Drucksache 15/4437

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Das Parlamentarische Kontrollgremium wurde von der
Bundesregierung bereits unmittelbar nach den Anschlägen über das Ausmaß des Terroraktes informiert. Die den
Diensten bekannten Informationen zu möglichen Hintergründen und dem mutmaßlichen Täterkreis wurden mitgeteilt. Aber auch in den Monaten nach diesem verbrecherischen Anschlag hat sich das Gremium fortlaufend
über den Stand der Ermittlungen zu den Hintermännern
der Anschläge und die gegen sie geführten Ermittlungsverfahren und Strafprozesse unterrichten lassen.
Auch wenn es bisher in Deutschland selbst nicht zu derartigen Anschlägen gekommen ist, bedroht diese neue
Form des Terrorismus auch unser Land:
Der hinterhältige Terroranschlag vom 11. April 2002 auf
der tunesischen Insel Djerba, bei dem 21 Menschen, darunter 14 Deutsche getötet und 24 Personen verletzt wurden und der Bombenanschlag auf den Ferienort Kurta
Beach auf Bali (Indonesien) am 12. Oktober 2002, bei
dem mehr als 200 Menschen, überwiegend Touristen,
darunter sechs Deutsche, getötet und mehr als 330 Menschen, darunter zehn Deutsche, zum Teil schwer verletzt
worden sind, haben deutlich gemacht, dass auch deutsche
Staatsangehörige Ziel von Terroranschlägen international
agierender Terroristen sein können.
Auch über die Hintergründe dieser Terrorakte und den
Stand der Ermittlungen wurde dem Gremium von den Sicherheitsbehörden berichtet. Gleiches gilt für die weiteren weltweiten terroristischen Anschläge im Berichtszeitraum. Beispielhaft seien hier genannt:
– die Geiselnahme im Moskauer Musical-Theater
„Nord-Ost“ am 23. Oktober 2002 durch ein tschetschenisches Selbstmordkommando, bei der mehr als
700 Besucher als Geiseln genommen wurden und bei
der anlässlich der Erstürmung durch russische Spezialeinheiten 41 Terroristen und mehr als 100 Geiseln
zu Tode kamen;
– der Selbtsmordanschlag in Mombasa (Kenia) am
28. November 2002, bei dem 16 Menschen getötet
und 80 verletzt wurden und der misslungene Versuch,
eine vollbesetzte israelische Passagiermaschine mit einer Boden-Luft-Rakete abzuschießen;
– die drei Autobombenanschläge in einem Ausländerwohngebiet in Riad (Saudi-Arabien) am 12. Mai 2003,
bei denen 35 Menschen starben;
– die Sprengstoffanschläge auf ausländische und jüdische Einrichtungen in Casablanca (Marokko) am
16. Mai 2003, bei denen 35 Menschen ums Leben kamen;
– der Selbstmordanschlag auf einen Bundeswehr-Bus in
Kabul (Afghanistan) am 7. Juni 2003, bei dem vier
deutsche Soldaten und ein Passant starben;
– der Anschlag mit einer Autobombe vor der jordanischen Botschaft in Bagdad, bei dem 17 Menschen ums
Leben kamen und bei dem der jordanische Terroristenführer Abu Mussab al Sarkawi als Urheber gilt;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– der Selbstmordanschlag auf eine Wohnanlage für Ausländer in Riad (Saudi-Arabien) am 8. November 2003,
bei dem 18 Menschen getötet wurden;
– die Selbstmordanschläge in Istanbul am 15. und
20. November 2003 auf zwei Synagogen, das britische
Konsulat und die HSBC-Bank, denen insgesamt
63 Menschen zum Opfer fielen;
– die drei Bombenanschläge auf Züge des morgendlichen Berufsverkehrs in Madrid (Spanien) am
11. März 2004, bei denen 191 Menschen getötet und
etwa 1 400 Personen verletzt wurden;
– das Geiseldrama in der Schule der nordossetischen
Stadt Beslan vom 1. bis 3. September 2004, bei dem
mindestens 335 Menschen starben und mehr als die
Hälfte der Opfer Kinder waren.
Hier hat sich auf eindringlichste Weise eine neue, bisher
nicht da gewesene Dimension der Bedrohung gezeigt.
Die auf den Tod zahlreicher wehrloser Opfer abzielenden
Anschläge dokumentieren, dass Terroristen heute bei der
Auswahl ihrer Ziele und bei der Durchführung ihrer Vorhaben keinerlei Skrupel mehr kennen.
Die Nachrichtendienste in Deutschland wie in den europäischen Nachbarländern haben – im Zusammenwirken
mit den Polizeibehörden – im Berichtszeitraum bei der
Aufklärung von Strukturen des internationalen Terrorismus gute Fortschritte erzielt. Beleg dafür sind die Festnahmen in Deutschland und in einer Reihe von europäischen Nachbarländern.
Insgesamt wird die Bekämpfung des internationalen Terrorismus durch die deutschen Nachrichtendienste auch in
Zukunft ein wesentlicher Schwerpunkt der Kontrolltätigkeit des Gremiums sein. Dabei wird ein besonderer Blick
auf die internationale Zusammenarbeit der verschiedenen
Dienste und den zur effektiven Bekämpfung des Terrorismus zwingend erforderlichen Informationsaustausch zwischen den Diensten zu legen sein.
2.

Aktuelle Entwicklungen in Afghanistan

Einen weiteren Schwerpunkt der Tätigkeit des Kontrollgremiums bildete auch die fortlaufende Information über
die aktuelle Bedrohungslage in Afghanistan und die Sicherheitslage für die in Afghanistan stationierten ISAFTruppen.
Die Bemühungen der ausländischen und insbesondere
auch der deutschen Streitkräfte in der Unterstützung der
Zentralregierung und beim Aufbau gesellschaftlicher
Strukturen verdienen nach wie vor höchste Anerkennung
und verlangen nach einer besonders intensiven und vorausschauenden Aufklärung durch die Nachrichtendienste.
Der zielgenaue Einsatz sämtlicher den Nachrichtendiensten zur Verfügung stehender Mittel sowohl in personeller
als auch in technischer Hinsicht gehört gerade hier zu den
wichtigsten Aufgaben der Dienste, die sich der Unterstützung des Kontrollgremiums auf diesem Felde sicher sein
können.

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