Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
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dings die Verwendung von Mikrodaten durchaus mit den
verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar sein
(s. u. Nr. 5.4).
5.4
KombiFiD
Ein Beispiel für den beschriebenen Methodenwandel bei
Erhebung und Auswertung statistischer Daten ist das
Projekt „KombiFiD – Kombinierte Firmendaten für
Deutschland“.
Von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder
und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
der Bundesagentur für Arbeit (IAB) wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank, der Universität Lüneburg und der Fachhochschule Mainz das Projekt
„KombiFiD“ ins Leben gerufen. Hierbei sollen in verschiedenen Verwaltungsbereichen (Statistische Ämter,
IAB, Deutsche Bundesbank) vorhandene Unternehmensdaten aus den Jahren 1995 bis 2006 von stichprobenartig
ausgewählten Unternehmen auf freiwilliger Basis für Forschungszwecke zusammengeführt und verknüpft werden. Die Initiatoren der Studie gehen davon aus, dass das
so gewonnene Datenmaterial auf Mikroebene besser für
die wissenschaftliche Analyse insbesondere dynamischer
Prozesse geeignet sei.
Drucksache 16/12600
Vordringen einer kaum noch durchschaubaren modernen
Informationstechnologie und deren scheinbar unabsehbaren Anwendungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung zum Ausdruck kam. In seiner Entscheidung zu
den zahlreichen Verfassungsbeschwerden befasste sich
das BVerfG erstmals grundlegend mit den Gefahren der
modernen Datenverarbeitung und entwickelte, ausgehend
von dem allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht (Artikel 2 Absatz 1 GG) und der Menschenwürde (Artikel 1
Absatz 1) das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Es garantiert die Befugnis des Einzelnen,
grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung
seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Das BVerfG
stellte damit klar, dass jede Verarbeitung personenbezogener Daten einen Grundrechtsbezug hat und am Maßstab
des Grundrechtschutzes gemessen werden muss, was für
das damals noch junge Datenschutzrecht einen wahren
Meilenstein der Entwicklung bedeutete. Die Positionen
des Volkszählungsurteils haben in der Folgezeit die Gesetzgebung, wie etwa das Volkszählungsgesetz 1987,
grundlegend geprägt. Sie sind auch der datenschutzrechtliche Maßstab für die rechtliche Regelung des kommenden Zensus.
Bei KombiFiD ist als Rechtsgrundlage der geplanten Datenverarbeitungsprozesse die schriftliche Einwilligung
der betroffenen Unternehmen nach einer umfassenden
Aufklärung über das Projekt vorgesehen. Dagegen habe
ich keine grundsätzlichen Bedenken. Die Studie befindet
sich derzeit noch in der Anfangsphase. Im weiteren Verlauf wird darauf zu achten sein, dass bei der Zusammenführung der Daten die für die jeweiligen Verwaltungsbereiche geltenden Geheimhaltungsbestimmungen beachtet
werden. Eine Speicherung wird nur in einem jeweils abgeschotteten Forschungsbereich bei den Statistischen
Ämtern, beim IAB und der Deutschen Bundesbank erfolgen.
Deutschland wird sich an der nächsten EU-weiten Volkszählungsrunde mit dem Zensus 2011 in einem neuartigen
registergestützten Verfahren beteiligen. Dabei sollen im
Wesentlichen Daten aus bestehenden Verwaltungsregistern zu einem bestimmten Stichtag im Jahre 2011 bei den
Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder zusammengeführt werden, ergänzt durch eine postalische Befragung der Eigentümer und Verwalter von Gebäuden und
Wohnungen, durch Stichprobenerhebungen sowie Erhebungen in Gemeinschaftsunterkünften. Gegen dieses
neue Verfahren habe ich keine grundlegenden datenschutzrechtlichen Bedenken. Gesetzliche Grundlagen
sind zum einen das Zensusvorbereitungsgesetz 2011 und
zum anderen das vom Bundeskabinett beschlossene
Zensusgesetz 2011.
5.5
5.5.1
Volkszählung 2011
Die Volkszählung 2011 wirft ihre Schatten voraus. Das
hierfür vorgesehene neue Verfahren besteht aus einer
Kombination von Registerzusammenführungen und Befragungen, so dass der überwiegende Teil der Bevölkerung durch die Erhebungen nicht direkt in Anspruch genommen wird.
Die letzte Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland, die damals nur die alten Bundesländer umfasste,
fand im Jahre 1987 statt. Sie war ursprünglich für 1983
angesetzt, konnte aber auf Grund einer Anordnung des
Bundesverfassungsgerichts zunächst nicht durchgeführt
werden. Einzelne Vorschriften des zu Grunde liegenden
Volkszählungsgesetzes 1983 wurden schließlich im so genannten Volkszählungsurteil des Gerichts vom 15. Dezember 1983 für verfassungswidrig erklärt (1 BvR 209,
vgl. auch Nr. 15.3 Veranstaltung „25 Jahre Volkszählungsurteil“). Vorangegangen war eine breite und zum
Teil stark emotional aufgeladene öffentliche Diskussion,
in der die Sorge weiter Teile der Bevölkerung vor dem
Gesetzliche Vorgaben
Über den Inhalt des „Gesetzes zu Vorbereitung eines
registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäudeund Wohnungszählung 2011 (Zensusvorbereitungsgesetz –
ZensVorbG 2011)“ habe ich bereits berichtet (21. TB
Nr. 7.5). Es dient der Schaffung eines Anschriften- und
Gebäuderegisters beim Statistischen Bundesamt als zentralem Hilfsmittel des registergestützten Zensusverfahrens und ist am 13. Dezember 2007 in Kraft getreten
(BGBl. I 2007 S. 2808). Nach dem Zensusvorbereitungsgesetz werden erstmals auch die genauen geografischen
Koordinaten der Gebäude gespeichert, um die gemäß damaliger Planung angestrebte Georeferenzierung der Zensusergebnisse zu ermöglichen. Auf damit verbundene datenschutzrechtliche Gefahren hatte ich hingewiesen.
In dem vom Bundeskabinett am 3. Dezember 2008 beschlossenen „Entwurf eines Gesetzes zur Anordnung des
Zensus 2011 (ZensG 2011 – zum Inhalt s. Kasten a zu
5.5.1 –) sowie zur Änderung von Statistikgesetzen“ ist
überraschend auch eine Änderung des ZensVorbG vorge-
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008