Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Drucksache 16/2551
–5–
IV. Beschränkungsmaßnahmen
nach den §§ 3, 5 und 8 G10
(4) Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109e bis
109g des StGB)
Nach Artikel 10 Abs. 1 GG sind das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden (Artikel 10 Abs. 2 Satz 1 GG). Dies ist
durch das G10 geschehen.
(5) Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantik-Vertrages
(§§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109e bis 109g StGB
in Verbindung mit Artikel 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Juni 1957 in der Fassung
des Gesetzes vom 25. Juni 1968 [BGBl. I S. 741])
§ 1 Abs. 1 G10 enthält die Grundbestimmung für entsprechende Beschränkungsmaßnahmen. Die Vorschrift umschreibt in allgemeiner Form, wer zu welchem Zweck
Überwachungsmaßnahmen nach diesem Gesetz durchführen darf. Allgemeine Voraussetzung für den Grundrechtseingriff einer Beschränkung des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses ist zunächst das Tätigwerden zur
Abwehr von drohenden Gefahren für überragende
Rechtsgüter. Die überragenden Rechtsgüter sind in § 1
Abs. 1 G10 enumerativ genannt. Danach geht es im Einzelnen um die Abwehr von drohenden Gefahren
– für die freiheitliche demokratische Grundordnung,
– für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder
eines Landes,
– für die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantik-Vertrages.
Die weiteren Voraussetzungen richten sich danach, welche Art der Maßnahme vorgenommen wird. Unterschieden wird dabei zwischen den Beschränkungen in Einzelfällen nach § 3 G10 (sog. Individualmaßnahmen) und den
strategischen Beschränkungen nach den §§ 5 und 8 G10.
1. Beschränkungen in Einzelfällen
nach § 3 G10
a) Allgemeine Voraussetzungen
Die Post- und Fernmeldekontrolle der Nachrichtendienste
ist eine Erkundung im strafrechtlichen Vorfeld. Soweit
sich die Maßnahme gegen einen einzelnen Verdächtigen
und ggf. gegen Umfeldpersonen richtet, wird sie als „Beschränkung im Einzelfall“ oder auch als „Individualkontrolle“ bezeichnet. Die Voraussetzungen sind in § 3 G10
geregelt. Danach setzt eine Beschränkung der Grundrechte des Einzelnen zusätzlich zur Grundbestimmung in
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 G10 voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass diese Person eine
der in § 3 Abs. 1 G10 aufgeführten „Katalogstraftaten“
plant, begeht oder begangen hat. Im Einzelnen werden
folgende Straftaten aufgeführt:
(1) Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats
(§§ 80 bis 83 StGB)
(2) Straftaten der Gefährdung des demokratischen
Rechtsstaates (§§ 84 bis 86, 87 bis 89 StGB, § 20
Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes)
(3) Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der
äußeren Sicherheit (§§ 94 bis 96, 97a bis 100a StGB)
(6) Straftaten nach
a) den §§ 129 a bis 130 des Strafgesetzbuches sowie
b) den §§ 211, 212, 239a, 239b, 306 bis 306c, 308
Abs. 1 bis 3, § 315 Abs. 3, § 316 b Abs. 3 und
§ 316c Abs. 1 und 3 StGB, soweit diese sich gegen die freiheitliche Grundordnung, den Bestand
oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes
richten
(7) Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes.
Gleiches gilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den
Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die
Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.
Ein Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 10 GG ist nach
§ 3 Abs. 2 G10 aber nur zulässig, wenn die Erforschung
des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen den Verdächtigen (sog. Hauptbetroffener, § 3 Abs. 1 G10) oder
gegen Personen richten, von denen aufgrund bestimmter
Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen
bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Verdächtige
ihren Anschluss benutzt (sog. Nebenbetroffene, § 3
Abs. 2 Satz 2 G10).
b) Art und Umfang der Beschränkungsmaßnahmen
Im Berichtszeitraum sind mehrere G10-Maßnahmen vom
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und jeweils eine
vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) und vom Bundesnachrichtendienstes (BND) beantragt und genehmigte
worden.
Insgesamt schwankte die Zahl der Beschränkungsmaßnahmen im Berichtszeitraum vom 1. Juli 2004 bis 31. Dezember 2005 zwischen 54 und 58 Maßnahmen (im vorherigen Berichtzeitraum zwischen 47 und 51 Maßnahmen).
Diese Anzahl setzt sich zusammen aus einem Teil der
übernommenen Verfahren aus dem vorangegangenen Berichtszeitraum und im aktuellen Berichtszeitraum neu beantragten Maßnahmen.
Die Anzahl der betroffenen Personen, auf die sich die Maßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 G10 erstreckten,
schwankte zwischen 372 (2. Halbjahr 2004), 389 (1. Halb-