Drucksache 17/13000
3.3.2

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Was der versuchte Bombenanschlag am
Bonner Bahnhof lehrt

Die fehlenden Videoaufzeichnungen am Bonner Bahnhof
haben die Diskussion um die Videoüberwachung in öffentlichen Räumen neu entfacht. Für neue Gesetze besteht
kein Anlass, denn die Aufzeichnung scheiterten nicht am
Recht, sondern an den technischen Mitteln.
Das öffentliche Erstaunen war groß, als bekannt wurde,
die installierten Videokameras auf dem Bonner Hauptbahnhof hätten keine Bilder von dem versuchten Bombenanschlag aufgenommen und könnten daher zur Aufklärung des Vorfalls nichts beitragen. Wie üblich ließ der
Ruf nach schärferen Sicherheitsgesetzen nicht lange auf
sich warten. Um es vorweg zu nehmen: Die Bahnsteige
auf dem Bonner Hauptbahnhof durften videoüberwacht
werden, und Aufzeichnungen wären auch erlaubt gewesen. Dies ist geltendes Recht und ergibt sich aus § 27
Bundespolizeigesetz. Danach ist der Bahnhof ein gefährdeter Ort, an dem das Mittel der Videoüberwachung eingesetzt werden darf. Ich habe dies nie in Zweifel gezogen.
Wenn in Bonn nichts aufgezeichnet wurde, mag dies technische oder auch finanzielle Gründe haben. Bei der Videoüberwachung auf Bahnhöfen gibt es ein unübersichtliches Nebeneinander von Bundespolizei und Deutscher
Bahn. Faktisch gehören die Videokameras meistens der
Deutschen Bahn, die Bundespolizei kann sich bei Bedarf
auf diese Kameras aufschalten und speichert dann die
Aufnahmen in aller Regel auf eigenen Geräten. Die Funktionsfähigkeit der Videoüberwachung hängt deshalb wesentlich davon ab, wer welche Ressourcen für die Technik zur Verfügung stellt.
Nach Pressemeldungen wird derzeit nur etwa jeder zehnte
Bahnhof videoüberwacht, bei weniger als drei v. H. erfolgen Aufzeichnungen. Selbst wenn die Überwachungsmöglichkeiten ausgeweitet würden, erscheint eine flächendeckende Videoaufzeichnung an allen Bahnhöfen
illusorisch, von rechtlichen Aspekten – wie z. B. dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – einmal ganz abgesehen.
Meine Mitarbeiter sind gegenwärtig im Gespräch mit der
Bundespolizei, um vernünftige und praktikable Lösungen
zu erarbeiten, wie nachvollziehbare Sicherheitsinteressen
mit der gebotenen Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit datenschutzkonform in Einklang gebracht werden
können.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Abgesehen von diesen Fragen der rechtlichen Grenzen
der Videoüberwachung bleibe ich dabei, dass die flächendeckende Videoüberwachung weder das Kriminalitätsproblem lösen noch dem Terrorismus wirksam begegnen
kann. Nicht zuletzt dies macht der Bonner Vorfall deutlich. Den oder die Täter haben die Videokameras nicht
abgeschreckt. Auch dies sollte man zur Kenntnis nehmen.
Videoüberwachung kann sinnvoll sein, wenn sie in ein
polizeiliches Gesamtkonzept eingepasst ist. Sie mag den
Blick im Einzelfall auf einen Täter richten. Sie ist aber
kein Allheilmittel, kann auch im Sicherheitsbereich den
Menschen nur unterstützen, nicht aber ersetzen, und darf
den Blick auf die eigentlichen Ursachen der Kriminalität
nicht verstellen.
3.3.3

Beobachtungsdrohnen

Die Videobeobachtung geht in die dritte Dimension. Unbemannte Luftsysteme (Unmanned Aerial Systems, UAS)
– umgangssprachlich „Drohnen“ – sind Trägersysteme
für immer leistungsfähigere Überwachungstechnik. Gefahren für die Privatsphäre sind dabei vorprogrammiert.
Schon bei isolierter Betrachtung gehen von bestimmten
Techniken besondere Gefahren aus. Dies ist etwa bei der
Videoüberwachung der Fall, was den Gesetzgeber veranlasst hat, deren Einsatzbedingungen und die dabei zu beachtenden Datenschutzvorgaben im BDSG und in anderen Rechtsvorschriften festzuschreiben. Ein zusätzliches
Überwachungspotential ergibt sich, wenn verschiedene
Techniken miteinander kombiniert werden. Ein Paradebeispiel dafür sind die Video- oder Beobachtungsdrohnen, komplexe Systeme, in denen Flug- und Steuerungstechnik, WLAN- und andere Funktechniken mit der
Videoelektronik verbunden werden (vgl. Kasten zu
Nr. 3.3.3).
Ich habe Zweifel, ob die geltenden gesetzlichen Regelungen zur Videoüberwachung den besonderen Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts, die vom Einsatz von
Beobachtungsdrohnen ausgehen, ausreichend Rechnung
tragen. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, zu prüfen, inwieweit die vorhandenen Gesetze den technischen Entwicklungen angepasst werden müssen.
Flugdrohnen werden von der Bundeswehr (vgl.
Nr. 3.3.3.3) und der Bundespolizei (vgl. Nr. 3.3.3.2) eingesetzt. Aber auch im privaten Bereich erfreuen sie sich
vor allem als flugtechnische Geschicklichkeitsspiele großer Beliebtheit (vgl. Nr. 3.3.3.4).

K a s t e n z u N r. 3 . 3 . 3
Beobachtungsdrohnen
Die Bundespolizei verwendet zwei Arten von Beobachtungsdrohnen. Zum einen ein wenige Kilogramm schweres
Leichtflugzeug „Aladin“, welches mehrere 1000 Meter hoch fliegen kann. Zum anderen einen ca. ein Kilogramm
schweren „Fancopter“, der in der Regel 10 bis 20 Meter hoch fliegt. Beide Drohnenformen sind mit austauschbaren
Foto- und Videokameras versehen.

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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