Drucksache 15/3391
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Im Berichtszeitraum hat die Kommission – wie in der
Vergangenheit – in ihren monatlichen Sitzungen in jedem
Einzelfall über die Zulässigkeit und Notwendigkeit der
jeweiligen Beschränkungsmaßnahmen entschieden.
Die Mitglieder der G10-Kommission und die Mitarbeiter
des Sekretariats haben sich darüber hinaus auch vor Ort
bei den Diensten über die Umsetzung der neuen Regelungen informiert.
V.
Die neuen Befugnisse der
Nachrichtendienste im Einzelnen
Die den Sicherheitsbehörden mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz neu übertragenen Befugnisse greifen in
verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen der Betroffenen ein. Die Auskunftspflichten von Kredit- und Finanzinstituten, Postdienstleistern und Luftverkehrsunternehmen berühren das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes
für die Bundesrepublik Deutschland [GG] vom 23. Mai
1949 [BGBl. I S. 1], zuletzt geändert durch Gesetz vom
26. November 2002 [BGBl. I S. 3219]). Ferner wird
durch die Auskunftspflichten namentlich der Post- und
Telekommunikationsunternehmen sowie den Einsatz des
so genannten IMSI-Catchers das Post- bzw. Fernmeldegeheimnis betroffen, das nach Artikel 10 Abs. 1 GG unverletzlich ist.
Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden. Mit der Verabschiedung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes wurde dieser Anforderung
durch die in die Sicherheitsgesetze eingefügten Befugnisnormen entsprochen.
1.
Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen
Aus der Grundrechtsrelevanz der Maßnahmen ergeben
sich besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen, die vor allem Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind.
So dürfen die Dienste die ihnen übertragenen Kompetenzen nur dann ausüben, wenn dies zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben erforderlich ist. Das BfV darf Auskunftsersuchen nach § 8 Abs. 5 bis 8 BVerfSchG nur
stellen und den IMSI-Catcher nur einsetzen, wenn dies
zur Erfüllung seiner Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4
BVerfSchG erforderlich ist. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4
BVerfSchG hat das BfV die Aufgabe, Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen, über
– sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des BVerfSchG für eine
fremde Macht,
– Bestrebungen im Geltungsbereich des BVerfSchG, die
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete
Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der
Bundesrepublik Deutschland gefährden oder
– Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes,
die gegen den Gedanken der Völkerverständigung
(Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes [GG]), insbeson-
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dere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker
(Artikel 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind,
zu sammeln und auszuwerten.
Der BND darf Auskunftsersuchen nach dem § 2 Abs. 1a
und dem § 8 Abs. 3a BNDG nur zur Erfüllung seiner
Aufgaben nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG stellen. Gemäß
§ 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG sammelt der BND zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen
Informationen und wertet diese aus.
Auch das MAD-Amt darf von seiner Befugnis, Informationen bei Tele- und Telekommunikationsdienstleistern
einzuholen, nur im Rahmen seiner Aufgaben nach § 1
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 MADG Gebrauch machen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MADG ist es Aufgabe des
MAD, Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen, über
sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des MADG zu sammeln und auszuwerten, soweit sich diese Bestrebungen oder Tätigkeiten gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen im
Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung
richten und von Personen ausgehen oder ausgehen sollen,
die diesem Geschäftsbereich angehören oder in ihm tätig
sind. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 MADG obliegt dem MAD
ferner die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen
Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über die Beteiligung von Angehörigen des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung sowie von Personen,
die in ihm tätig sind oder in ihm tätig sein sollen, an Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das
friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1
GG) gerichtet sind.
Sowohl die Auskunftsersuchen als auch der Einsatz des
so genannten IMSI-Catchers sind nur auf Antrag zulässig.
Der Antrag ist durch den Präsidenten des betreffenden
Dienstes oder seinen Stellvertreter schriftlich zu stellen.
Über den Antrag entscheidet gemäß § 8 Abs. 9 Satz 3
BVerfSchG das vom Bundeskanzler beauftragte Bundesministerium. Im Berichtszeitraum entschied das Bundesministerium des Innern als beauftragtes Bundesministerium über die Anträge des BfV und des MAD. Über
Anträge des BND entschied gemäß § 2 Abs. 1a Satz 4
BNDG der Chef des Bundeskanzleramtes.
Zudem haben die Dienste entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt (vgl. § 8 Abs. 13
BVerfSchG, § 2 Abs. 4 BNDG). Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. Die weiteren Voraussetzungen richten sich danach, welche Art der Maßnahme vorgenommen wird.