Drucksache 16/12600
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künfte an Parteien zur Wahlwerbung oder an Adressbuchverlage) durch das Erfordernis einer vorherigen
Einwilligung in die entsprechende Datenübermittlung
ersetzt werden.
– Unbefriedigend ist auch die sog. einfache Melderegisterauskunft, die praktisch keinerlei Einschränkungen
unterliegt. Der Meldepflichtige kann zur Zeit – von
wenigen gesetzlichen Ausnahmeregelungen abgesehen – nicht verhindern, dass seine Grunddaten an jedermann herausgegeben werden. Ich halte daher an
meiner Forderung fest, als Korrektiv zumindest ein
generelles Widerspruchsrecht des Betroffenen gegen
einfache Melderegisterauskünfte einzuführen, weil es
sich hier um Daten handelt, die zwangsweise beim
Bürger und primär zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben erhoben werden (vgl. 18. TB Nr. 5.7).
– Die Auskunftsrechte der Betroffenen gegenüber den
Meldebehörden sollten gestärkt werden. Die Betroffenen können nicht erkennen, an welche Stellen Meldedaten fließen. Sie sollten daher die Möglichkeit erhalten zu erfahren, welche Datenübermittlungen im
Einzelfall stattgefunden haben und welche öffentlichen und privaten Stellen Melderegisterauskünfte über
sie eingeholt haben. Das bestehende Auskunftsrecht
über regelmäßige Datenübermittlungen an andere
Stellen sollte entsprechend ergänzt werden.
– Die seit langem erhobene Forderung nach der Abschaffung der allgemeinen Hotelmeldepflicht bleibt
aktuell (vgl. etwa 8. TB Nr. 2.2 und 19. TB Nr. 7.3).
Die mit der Hotelmeldepflicht verbundene millionenfache Datenerhebung ist unverhältnismäßig. Hotelgäste können nicht schlechthin als Gefahrenquellen
oder potentielle Straftäter angesehen werden.
Ob es in der laufenden Legislaturperiode noch zu der vom
BMI angestrebten Reform des Melderechts kommt, war
zu Redaktionsschluss offen.
5.3
Neue Ansätze in der amtlichen Statistik
Die statistische Datenerhebung und -aufbereitung befinden sich im Wandel und erfordern Flexibilität auf Seiten
des Datenschutzes.
In der amtlichen Statistik vollzieht sich seit einiger Zeit
ein tief greifender Wandel, der sowohl die Datenerhebungsprozesse als auch die Aufbereitung der statistischen
Daten und deren Nutzungsmöglichkeiten betrifft.
So gibt es eine deutliche Tendenz zu einer immer stärkeren Nutzung der in Verwaltungsregistern vorgehaltenen
Datenbestände an Stelle von Befragungen der Betroffenen, also weg von der Primärerhebung hin zur Sekundärerhebung. Etwa sollen bei dem Zensus 2011 die Erhebungsdaten zu einem großen Teil aus verschiedenen
Verwaltungsregistern gewonnen werden (vgl. hierzu
Nr. 5.5). Die Hinwendung zu dieser „sekundären“ Datenerhebung wird vor allem mit der Entlastung der von statistischen Erhebungen betroffenen Bürger und der Notwendigkeit von Kosteneinsparungen begründet.
BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Dabei kann man nicht von vorneherein sagen, dass eine
der beiden Methoden datenschutzfreundlicher sei. Bisweilen wird gegen statistische Primärerhebungen angeführt, dass der hiermit verbundene Eingriff größer sei als
bei einer Sekundärerhebung, da ja bei letzterer keine
„neuen“ Daten erhoben würden. Dies ist nur bedingt richtig. Bei einer Sekundärerhebung werden Daten genutzt
und zusammengeführt, die im Regelfall für andere Zwecke erhoben wurden. Sekundärerhebungen gehen deshalb
ganz überwiegend mit Zweckänderungen einher. Die Betroffenen „merken“ zudem nichts davon, dass ihre zunächst für ganz andere Zwecke angegebenen Daten in
einem neuen Zusammenhang verwendet werden. Sie können also auch die Rechtmäßigkeit der Erhebung nicht
selbst prüfen oder den Vorgang der Erhebung beeinflussen. Damit wird von dem datenschutzrechtlichen Grundsatz abgewichen, dass personenbezogene Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis zu erheben sind. Einen
gewissen Ausgleich bietet die auch bei Sekundärstatistiken notwendige bundesgesetzliche Grundlage, in der
schutzwürdige Belange der Bürger unter Wahrung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden müssen. Schließlich setzen umfangreichere Sekundärstatistiken – zum Beispiel die für 2011 geplante Volkszählung – voraus, dass die Daten aus unterschiedlichen
Quellen zusammengeführt werden können, wofür eine
entsprechende Infrastruktur benötigt wird. Es besteht immer die Gefahr, dass diese, für die Durchführung der statistischen Erhebung eingerichtete Infrastruktur entgegen
der ursprünglichen Intention auch für die Zusammenführung von Datenbeständen außerhalb der Statistik verwendet werden kann, mit möglicherweise erheblichen Folgen
für die Betroffenen.
In Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wächst das Interesse an tiefer gegliederten, detaillierteren Informationen.
Einzelangaben sollen deshalb gegebenenfalls in ihrer Veränderung im Zeitablauf betrachtet werden. Dies bedeutet
aber, dass sie auch längerfristig auf den Betroffenen rückführbar sind. Während es in der traditionellen statistischen Auswertung regelmäßig um Datenaggregate geht,
die grundsätzlich nicht personenbeziehbar sind, handelt
es sich bei diesem Ansatz um eine Ergänzung statistischer
Aggregate um die Dokumentation des Verhaltens der einzelnen Erhebungseinheiten (Haushalte, Unternehmen)
auf der so genannten „Mikroebene“.
Dieser Methodenwechsel ist aus datenschutzrechtlicher
Sicht mit einem erheblichen Risiko behaftet, da hier eine
wirksame Anonymisierung, die einen Rückschluss auf
eine identifizierbare statistische Erhebungseinheit zumindest faktisch ausschließt, kaum möglich erscheint. Darüber hinaus steht eine längerfristige Speicherung personenbezogener Einzelangaben im Konflikt mit dem vom
Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil
von 1983 herausgearbeiteten Gebot der möglichst frühzeitigen Anonymisierung im Bereich der amtlichen Statistik. Eine umfassende, auf Dauer bestehende, aus den
unterschiedlichsten Quellen gespeiste und fortgeschriebene Mikro-Datensammlung dürfte daher unzulässig
sein. Unterhalb dieses umfassenden Ansatzes kann aller-