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den Deutschen Bundestag ein, das ohne Änderungen verabschiedet wurde und am 1. November 2005 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 2360). Die Neuregelung geht zwar
nicht so weit, die DNA-Analyse mit den sonstigen erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach § 81b StPO völlig
gleichzusetzen, senkt die Schranken für DNA-Analysen
in laufenden Ermittlungsverfahren (§§ 81e, 81f StPO) sowie zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren
(§ 81g StPO) aber doch deutlich ab. Im Gesetzgebungsverfahren habe ich mich sowohl gegenüber dem BMJ als
auch gegenüber dem Rechtsausschuss des Deutschen
Bundestages geäußert. Meinen Anregungen und Bedenken wurde jedoch nicht Rechnung getragen.
Einen wesentlichen Punkt der Neuregelung bildet die Lockerung des Richtervorbehalts. Die DNA-Analyse ist
nunmehr auch auf Grundlage einer Einwilligung des Betroffenen möglich. Da Einwilligungen nur wirksam sind,
wenn sie freiwillig erfolgen, habe ich erhebliche Zweifel,
dass auf Einwilligungsbasis überhaupt in relevantem Umfang DNA-Analysen erfolgen können. Denn der Betroffene befindet sich im Strafverfahren regelmäßig in einer
besonderen Drucksituation. Hinzu kommt bei einer Einwilligung in DNA-Analysen zur Identitätsfeststellung in
künftigen Strafverfahren, dass der Betroffene sich gewissermaßen selbst die erforderliche Negativprognose im
Hinblick auf die Begehung künftiger Straftaten stellen
müsste, was ihm aus meiner Sicht nicht zugemutet werden kann. Eine weitere Schwächung des Richtervorbehalts liegt in der neu eingeführten Eilfallkompetenz für
Staatsanwaltschaft und Polizei. Für diese Regelung sehe
ich kein praktisches Bedürfnis. Es fehlt hier an rechtstatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass gerade durch die
Notwendigkeit der Einschaltung eines Richters in Eilfällen DNA-Analysen nicht rechtzeitig durchgeführt werden
können. Keine Einwände habe ich gegen die erfolgte Abschaffung des Richtervorbehalts für die molekulargenetische Untersuchung von unbekanntem Spurenmaterial.
Bereits in meinem 20. TB (Nr. 7.3.2) hatte ich die richterliche Prüfung in Zweifel gezogen, wenn der Richter den
Spurenleger gar nicht kennt.
Für DNA-Analysen zur Identitätsfeststellung in künftigen
Strafverfahren wurden durch die Neuregelung auch die
Anforderungen an die Anlasstaten und die zu prognostizierenden künftigen Straftaten des Betroffenen herabgesetzt. Für beides waren bislang Straftaten von erheblicher
Bedeutung bzw. Sexualstraftaten erforderlich. Nunmehr
kann jeweils auch die wiederholte Begehung nicht erheblicher Straftaten (z. B. Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch) genügen, wenn dies im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichsteht.
Zu begrüßen ist, dass für das DNA-Massenscreening
(„Massengentest“) auf freiwilliger Basis jetzt eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen wurde
(§ 81h StPO). Dies entspricht meiner seit langem vorgebrachten Forderung nach einer klarstellenden gesetzlichen Festlegung der rechtlichen Rahmenbedingungen
dieses Ermittlungsinstruments (vgl. zuletzt 20. TB
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

Nr. 7.3.4). Leider kommt in der gesetzlichen Regelung
nicht deutlich zum Ausdruck, dass der Massengentest nur
als ultima ratio der strafprozessualen Ermittlungen in Betracht kommt und dass der Teilnehmerkreis, soweit er
nicht klar und bestimmt ist, zunächst so klein wie möglich zu wählen und nur erforderlichenfalls in konzentrischen Kreisen zu erweitern ist.
Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag
vom 11. November 2005 (S. 141) darauf hingewiesen,
dass das Gesetz zur Novellierung der forensischen
DNA-Analyse nach zwei Jahren zu evaluieren und im
Rahmen dessen zu prüfen sei, ob die DNA-Analyse aus
kriminalpolitischen Gründen ausgeweitet werden müsse.
Ich werde dies kritisch verfolgen.
6.4

Strafbarkeitslücke bei heimlicher Ortung

Das heimliche Ausspähen des Aufenthaltsortes einer anderen Person mit Hilfe von elektronischen Diensten sollte
unter Strafe gestellt werden.
Es ist ohne weiteres möglich, mit Mobilfunknetzen den
Aufenthaltsort eines Handynutzers gegen dessen Willen
auszuspionieren (vgl. 19. TB Nr. 11.10.4). Dies gilt insbesondere für die sog. Location Based Services, also jene
Dienstleistungen im Mobilfunkbereich, die dem Nutzer in
Abhängigkeit von seinem Standort zur Verfügung gestellt
werden (z. B. Suchfunktionen für Freunde, Funktionen
zum Finden eines verlegten Handys oder zur Feststellung
des Standorts eines Außendienstmitarbeiters (Nr. 10.2)).
Für sämtliche dieser Dienste wird mit Hilfe von Lokalisierungstechniken das Handy geortet.
Indem dem Betroffenen ein Handy mit einer solchen
Funktion überlassen wird, es bei ihm (etwa im Handschuhfach des Autos) versteckt oder die Funktion unbeobachtet aktiviert wird, lässt sich der Aufenthaltsort des
Betroffenen auch heimlich ermitteln. Ein solcher Missbrauch von Location Based Services ist nach gegenwärtiger Rechtslage nicht strafbar. Da er aber den persönlichen
Lebens- und Geheimbereich des Opfers erheblich verletzt, sollte er nach meiner Auffassung unter Strafe gestellt werden. Vergleichbar schwere Eingriffe in die Privatsphäre stehen bereits unter Strafe, insbesondere die
Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und heimliche
Bildaufnahmen (§§ 201, 201a StGB).
Ich habe deshalb gegenüber dem BMJ angeregt, einen
Tatbestand zu schaffen, der es unter Strafe stellt, wenn jemand unbefugt den Aufenthaltsort einer anderen Person
ausspäht, indem er ohne Einwilligung des anderen einen
standortabhängigen Mobilfunkdienst nutzt oder den anderen heimlich mit einem Ortungsgerät ausstattet. Zwar
sind mir bislang erst einzelne Missbrauchsfälle bekannt
geworden, wie z. B. Anbringen eines Handys mit Ortungsfunktion an der Unterseite eines Autos. Ich gehe
aber davon aus, dass es in diesem Bereich eine hohe Dunkelziffer gibt. Denn Ausspionieren geschieht typischerweise heimlich und wird deshalb vom Opfer häufig gar
nicht bemerkt. Ich werde daher weiterhin auf eine strafrechtliche Regelung hinwirken.

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