Drucksache 15/718
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Im Berichtszeitraum wurden insgesamt 9 975 G10-Nachrichten erfasst. Als nachrichtendienstlich relevant haben
sich dabei 73 Meldungen erwiesen. Davon konnten 30 Meldungen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Strafgesetzbuch an
die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden, was in
einem Fall zur Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens des
Generalbundesanwaltes gegen einen mutmaßlichen Terroristen führte.
entführte deutsche Staatsbürger im Ausland einsetzen kann,
um ein rasches Ende einer Geiselnahme zu erreichen. Diese
Bestimmung ermöglicht dem BND in besonderen Krisensituationen die strategische Fernmeldekontrolle auch außerhalb ihres eigentlichen durch § 5 Abs. 1 G10 umrissenen
Bereichs einzusetzen.
In 19 Fällen wurde die G10-Kommission über Gründe, die
einer Mitteilung an Betroffene entgegenstehen, unterrichtet.
Bei diesen Fällen konnte eine Gefährdung des Zwecks der
Beschränkungsmaßnahme durch eine Mitteilung nicht ausgeschlossen werden.
V. Zusammenfassende Bewertung
bb) Gefahrenbereich „Proliferation“ (§ 5 Abs. 1
Satz 1 und 3 Nr. 3 G10)
Die im Bereich „Proliferation/Internationaler Rüstungshandel und -produktion“ bestehenden beiden Anordnungen sind
im Berichtszeitraum jeweils dreimal verlängert und dann im
März 2002 zu einer Anordnung zusammengefasst und noch
einmal verlängert worden.
Im Berichtszeitraum wurden in diesem Gefahrenbereich
insgesamt 27 318 G10-Nachrichten erfasst. Als nachrichtendienstlich relevant stellten sich dabei 551 Meldungen
heraus. Es erfolgten keine Übermittlungen an Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden. Mitteilungsverpflichtungen
gegenüber Betroffenen sind nicht entstanden.
cc) Gefahrenbereich „International organisierte
Geldwäsche“ (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 Nr. 6 G10)
Die im Gefahrenbereich der international organisierten Geldwäsche in Fällen von erheblicher Bedeutung bestehende Anordnung ist im Berichtszeitraum zweimal verlängert worden.
Dabei wurden hier insgesamt 855 G10-Nachrichten erfasst,
von denen sich 8 Meldungen als nachrichtendienstlich relevant erwiesen haben.
Übermittlungen an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sind nicht erfolgt. Mitteilungsverpflichtungen haben
sich nicht ergeben.
3. Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses
bei Gefahr für Leib und Leben einer Person im
Ausland nach § 8 G10
Nach § 8 G10 dürfen Beschränkungen nach § 1 Abs. 1 G10
für internationale Telekommunikationsbeziehungen im
Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 G10 angeordnet werden, wenn
dies erforderlich ist, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für Leib und Leben einer Person im Ausland rechtzeitig
zu erkennen oder ihr zu begegnen, und wenn dadurch Belange der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar in besonderer Weise berührt sind. Die Vorschrift soll es u. a. ermöglichen, dass die Bundesregierung sich schützend für
Berlin, den 19. März 2003
Volker Neumann (Bramsche), MdB
Vorsitzender
Im Berichtszeitraum sind jedoch Beschränkungsmaßnahmen nach § 8 G10 nicht durchgeführt worden.
Nach Artikel 10 Abs. 1 GG sind das Briefgeheimnis sowie
das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich. Dabei
kommt besonders dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses
große Bedeutung zu, weil dieser darauf zielt, dass die Fernmeldekommunikation von unerwünschter oder unbemerkter
Überwachung frei bleibt und die Menschen unbefangen miteinander kommunizieren können.
Es soll verhindert werden, dass der Meinungs- und Informationsaustausch zwischen den Menschen mittels Telefonen deshalb unterbleibt oder nach Form und Inhalt verändert verläuft,
weil die Beteiligten damit rechnen müssen, dass staatliche
Stellen sich in ihre Kommunikation einschalten und Kenntnisse über die Kommunikationsbeziehungen oder -inhalte gewinnen. Es soll denjenigen Gefahren für die Vertraulichkeit
begegnet werden, die sich gerade aus der Verwendung dieses
so enorm verbreiteten Kommunikationsmediums ergeben,
das staatlichem Zugriff erheblich leichter ausgesetzt ist als die
direkte Kommunikation unter Anwesenden.
Dieser Schutz des Fernmeldegeheimnisses durch Artikel 10
GG steht auch in Einklang mit völkerrechtlichen Regelungen, wie sie sich etwa in Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 oder in
Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 9. November
1950 finden.
Den deutschen Nachrichtendiensten, den beteiligten Ministerien und den sie kontrollierenden Gremien kommt insofern eine große Verantwortung bei der Beantragung, Genehmigung und Durchführung jeder einzelnen Anordnung zu.
Für das Parlamentarische Kontrollgremium hat sich der Eindruck erneut bestätigt, dass die Sicherheitsbehörden ihre Tätigkeit auch in diesem Berichtszeitraum äußerst gewissenhaft ausgeübt und die Beschränkungen der Bürgerinnen und
Bürger in diesem Bereich so gering wie möglich gehalten
haben.
Auch in Zukunft wird eine wichtige Aufgabe der Sicherheitsbehörden – aber auch der sie kontrollierenden Gremien
– darin bestehen, unter Einsatz aller rechtsstaatlichen Mittel
einerseits ein größtmögliches Maß an Sicherheit für die
Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zu garantieren
und dabei andererseits die Bedürfnisse jedes Einzelnen auf
Schutz seiner Privatsphäre im Rahmen der rechtsstaatlichen
Ordnung zu wahren.