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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

(A) nischen Regierung über ein IWF-Programm. Die ersten
Schritte des Hilfsprogramms der EU-Kommission müssen jetzt schnell umgesetzt werden. Wir werden zudem
auf dem heute beginnenden Europäischen Rat den politischen Teil des Assoziationsabkommens mit dem
ukrainischen Ministerpräsidenten unterzeichnen. Dieser politische Teil gibt wichtige Impulse, vor allem für
die Rechtsstaatsentwicklung, und wir geben damit ausdrücklich ein politisches Signal der Solidarität und der
Unterstützung für die Ukraine.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, im Lichte der aktuellen
Ereignisse in der Ukraine wird einmal mehr deutlich,
wie kostbar das Werk der europäischen Einigung ist. Daran konnte und kann auch die europäische Staatsschuldenkrise nichts ändern, so groß die Herausforderung
auch war und im Übrigen immer noch ist. Wenn wir
wollen, dass die Europäische Union auch für kommende
Generationen ihr Versprechen von Frieden, Freiheit und
Wohlstand erfüllen kann, dann müssen wir jetzt die Weichen richtig stellen. Wenn wir wollen, dass unser einzigartiges europäisches Wirtschafts- und Sozialmodell auf
Dauer im globalen Wettbewerb erfolgreich ist, dann dürfen wir jetzt in unseren Anstrengungen nicht nachlassen.
Nur eine wirtschaftlich erfolgreiche, wettbewerbsfähige Europäische Union kann ihre Werte und Interessen
in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts auch nach
außen selbstbewusst vertreten. Wir werden uns deshalb
beim Europäischen Rat heute und morgen weiter damit
(B) beschäftigen, wie wir unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und damit die Grundlagen für Wachstum und vor allen Dingen Beschäftigung – das ist das zentrale Thema,
mit dem wir uns, insbesondere mit Blick auf die jungen
Menschen, in den nächsten Jahren auseinandersetzen
müssen – verbessern können.
Die Europäische Union tut gut daran, gerade in diesen
Zeiten engagiert daran zu arbeiten, stärker aus der
Staatsschuldenkrise herauszukommen, als wir in sie hineingegangen sind. Wir können auch sagen, dass die
Euro-Zone als Ganzes jetzt, im Frühjahr 2014, nach
schweren Jahren zum ersten Mal die Rezession verlassen
hat. Die Kommission rechnet für 2014 mit einem Wachstum von ungefähr 1,2 Prozent. Das ist etwas mehr, als
noch im Herbst erwartet wurde, aber wir wissen auch:
1,2 Prozent können noch gesteigert werden.
Neben Spanien konnte auch Irland im Dezember sein
Programm erfolgreich beenden. Die Leistung der Iren
verdient unseren großen Respekt. Portugal und Spanien
konnten langjährige Leistungsbilanzdefizite im Jahr
2013 in Überschüsse umwandeln und werden diese in
diesem Jahr noch ausbauen. Portugal hat zum Beispiel
wieder ein Wirtschaftswachstum zu verzeichnen. Auch
die Investoren blicken mit mehr Zuversicht auf die EuroZone, als sie das in den vergangenen Jahren getan haben.
Die Renditen für die Staatsanleihen der besonders von
der Krise betroffenen Mitgliedstaaten sind deutlich gesunken. Für italienische, spanische und irische Anleihen
etwa liegen diese im Umfeld der niedrigsten Stände seit
der Einführung des Euro.

Meine Damen und Herren, das sind gute Nachrichten. (C)
Doch so erfreulich die Fortschritte auf dem Weg zu mehr
Stabilität und Wachstum auch sind: Wir müssen uns
trotzdem im Klaren sein, dass der Aufschwung keineswegs schon gesichert ist. Deshalb müssen wir uns natürlich weiter um die Ursachen der Krise kümmern und
Vorsorge für die Zukunft treffen. Wir haben zu diesem
Zweck in den vergangenen Jahren die wirtschafts- und
finanzpolitischen Überwachungsverfahren innerhalb der
Euro-Zone und innerhalb der Europäischen Union immer weiter verbessert. Ich glaube, wenn wir dieses Instrumentarium schon vor der Krise zur Verfügung gehabt
hätten, dann wäre vieles von dem, was wir durchleben
mussten, so nicht passiert. Umso wichtiger ist es, dass
wir die von uns selbst herausgearbeiteten Verfahren jetzt
auch konsequent anwenden.
Da gibt es das Europäische Semester, das sich in den
letzten vier Jahren etabliert hat. Es ist heute weitreichender und konkreter, als es jemals war. Ich begrüße das;
aber ich glaube, wir dürfen dabei nicht stehen bleiben,
sondern müssen uns gerade in der Euro-Zone in den
nächsten Monaten weiter für die wirtschaftspolitische
Koordinierung in den nationalen Politikbereichen einsetzen. Nur so können wir in einer Kombination aus fiskalischer Solidität und wirtschaftspolitischer Koordinierung
die Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion
nachhaltig stärken. Ich habe es in diesem Plenum oft gesagt: Jacques Delors hat schon vor Einführung des Euros
darauf hingewiesen, dass Fiskaldisziplin allein nicht ausreicht, um eine gemeinsame Währung auf Dauer stabil
zu halten.
Wir werden auf diesem Rat eine Bestandsaufnahme
vornehmen und über übergreifende Schwerpunkte des
diesjährigen Europäischen Semesters diskutieren. Es
geht dabei um wachstumsfreundliche Konsolidierung,
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, Steigerung von Beschäftigung, vor allem der Jugendbeschäftigung, sowie
Arbeitsmarktreformen.
Es zeigt sich, dass die Reformen, die in vielen Mitgliedstaaten beschlossen wurden, zu wirken beginnen;
aber dennoch gehört zu der augenblicklichen Lage auch
ein Stück Vertrauensvorschuss. Deshalb werben wir für
einen umfassenden Ansatz – Strukturreformen und mehr
Wettbewerbsfähigkeit – und vor allen Dingen dafür, dass
die EU-Institutionen, insbesondere die Kommission, die
notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen.
Wir sind alle in der Pflicht. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken. Wir glauben, dass die Ergebnisse der Analysen im Rahmen des makroökonomischen
Ungleichgewichteverfahrens, die von vielen Mitgliedstaaten noch umgesetzt werden müssen, wirklich konsequent umzusetzen sind. Wir begrüßen, dass die Kommission, die sich mit den deutschen Ungleichgewichten
befasst hat, nämlich mit den Leistungsbilanzüberschüssen, deutlich gemacht hat, dass sie nicht schädlich für die
Euro-Zone sind. Das entspricht nach meiner festen
Überzeugung den Tatsachen.
Wichtig ist, dass wir sicherstellen, dass Unternehmen
auch weiterhin in Europa produzieren. Hier haben wir
eine Vielzahl von Herausforderungen zu bestehen. Ich

(D)

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