Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

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ches Gutachten, das im Hinblick auf den Bezug von Sozialleistungen erstellt wurde, vom Jobcenter nur übermittelt werden, wenn es für die Erfüllung einer gesetzlichen
Aufgabe des Empfängers, hier des Sozialamtes, erforderlich ist und der Betroffene der Übermittlung nicht widersprochen hat. Hierauf wurden die Betroffenen in jedem
Einzelfall von den Jobcentern als verantwortliche Stelle
zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in allgemeiner
Form hingewiesen.
Jeder Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II hat
von seinem Jobcenter das „Merkblatt SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende“ der BA (Stand April 2012)
erhalten, wo unter der Überschrift „Datenschutz“ auf
Seite 70 in einem mit blauem Hintergrund hervorgehobenen Kasten das Folgende ausgeführt ist: „Ärztliche und
psychologische Gutachten sowie Befunde sind von der
Übersendung ausgenommen, wenn Sie der Übermittlung
ausdrücklich widersprochen haben“. Zusätzlich wird vor
jeder Begutachtung durch den Ärztlichen Dienst der BA
ein Gesundheitsfragebogen mit vorangestelltem „Informationsblatt zur Vorstellung im Ärztlichen Dienst“ an die
Betroffenen ausgehändigt. Darin ist der im Schriftbild besonders hervorgehobene Hinweis „Medizinische Daten
sind von der Übersendung ausgeschlossen, wenn Sie der
Übermittlung ausdrücklich widersprochen haben“ enthalten.
Mit den schriftlichen Hinweisen auf das Widerspruchsrecht sind die Jobcenter ihrer Pflicht nach § 76 Absatz 2
Nummer 1 SGB X nachgekommen. Der Gesetzgeber hat
in seiner Begründung zum 2. Gesetz zur Änderung des
Sozialgesetzbuchs (2. SGBÄndG vom 18. Juni 1993)
ausgeführt, der letzte Halbsatz in § 76 Absatz 2 Nummer 1 SGB X sei eingefügt worden, um klarzustellen,
dass der Betroffene nur in allgemeiner Form auf sein
Widerspruchsrecht hinzuweisen ist (vgl. Bundestagsdrucksache 12/5187 zu § 76 SGB X). Von diesem Widerspruchsrecht hatte keiner der Petenten Gebrauch gemacht.
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Übermittlung der ärztlichen Gutachten an die Sozialämter erfüllt
waren, konnte ich keinen Datenschutzverstoß feststellen.
12.1.3.6 Erhebung und Speicherung einer
Vielzahl von Unterlagen in den
Jobcentern
Zahlreiche Kunden der Jobcenter beschweren sich über
die Vielzahl der angeforderten Unterlagen und deren Aufnahme in die Leistungsakten.
In Bürgereingaben wird häufig beklagt, Jobcenter forderten
zu viele Unterlagen an und würden diese dann kopieren
und speichern. Bei meinen Beratungs- und Kontrollbesuchen der Jobcenter habe ich in der Tat unverhältnismäßig
viele Unterlagen in den Leistungsakten gefunden. Dies
gilt insbesondere für Kopien des Personalausweises und
der Kontoauszüge.
Bei Anträgen auf Arbeitslosengeld II müssen die dazu erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden, um die Anspruchsvoraussetzungen nach den §§ 7 ff. SGB II fest-

Drucksache 17/13000

stellen zu können, was auch die Überprüfung der Identität
einschließt (§ 60 Absatz 1 Nummer 3 i. V. m. § 61
SGB I). Zur Kontrolle der Personalien können die Mitarbeiter der Jobcenter auch die Vorlage eines gültigen Passes oder Personalausweises verlangen, da die Daten des
Personalausweises, insbesondere die aktuelle Wohnanschrift, mit den Angaben im Antrag übereinstimmen müssen. Eine Kopie des Dokuments in der Akte ist aber zur
Identifizierung und Aufgabenerfüllung nicht erforderlich.
Vielmehr genügt ein dort oder auf dem Antragsformular
anzubringender Vermerk, dass der aktuelle Personalausweis oder ein anderes Ausweisdokument vorgelegen hat.
Dies entspricht auch der Auffassung der Bundesagentur
für Arbeit (vgl. „HEGA 01/12 – 08 – Empfehlungspaket
zum Aufbau und Führen einer Leistungsakte“) und der
für die Jobcenter in der Rechtsform der zugelassenen
kommunalen Träger (Optionskommunen) zuständigen
Datenschutzbeauftragten der Länder, wie eine schriftliche
Umfrage unter den Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder vom 31. Januar 2012 bestätigt hat.
Die Vorlage der Kontoauszüge darf das Jobcenter bei der
Beantragung von Leistungen nach dem SGB II regelmäßig für einen zurückliegenden Zeitraum von drei Monaten
verlangen, gleichgültig, ob es sich um einen Erstantrag,
einen Folgeantrag oder eine einmalige Leistung handelt
(Urteil des BSG vom 19. Februar 2009, B 4 AS 10/08 R).
Auch in Einzelfragen kann die Vorlage von Auszügen erforderlich sein, wenn der Zugang eines Einkommens auf
dem Konto zu prüfen ist. Eine weitergehende Verpflichtung, Kontoauszüge für einen Zeitraum von bis zu sechs
Monaten einzureichen, kann regelmäßig bei selbständigen
Leistungsberechtigten bestehen, da diese die tatsächlichen
Einnahmen und Ausgaben des vergangenen Bewilligungszeitraums (i. d. R. sechs Monate, vgl. § 41 Absatz 1
Satz 4 SGB II) nachweisen müssen. Schon bei der Aufforderung muss seitens des Jobcenters auf die Möglichkeit zur Schwärzung einzelner Passagen hingewiesen
werden. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur bei Ausgabebuchungen und nicht bei Einnahmen, denn Geldeingänge muss das Jobcenter daraufhin prüfen, ob diese als
Einkommen (§ 11 SGB II) den Leistungsanspruch mindern. Die Schwärzungsmöglichkeit bei Ausgabebuchungen bezieht sich nicht auf das Buchungs- und Wertstellungsdatum oder den Betrag, sondern ausschließlich auf
bestimmte Passagen des Empfängers und des Buchungstextes, wenn der zu Grunde liegende Geschäftsvorgang
für die Prüfung durch das Jobcenter plausibel bleibt. Geschwärzt werden dürfen vor allem die in den Auszügen
enthaltenen besonderen Arten personenbezogener Daten,
wie Angaben über die rassische und ethnische Herkunft,
politische Meinungen, religiöse und philosophische
Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit und Sexualleben. Nach der Schwärzung des genauen
Namens des Empfängers müssen Texte wie „Mitgliedsbeitrag“, „Zuwendung“ oder „Spende“ als grundsätzlicher Geschäftsvorgang erkennbar bleiben.
Nach der Einsicht in die Kontoauszüge muss dem Jobcenter aber regelmäßig der Vermerk in der von ihm geführten
Akte genügen, diese hätten vorgelegen und keine Auswirkung auf den Leistungsanspruch gehabt. Eine Speiche-

BfDI 24. Tätigkeitsbericht 2011-2012

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