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Verbesserung der Durchsetzung von
Rechten des geistigen Eigentums –
Umsetzung der IPR-EnforcementRichtlinie
Das geistige Eigentum soll gestärkt werden. Doch zu welchem Preis? Die vorgesehene Verpflichtung von Internetprovidern zur Auskunftserteilung über Kundendaten lässt
mit Blick auf die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten nichts Gutes ahnen.
Bereits in meinem 20. TB (Nr. 7.12.1 und 7.12.2) hatte
ich über die sog. IPR-Enforcement-Richtlinie (Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte
des geistigen Eigentums) berichtet. Artikel 8 verpflichtet
die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass „die zuständigen
Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen
Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden
Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte
über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren
oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen
Person erteilt werden ...“.
Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung
der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums
sieht zur Umsetzung dieser Vorgaben in den einschlägigen
Schutzgesetzen (Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz,
Markengesetz, Halbleiterschutzgesetz, Urheberrechtsgesetz, Geschmacksmustergesetz, Sortenschutzgesetz) Auskunftsansprüche gegen Dritte vor, die selbst nicht Rechteverletzer sind. Der Rechteinhaber soll damit die
Möglichkeit erhalten, den Rechteverletzer mit zivilrechtlichen Mitteln zu ermitteln, um so seine Rechte besser
durchsetzen zu können.
Dies ist vor allem mit Blick auf die Auskunftsverpflichtung von Internetprovidern unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 Telekommunikationsgesetz (TKG) datenschutzrechtlich bedenklich, weil
damit in das Fernmeldegeheimnis eingegriffen wird. Verkehrsdaten sind alle Daten, die bei der technischen
Durchführung eines Telekommunikationsdienstes anfallen. Hierzu gehören auch die IP-Adressen, die zum Surfen im Internet an die Nutzer vergeben werden. In Protokolldateien wird aufgezeichnet, wer wann welche
dynamische IP-Adresse erhält. So ist es möglich, den hinter der IP-Adresse stehenden Kunden zu identifizieren.
Aus meiner Sicht ist es wegen des hiermit verbundenen
massiven Eingriffs in das verfassungsrechtlich geschützte
Fernmeldegeheimnis entgegen den vielfach geäußerten
Wünschen der Rechteinhaber unabdingbar, für die Auskunftserteilung eine vorherige richterliche Anordnung zu
verlangen. Dies sieht der Entwurf auch vor, setzt aber anders als die Richtlinie nicht voraus, dass bereits ein Gerichtsverfahren gegen den Verletzer anhängig ist. Vielmehr soll der Anspruch auch außerhalb eines anhängigen
Gerichtsverfahrens in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung zur Ermittlung des Verletzers dienen. Hierbei hat
die Bundesregierung nach der Begründung (S. 82) vor al-
lem die Tauschbörsen im Auge, „bei denen in großem
Umfang Urheberrechtsverletzungen stattfinden“.
Selbst wenn man insoweit dem Schutz des geistigen Eigentums den Vorrang einräumen wollte, kann dies nur unter engen Voraussetzungen als verhältnismäßig angesehen
werden. Dies gilt zum einen für die Qualität der festgestellten Rechtsverletzung, die den Auskunftsanspruch
auslöst. Dieser soll hier nur bei in gewerblichem Ausmaß
vorgenommenen Rechtsverletzungen bestehen (vgl.
§ 101 Abs. 2 UrhG-E). Damit ist klargestellt, dass etwa
bei illegalen Kopien und Verbreitungen im Internet (z. B.
über Tauschbörsen) ein Umfang erreicht werden muss,
der über das hinausgeht, was einer Nutzung zum privaten
und sonstigen eigenen Gebrauch entsprechen würde.
Zum anderen ist für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von entscheidender Bedeutung, welche Verkehrsdaten verwendet werden dürfen. Hier hatte ich mich besonders nachdrücklich dafür eingesetzt, zumindest in der
Gesetzesbegründung ausdrücklich klarzustellen, dass dies
ausschließlich die Daten sein können, die die Anbieter
von Internet- und Telekommunikationsdiensten unter den
Voraussetzungen des TKG (§§ 96 ff.) für eigene Zwecke
gespeichert haben. Der Zugriff auf die gemäß der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gespeicherten Telekommunikationsdaten (s. u. Nr. 10.1) muss dagegen tabu sein
und, wie von der Richtlinie vorgegeben, auf Zwecke der
Verfolgung von schweren Straftaten beschränkt werden
und bleiben (vgl. hierzu die Entschließung der
71. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes
und der Länder, Kasten zu Nr. 6.5).
Ich bedauere die Auffassung des federführenden BMJ,
die „hoch brisante Frage“, ob und wie ein Zugriff auf
diese Vorratsdaten erfolgen dürfe, erst bei der Umsetzung
der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zu entscheiden und würde es begrüßen, wenn der Gesetzgeber bereits hier für Normenklarheit sorgen würde.
Inhalt und Umfang der Rechte und Pflichten sowohl der
Rechteinhaber als auch der Provider müssen sich eindeutig aus dem Gesetz ergeben. Zudem haben sich die Rechteinhaber bereits ausdrücklich die Einbeziehung der Daten
aus der Vorratsdatenspeicherung in diesen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gewünscht. Dies bestätigt meine
Befürchtungen. Bei einer solchen Preisgabe grundrechtlich geschützter Fernmeldedaten für zivilrechtliche Zwecke nimmt eine Entwicklung ihren Anfang, an deren
Ende diese Daten für kaum noch zu übersehende Zwecke
zur Verfügung stünden. Dies wäre mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. Daher bekräftige ich
meine Forderung nach einer entsprechenden Klarstellung
im Gesetz.
Kritisch bewerte ich auch, dass der Entwurf anders als die
Richtlinie bei den übrigen Drittauskunftsansprüchen keinen Richtervorbehalt vorsieht. In den weitgehend wortgleichen Änderungen der Schutzgesetze (z. B. § 140b
Abs. 2 PatG-E) heißt es, der Drittauskunftsanspruch
könne bereits bei Offensichtlichkeit der Rechtsverletzung
ohne vorherige richterliche Entscheidung geltend gemacht werden. Das halte ich nicht für angemessen. Damit
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
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