Drucksache 16/12600

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für Bürgerinnen und Bürger als auch für die Wirtschaft
als zentraler telefonischer Zugang zur öffentlichen Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen zur Verfügung
steht (Projekt D115). Anrufer sollen unabhängig von lokalen und sachlichen Zuständigkeiten mit einer leicht zu
merkenden Rufnummer schnelle und verlässliche Auskünfte von der öffentlichen Verwaltung erhalten. Bevor
die „115“ zum selbstverständlichen Bestandteil unseres
Kommunikationsverhaltens wird, sind nicht nur erhebliche organisatorische und technische Herausforderungen
zu meistern, sondern auch datenschutzrechtliche Fragen
zu lösen.
Zentraler Baustein der Infrastruktur von D115 sind die
kommunalen Service-Center, die von den Kommunen
selbst oder in ihrem Auftrag von privaten Anbietern betrieben werden sollen. In einigen Regionen sind solche
Service-Center bereits in Betrieb, wie z. B. das Call-Center Köln/Bonn/Leverkusen oder das Berlin Telefon 900.
Diese regional begrenzten Lösungen sollen in das bundesweite Verfahren integriert werden.
Sobald ein Anrufer die Nummer 115 wählt, geht der Anruf bei dem Service-Center in seiner Region ein. Deshalb
werden die Anrufe zunächst vom jeweiligen Netzbetreiber (Festnetz, Mobilfunk oder Voice over IP) an den für
D115 tätigen Netzbetreiber, die Deutsche Telekom AG
(DTAG), übergeben. Die DTAG leitet die Anrufe an einen weiteren Dienstleister, die dtms GmbH, weiter. Die
dtms GmbH verteilt die Anrufe an das regional zuständige Service-Center. Bei zu hohem Anrufaufkommen
können Anrufe auch an ein anderes Service-Center gesteuert werden (vgl. Kasten zu Nr. 2.7).
Bei der geografischen Zuordnung der Anrufe an das örtliche Service-Center ist strikt darauf zu achten, dass nur
die für die Zuordnung erforderlichen geografischen Angaben erhoben werden. Eine genaue adressscharfe Ortung der Anrufer muss auf jeden Fall unterbleiben. Die
Projektleitung hat hierzu eine akzeptable Lösung entwickelt: Bei Anrufen aus dem Festnetz wird ausschließlich
die Ortsnetzkennzahl, also die Vorwahl, genutzt. Bei
Anrufen aus den Mobilfunknetzen wird die auf der
Funkzelle basierende Standortinformation in eine Zielinformation (Amtlicher Gemeindeschlüssel oder Ortsnetzkennzahl) umgewandelt. Bei Anrufen aus internetbasierten Netzen soll eine geografische Zuordnung nicht
vorgenommen werden. Damit ist sichergestellt, dass im
Service-Center der genaue Aufenthaltsort der Anrufer
nicht bekannt ist.
Der größte Teil der Anrufe soll bereits im Service-Center
(„First Level“) beantwortet werden und zwar unabhängig
davon, ob die Kommune, die das Service-Center betreibt,
hierfür zuständig ist oder nicht. Um die Fragen sachkundig, schnell und korrekt beantworten zu können, soll den
Mitarbeitern der Service-Center eine Wissensdatenbank
zur Verfügung stehen. Erst wenn sie die Fragen nicht beantworten können, etwa weil sie zu fachspezifisch sind
oder ein konkretes Verwaltungsverfahren betreffen, wird

BfDI 22. Tätigkeitsbericht 2007-2008

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der Anrufer an ein zentrales oder ressortspezifisches Service-Center eines Landes oder des Bundes oder ein anderes kommunales Service-Center weitergeleitet („Second
Level“). Kann dem Anrufer auch hier nicht weitergeholfen werden, wird der Anruf an die zuständige Fachbehörde weitergegeben („Third Level“). Im Feinkonzept
wird großer Wert darauf gelegt, dass in all diesen Fällen
keine personenbezogenen Daten verarbeitet oder genutzt
werden.
Neben der sofortigen Beantwortung oder der Weiterleitung der Anrufe sollen die Anliegen in elektronischer
Form erfasst und an die jeweils zuständige Stelle weitergeleitet werden. Daher werden auch personenbezogene
Daten erhoben und verarbeitet. Ich habe großen Wert darauf gelegt, dass in derartigen Fällen die ausdrückliche
Einwilligung des Anrufers eingeholt wird. Ich halte hierfür eine mündliche Einwilligung für ausreichend, die
nach § 4a BDSG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise zulässig ist. Wichtig ist aber, dass sich die
Anrufer eindeutig identifizieren und die Einwilligungen
dokumentiert werden.
Sofern personenbezogene Daten zum Zwecke einer erneuten Auskunftserteilung oder der Weiterverfolgung eines Anliegens auf Wunsch der Anrufer gespeichert werden, erfolgt dies ausschließlich lokal im jeweiligen
Service-Center. Die Daten sind zu löschen, wenn sie nicht
mehr erforderlich sind. Auf meine Empfehlung wurde die
maximale Speicherdauer nach abschließender Bearbeitung auf drei Monate begrenzt. Während der Test- und
Pilotphase ist zu prüfen, inwieweit eine weitere Verkürzung möglich ist.
Falls eine Kommune das Service-Center nicht selbst betreibt, sondern hiermit ein privates Unternehmen beauftragt, sind weitere Anforderungen zu beachten. So muss
zunächst geprüft werden, in welchem Umfang und auf
welcher Grundlage eine Beauftragung überhaupt möglich
ist, ohne dass dabei datenschutzrechtliche Belange beeinträchtigt werden (zu den Anforderungen bei der Auftragsdatenverarbeitung s. Nr. 2.5).
Datenschutzrechtlich problematisch war die ursprünglich
vorgesehene Option, eingehende Drohanrufe aufzuzeichnen. Ich habe die Projektleitung darauf hingewiesen, dass
es nicht zulässig wäre, zunächst alle eingehenden Anrufe
automatisch aufzuzeichnen und durch eine entsprechende
Signalisierung die Drohanrufe lediglich nachträglich von
der Löschung auszunehmen. Diese generelle – wenn auch
nur zeitweilige – Aufzeichnung wäre unverhältnismäßig
und würde gegen das strafbewehrte Verbot des heimlichen Aufzeichnens von Telefongesprächen verstoßen.
Anrufe dürfen deshalb nur aufgezeichnet werden, wenn
aufgrund festgelegter Kriterien anzunehmen ist, dass
Drohanrufe eingehen. Die Aufzeichnung von Anrufen
muss die absolute Ausnahme bleiben.
Ich werde das Projekt D115 weiterhin intensiv begleiten.

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