Drucksache 16/12600
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Wichtig ist aber auch das Bewusstsein der Online-Generation im Umgang mit ihrer Privatsphäre zu schärfen.
Ermutigend ist dabei, dass im letzten Jahr der Informationsbedarf zum Datenschutz im Internet deutlich
zugenommen hat. Dies belegt eine Sonderstudie von
TNS Infratest im Auftrag von Microsoft (www.nonlineratlas.de). Das erforderliche Wissen zu vermitteln wird
eine kontinuierliche Aufgabe bleiben.
7.4
Gesetz zur Verbesserung der
Durchsetzung von Rechten des
geistigen Eigentums in Kraft
Seit dem 1. September 2008 können Rechteinhaber vom
Provider Auskunft über die Identität möglicher „InternetPiraten“ verlangen. Die Musik- und Filmindustrie drängt
aber bereits auf weitere Zugeständnisse.
In meinem letzten TB (Nr. 6.5) hatte ich über den
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der
sog. IPR-Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom
29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen
Eigentums) berichtet. Am 1. September 2008 ist das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des
geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (BGBl. I 2008,
S. 1191) in Kraft getreten.
Es gewährt den Rechteinhabern, wie insbesondere der
Musik- und Filmindustrie mit Blick auf „Piraterie“ in Internet-Tauschbörsen, nunmehr einen zivilrechtlichen
Auskunftsanspruch gegen die Internet-Zugangsprovider,
um mögliche Rechteverletzer zu ermitteln, § 101 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Damit erübrigt sich das bisherige
Vorgehen der Rechteinhaber, über das Akteneinsichtsrecht
im
strafrechtlichen
Ermittlungsverfahren,
§ 406e StPO, an die Daten zur Identifizierung des Nutzers zu gelangen.
Die Auskunftserteilung setzt nach § 101 Absatz 9 UrhG
eine richterliche Anordnung voraus. Diese Hürde ist aus
verfassungsrechtlicher Sicht unabdingbar, denn den Providern ist die Auskunftserteilung nur mittels der sog.
dynamischen IP-Adressen, die jedes Mal vergeben werden, wenn sich Nutzer neu in das Internet einwählen,
möglich. Hierbei handelt es sich um Verkehrsdaten im
Sinne des § 3 Nummer 30 Telekommunikationsgesetz (TKG), die dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Artikel 10 GG unterliegen. Diese Daten zugunsten privatrechtlicher Interessen ohne weiteres zugänglich
zu machen, wäre das falsche Signal. Damit würde einseitig dem Anliegen der Rechteinhaber nachgegeben, ohne
dies mit den berechtigten, grundrechtlich geschützten Interessen der Nutzer in Einklang zu bringen. Dies wäre mit
dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar.
Gleiches gilt für den vielfach geforderten Rückgriff auf
die sog. Vorratsdaten (vgl. Nr. 3.2.1) zur Auskunftserteilung an Rechteinhaber. Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung deren
Verwendung ausdrücklich auf Zwecke der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr, § 113b Absatz 1
Satz 1 TKG, beschränkt. Damit ist aber eine Erstreckung
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
auf zivilrechtliche Auskunftsansprüche, wofür sich im
Gesetzgebungsverfahren noch der Rechtsausschuss des
Bundesrates ausgesprochen hatte (Bundesratsdrucksache 798/1/07), ausgeschlossen. Durch die höchstrichterliche Begrenzung der derzeitigen Nutzung der auf Vorrat zu speichernden Daten auf schwere Katalogstraftaten
gemäß § 100a Absatz 2 StPO (Beschluss des BVerfG
vom 11. März 2008, 1 BvR 256/08), dürfte einer weiteren
Diskussion in diese Richtung ohnehin die Grundlage entzogen sein.
Demnach dürfen nur die von den Anbietern von Telekommunikationsdiensten unter den Voraussetzungen der
§§ 96 ff. TKG für eigene Zwecke gespeicherten Daten
zur Auskunftserteilung an Rechteinhaber genutzt werden.
Dass dieser Anspruch nicht – wie vielfach behauptet –
von vornherein ins Leere läuft, belegen erste Zivilgerichtsurteile zum Auskunftsanspruch.
Dennoch sind bereits neue Forderungen der Musik- und
Filmindustrie im Raum. Nach dem Vorbild einiger EUStaaten wie z. B. Frankreich (sog. Olivennes-Vereinbarung) stellt sie sich in Kooperation mit den Providern
Modelle vor, die über ein abgestuftes Verfahren Urheberrechtsverstöße verhindern bzw. eindämmen sollen. Zunächst soll dabei der potentielle Verletzer ermittelt werden, indem die im Auftrag der Rechteinhaber erhobene
IP-Adresse mit den Bestandsdaten beim Provider abgeglichen wird. Der so ermittelte potentielle Verletzer soll in
einer Art Mahnverfahren einen Warnhinweis vom Provider erhalten. Begeht er trotzdem weitere Verstöße, so
können Sanktionen vorgesehen werden. Diese sollen
nach den Vorstellungen der Rechteinhaber von der vorübergehenden Sperrung des Anschlusses bis hin zur
Kündigung des Vertrages und einer befristeten Vertragssperre reichen.
Für diese Verwendung der Verkehrdaten für Mahnungen
„auf Zuruf“ der Rechteinhaber gibt es keine Rechtsgrundlage. Weder das TKG noch der o. g. zivilrechtliche Auskunftsanspruch in § 101 UrhG, der neben der richterlichen Anordnung offensichtliche Rechtsverletzungen in
gewerblichem Ausmaß voraussetzt, erlaubt den Providern
dieses Vorgehen zur Identifikation von Internet-Nutzern.
Klärungsbedarf sehe ich auch für die Frage der Zulässigkeit der Ermittlung der IP-Adresse, die Voraussetzung für
die Identifizierung der Nutzer ist. Diese erfolgt z. B.
durch Spähdateien, die vorgeben, die Verknüpfung zu bestimmten vom Tauschbörsennutzer gesuchten Medien zu
enthalten, in Wahrheit aber nur die IP-Adresse des Interessenten ermitteln. Ein Herunterladen z. B. von Musikstücken findet also tatsächlich nicht statt. Im anderen Fall
werden Tauschbörsen anhand der Prüfsumme der urheberrechtlich geschützten Dateien abgesucht. Mit dem
Rechner, der die gesuchten Dateien in seinem offenen
Ordner vorhält, ist auch die jeweilige IP-Adresse ermittelt. Auch hier handelt es sich um die heimliche Erhebung
der IP-Adressen von Tauschbörsenteilnehmern mit dem
Ziel der anschließenden zweckfremden Verwendung dieser Daten.