Drucksache 16/12600
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sehen. Danach sollen Daten des Anschriften- und Gebäuderegisters, darunter auch die Namen der Auskunftspflichtigen für die Gebäude- und Wohnungszählung mit
gebäudebezogenen Angaben aus der postalischen Zensuserhebung verknüpft und für zensusunabhängige „umweltund wohnungsstatistische Stichprobenerhebungen“ genutzt werden können. Da das Anschriften- und Gebäuderegister nach der bisherigen Fassung des ZensVorbG nur
zur Vorbereitung des Zensus 2011 dienen sollte, handelt
es sich um einen eindeutigen Fall der nachträglichen
Zweckänderung für eine umfassende Datensammlung.
Ich hatte bereits auf die grundsätzliche Gefahr hingewiesen, dass die für die Durchführung von Sekundärerhebungen notwendige Infrastruktur entgegen der ursprünglichen Intention auch für andere Zwecke genutzt werden
könnte (s. u. Nr. 5.3). Das Anschriften- und Gebäuderegister sollte ein zentrales Infrastrukturelement für den registergestützten Zensus bleiben und nur für diesen. Die
Bundesregierung wollte aber aus politischen Gründen den
bestehenden Datenbedarf des BMVBS im Bereich der
Klima- und Energiepolitik bei der Zensuserhebung nicht
berücksichtigen, um mit dem Merkmalskatalog nicht über
die EU-Zensusverordnung hinauszugehen. Deshalb verfiel sie auf den Ausweg, diesen Bedarf unter Nutzung des
Anschriften- und Gebäuderegisters unabhängig vom
Zensus 2011 durch Stichprobenerhebungen zu decken.
Leider war ich bei der Erarbeitung dieser Änderung nicht
beteiligt worden. Ich werde meine Bedenken im parlamentarischen Verfahren geltend machen.
K a s t e n a zu Nr. 5.5.1
Die Zensuserhebungen nach dem geplanten
ZensG 2011 bestehen aus folgenden Komponenten:
– Auf den Stichtag 9. Mai 2011 bezogene Zusammenführung und Auswertung der Daten der Meldebehörden, der Bundesagentur für Arbeit und von Dateien
zum Personalbestand der öffentlichen Hand
– Postalische Befragung der rund 17,5 Mio. Gebäudeund Wohnungseigentümer zur Gewinnung von Wohnungs- und Gebäudedaten
– Stichprobenerhebungen bei ca. 8 Prozent der Bevölkerung zur Gewinnung aus den Registern nicht entnehmbarer erwerbs- und bildungsstatistischer Daten
– Befragung der Verwalter oder Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften wie Anstalten, Wohnheimen und ähnlichen Einrichtungen (sog. Sonderbereiche)
Hinsichtlich der Merkmale hält sich der Entwurf strikt an
die Vorgaben der EU-Zensusverordnung. Die Erhebung
von über die Anforderungen der EU-Zensusverordnung hinausgehenden Merkmalen, wie der oben erwähnten klimaund energiepolitischen Merkmale oder auch der Religionszugehörigkeit, ist nach dem Entwurf des ZensG 2011 nicht
vorgesehen (näheres s. Kasten b zu Nr. 5.5.1).
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
K a s t e n b zu Nr. 5.5.1
Um den Anforderungen der EU-Zensusverordnung
zu entsprechen, sollen zur Bevölkerung Daten über deren Größe und Zusammensetzung erhoben werden wie
Geschlecht, Alter, Familienstand, Staatsangehörigkeiten, üblicher Aufenthaltsort und Geburtsland. Des Weiteren geht es um erwerbsstatistische Daten wie Erwerbsbeteiligung, ausgeübter Beruf, Stellung im Beruf,
und bildungsstatistische Daten wie höchster allgemeiner
Schulabschluss, höchster beruflicher Bildungsabschluss, aktueller Schulbesuch. Bezüglich des Gebäudeund Wohnungsbestandes sollen Daten zu Art, Lage,
Eigentumsverhältnissen, Baujahr der Gebäude, zur Ausstattung der Wohnungen und zu deren Belegung erhoben werden.
Der Gesetzentwurf verzichtet auf die im ZensVorbG angelegte und nach dessen Begründung auch geplante
Georeferenzierung der Zensusdaten mit Hilfe der geografischen Koordinaten. Unter Georeferenzierung ist in diesem Zusammenhang vor allem die Vorhaltung der
Zensuserhebungsdaten im Bereich der amtlichen Statistik
in geografisch festgelegter kleinräumiger Zuordnung zu
verstehen. Hierbei könnte ein Konflikt mit dem vom
BVerfG im Volkszählungsurteil von 1983 betonten Gebot
der frühzeitigen und vollständigen Anonymisierung der
statistischen Erhebungsdaten auftreten. Deshalb bestand
zwischen den beteiligten Ressorts und mir Einigkeit darüber, dass die Art der georeferenzierten Vorhaltung (zum
Beispiel im Rahmen eines geografischen Quadrats von
bestimmter Größe) im Zensusgesetz festgelegt werden
müsste. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, eine den
Anforderungen des BVerfG genügende Regelung zeitgerecht zu erarbeiten, hat sich die Bundesregierung beim
Zensus 2011 jedoch für den Verzicht auf diese Art der
Datenvorhaltung entschieden.
Außerdem hat das BVerfG im Volkzählungsurteil
von 1983 festgestellt, dass Statistik und Verwaltung strikt
zu trennen sind. Die Weitergabe personenbezogener Daten, die zu statistischen Zwecken erhoben wurden, für
Zwecke des Verwaltungsvollzugs ist ein unzulässiger
Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Damals ging es vor allem um den im Volkszählungsgesetz 1983 vorgesehenen Abgleich der Volkszählungsdaten mit den Melderegisterdaten. Da der
Hauptteil der Erhebungen zum Zensus 2011 aus einer Zusammenführung von vorhandenen Verwaltungsregisterdaten besteht, liegt die Gefahr nahe, dass durch die Zusammenführung korrigierte Daten in nicht anonymisierter
Form in die Ursprungsregister, insbesondere in die Melderegister, zurückfließen. Ich habe besonders darauf geachtet, dass sowohl das Zensusvorbereitungsgesetz als
auch das Zensusgesetz zu diesem Punkt die erforderlichen Schranken enthalten. Der Bürger kann also sicher
sein, dass die Zensuserhebungen 2011 nicht zu einer Korrektur von Verwaltungsdaten und damit unter Umständen
zu Verwaltungsmaßnahmen gegen ihn genutzt werden.