wenn das unsere Maßgabe sein
sollte, dann sind wir auf dem Holzweg; das ist meine
tiefe Überzeugung. Das muss zu schaffen sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aber ich sage auch: Es gibt komplizierte Sachverhalte. Ich nenne nur das Thema Datenschutz. Ich könnte
viele andere Dinge nennen. Wir werden alle Bedenken
ernst nehmen. Lassen Sie uns aber an diese Verhandlungen so herangehen, dass es etwas wird, und lassen Sie
uns nicht Gründe finden, damit es nichts wird. Nur ein
offenes und erfolgreiches Europa kann seine Interessen
und Werte überzeugend vertreten und auch seine Partnerschaften leben.
Darum geht es auch, wenn am 2. und 3. April in Brüssel der EU-Afrika-Gipfel stattfindet. Der Europäische
Rat heute und morgen dient auch der Vorbereitung dieses Treffens. An diesem Treffen werden etwa 80 Staatsund Regierungschefs teilnehmen. Wir wollen natürlich,
dass von diesem Gipfel das Signal einer langfristigen,
verlässlichen Zusammenarbeit mit unserem Nachbarkontinent ausgeht. Das Thema des EU-Afrika-Gipfels
lautet „In Menschen, Wohlstand und Frieden investieren“. Dieses Thema verdeutlicht die Bandbreite unserer
EU-Afrika-Beziehungen, ihre Herausforderungen und (C)
Chancen. Es weist auf die besondere Rolle hin, die
Afrika für Europa spielt.
Wir wollen dieser Verantwortung gerecht werden. Ich
erinnere nur daran, dass wir bis zu den aktuellen Diskussionen über die Ukraine sehr intensiv über die Rolle und
die Situation in Afrika gesprochen haben. Das darf jetzt
nicht aus dem Blick geraten. Wir beobachten ein verstärktes Engagement, zum Beispiel von China, Indien,
Brasilien, auch der Türkei, in Afrika. Das Gipfelthema
betont natürlich nicht nur unsere Partnerschaft, sondern
auch die Eigenverantwortung afrikanischer Staaten, die
Verantwortung für ihren eigenen Wohlstand und ihre Sicherheit. Dazu zählen der Schutz der Menschenrechte,
der Kampf gegen Korruption und der Schutz von Minderheiten; was das angeht, mussten wir in diesen Tagen
leidvolle Erfahrungen machen. Dafür werde ich sehr entschieden werben. Gute Regierungsführung und die energische Bekämpfung der Korruption sind nämlich entscheidende Voraussetzungen für eine erfolgreiche
wirtschaftliche Entwicklung. Mit der wachsenden Transparenz, mit dem global verbreiteten Internet werden
auch in Afrika die Menschen, die Bevölkerung, die Bürgerinnen und Bürger der Länder nicht mehr einfach hinnehmen, dass gute Regierungsführung nicht vorhanden
ist, sondern sie werden dagegen aufbegehren. Wir können das gut verstehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der SPD)
Wir wollen diese gute Regierungsführung im Rahmen
unserer Möglichkeiten weiterhin unterstützen. Ich werde (D)
auch für unsere sogenannte Ertüchtigungsinitiative zur
Befähigung geeigneter afrikanischer Partner der Afrikanischen Union und der Regionalorganisationen zur Wahrung von Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen
Kontinent werben. Wir glauben: Wir müssen Hilfe zur
Selbsthilfe leisten, damit die afrikanischen Länder selber
in der Lage sind, für ihre Sicherheit zu sorgen. Unsere
afrikanischen Partner müssen durch Beratung, Ausbildung und auch durch Ausrüstung in die Lage versetzt
werden, selbst für Stabilität und Sicherheit zu sorgen;
denn Stabilität und Sicherheit sind die Grundvoraussetzungen für die weitere Entwicklung in vielen afrikanischen Staaten.
Die Übernahme von Eigenverantwortung in den Regionen und die Stärkung der Regionalorganisationen und
der Afrikanischen Union, das sind die Ziele, mit denen
wir an die Zusammenarbeit herangehen. Die Europäische Union kann hier noch mehr leisten. Wir werden unseren Verpflichtungen gerecht. Die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen kennen Sie: in Mali, am
Horn von Afrika, im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik. Hier zeigt sich die Bedeutung Europas
als Partner Afrikas. Die Europäische Union engagiert
sich in diesen Krisenherden mit ihren Krisenmanagementkapazitäten oder plant aktuelle Einsätze.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung setzt
sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Europäische
Union auch in Zukunft ihr Versprechen von Frieden, von
Freiheit und Wohlstand einhalten kann. Gerade in diesen