Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. März 2014
1849
Mahmut Özdemir (Duisburg)
(A) – Das kann ich Ihnen an einer anderen Stelle gern noch
einmal erläutern, wenn Sie es möchten.
Diese Vorüberlegungen führen mich zu Beginn meiner Rede direkt zu der Frage, was dieser Antrag eigentlich bezwecken mag. Dieser Antrag enthält keine
haushalterische Würdigung, keinen Vorschlag zur Gegenfinanzierung einer Tarifanpassung, drischt aber munter Phrasen von verteilungsneutralen Spielräumen und
suggeriert, dass der öffentliche Dienst nie gewürdigt
wird. Er enthält im Übrigen ein Zahlenwerk, dessen
Analyse sich nur der Fraktion Die Linke erschließt, mir
aber nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Schauen Sie sich doch einfach eine Übersicht über die
Tarifabschlüsse von 1990 bis heute an. Die Würdigung
des öffentlichen Dienstes basiert durch die Bank auf einer insgesamt ausgewogenen und kompromissfreudigen
Kooperation zwischen dem Bundesministerium des Innern und den Kommunen auf der einen Seite und den
Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf der anderen
Seite. Ich stufe den Antrag daher als untauglichen Versuch ein, auf Kosten der Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes eine Generalabrechnung mit der Wirtschaftsund Finanzpolitik der vergangenen Jahre zu betreiben.
Damit ist den Tarifparteien von dieser Stelle aus überhaupt nicht geholfen, wohl aber mit der Wahrnehmung
parlamentarischer Pflichten, liebe Kolleginnen und Kollegen. So zeigen wir Sozialdemokraten Haltung und Solidarität mit dem öffentlichen Dienst.
(B)
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Harald
Weinberg [DIE LINKE])
– Ja, ist ja gut.
Ich stimme Ihnen bei der Bestandsaufnahme sogar in
Teilen zu: Der öffentliche Dienst ist unverzichtbar, gerade weil wir als Abgeordnete Aufgaben schaffen, die
hoheitlich und im weitesten Sinne öffentlich zu erledigen sind. Der öffentliche Dienst hat in vorherigen Tarifrunden schmerzhafte, aber für unser Gemeinwesen auch
notwendige Opfer erbracht; das zieht keiner in Zweifel.
Diese Opfer nötigen mir den höchsten Respekt ab.
Aber die Wertschätzung eines Beschäftigten drückt
sich nicht nur in Geld aus. Keiner von uns in diesem
Hause ist – das unterstelle ich einfach einmal – Abgeordneter wegen des Geldes. Kein Polizeibeamter trägt seine
Uniform wegen des Geldes. Keine Erzieherin und kein
Erzieher geht jeden Tag in die Kita nur wegen des Geldes.
(Inge Höger [DIE LINKE]: Aber sie müssen
davon leben können!)
– Ich habe Ihnen auch zugehört. Ich weiß, dass das für
Sie schmerzhaft ist.
(Zurufe von der LINKEN)
Ich möchte mit dieser idealistischen Betrachtungsweise gar nicht ablenken, aber das Augenmerk darauf
richten, dass ein Beruf zwar die wirtschaftliche Lebens-
grundlage darstellt, aber ohne akzeptable Rahmenbedin- (C)
gungen überhaupt nichts wert ist. Die Kollegen von der
Müllabfuhr, die jeden Morgen um 4.30 Uhr ans Werk gehen, die Kollegen von Bus und Bahn, die Taktungen halten, die Erzieher, die auch mal ein paar Minuten dranhängen, weil die Eltern noch im Stau stehen,
(Inge Höger [DIE LINKE]: Die sollen besser
bezahlt werden!)
alle diese Beschäftigten können sich unserer Solidarität
jederzeit sicher sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)
Da besteht überhaupt kein Dissens in diesem Haus. Führen Sie einen solchen doch nicht künstlich herbei!
Um das Ergebnis vorwegzunehmen und den Antrag
damit weitestgehend zu erledigen: Es wird am Ende der
Tarifverhandlungen ein Mehr für den öffentlichen Dienst
geben, und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Tarifabschluss, wie in der Vergangenheit regelmäßig geschehen, eins zu eins auf die Beamten übertragen werden.
Die Frage ist und bleibt, was die Aufgabe des Deutschen
Bundestages hier und heute ist.
Jedenfalls ist es nicht die Aufgabe des Deutschen
Bundestages, sich mit diesem Antrag in den Rang einer
Tarifvertragspartei zu erheben
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
und zu beanspruchen, anstelle der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite zu sprechen.
(D)
(Zurufe der Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]
und Pia Zimmermann [DIE LINKE])
Dieser Antrag missachtet die Tarifautonomie der verhandelnden Parteien und fällt der Bundesregierung in den
Rücken, nur um den streikenden und verhandelnden Beschäftigten Unterstützung vorzugaukeln,
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir wollen
die Bundesregierung ermutigen!)
indem man eine Höchstforderung im Rahmen von
Verhandlungen abschreibt. Keine Verhandlungspartei
– ich betone: das gilt für beide Seiten – erwartet ernsthaft, dass den anfänglichen Forderungen entsprochen
wird. Deshalb ist es weder ernsthafte noch wahrhafte
Politik, was Sie hier betreiben.
Der Antrag verkennt die politische Wirklichkeit mutmaßlich, allem Anschein nach auch bewusst; sonst
müssten Ausführungen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts dort Platz finden.
Die Ausführungen zur Verteilungsgerechtigkeit gehen
völlig fehl. Der Antrag verkennt dabei, dass die Gehaltsstrukturen des öffentlichen Dienstes ein weites Band
spannen. Soziale Gerechtigkeit spiegelt sich auch hier
wider, findet ihre Grenze aber spätestens im Gleichheitsgebot. Entscheidungen, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Fraktion Die Linke, erfordern das Rückgrat,
auch unangenehme Haushaltslagen in Politik umzumünzen.