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– Eine Verfassungsbeschwerde betraf die Beschlagnahme von Verkehrsdaten, die der Beschuldigte nach
Abschluss des Übertragungsvorgangs auf seinem eigenen PC oder Handy gespeichert hat. Auch wenn das
BVerfG den besonderen Schutz dieser Daten nicht auf
das Fernmeldegeheimnis gestützt hat, so hat es durch
sein Urteil vom 2. März 2006 (Az.: 2 BvR 2099/04)
doch in erfreulicher Weise seine Rechtsprechung zur
Stärkung der Persönlichkeitsrechte fortgesetzt, indem
es im Hinblick auf den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefordert hat, dass bei
der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des staatlichen
Zugriffs die erhöhte Schutzwürdigkeit dieser Daten
besonders zu berücksichtigen ist.
– Eine andere Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen § 100i StPO (IMSI–Catcher). Das BVerfG hat
diese durch Kammerbeschluss vom 22. August 2006
(Az.: 2 BvR 1345/03) bedauerlicherweise nicht zur
Entscheidung angenommen, da es – entgegen der auch
von mir geäußerten Ansicht – einen Eingriff in das
Fernmeldegeheimnis verneint und den Eingriff in das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung als nicht
unverhältnismäßig bewertet hat. Ich begrüße allerdings, dass der Beschluss den Gesetzgeber ausdrücklich dazu aufruft, bei der Neuregelung der heimlichen
Ermittlungsmaßnahmen einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten.
– Zur Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlagnahme von E-Mails, die nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs auf dem Server des Serviceproviders gespeichert sind, steht die Entscheidung des
BVerfG noch aus. Ich erwarte diese mit großem Interesse. In meiner Stellungnahme habe ich dargelegt,
dass solche E-Mails nach meiner Auffassung bis zur
Kenntnisnahme durch den Empfänger dem Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses unterliegen und danach durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt sind.
6.2

Akustische Wohnraumüberwachung

Die Neuordnung der Vorschriften der StPO zum „Großen
Lauschangriff“, die aufgrund des Urteils des BVerfG vom
3. März 2004 erforderlich geworden war, ist in Kraft getreten.
Über das Urteil des BVerfG zum „Großen Lauschangriff“
vom 3. März 2004, mit dem ein erheblicher Teil der Vorschriften der StPO zur akustischen Wohnraumüberwachung für verfassungswidrig erklärt worden war, sowie
über den Gesetzentwurf zu deren Neuregelung habe ich
bereits in meinem 20. TB (Nr. 7.1.1 und Nr. 7.1.2) berichtet. Nach weiteren parlamentarischen Beratungen und
Durchführung eines Vermittlungsverfahrens ist das „Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische WohnraumüberBfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006

wachung)“ nunmehr mit einigen Änderungen am
1. Juli 2005 in Kraft getreten (Gesetz vom 24. Juni 2005,
BGBl. I S. 1841).
Die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf sind
aus datenschutzrechtlicher Sicht bedauerlich. So wurde
der nach den Vorgaben des BVerfG im Hinblick auf die
erforderliche Deliktsschwere reduzierte Katalog der
Straftaten, zu deren Aufklärung eine akustische Wohnraumüberwachung angeordnet werden darf, wieder um
einige Straftatbestände erweitert, z. B. die gewerbs- oder
bandenmäßige Fälschung von Zahlungskarten, Schecks
und Wechseln (§ 100c Abs. 2 StPO). Zudem dürfen personenbezogene Informationen, die aus einer akustischen
Wohnraumüberwachung erlangt wurden, nunmehr zur
Abwehr bestimmter Gefahren verwendet werden, selbst
wenn sie fehlerhaft erhoben wurden und daher einem Verwertungsverbot unterliegen (§ 100d Abs. 6 Nr. 2
Satz 1 StPO). Mein Einwand, dass mit Blick auf die
Rechte des Betroffenen eine solche Weiterverwendung
allenfalls zur Verhinderung schwerster Straftaten, nicht
aber schon zum Schutz von „bedeutenden Vermögenswerten“ in Betracht kommen kann, wurde leider nicht berücksichtigt. Positiv bewerte ich jedoch, dass den insbesondere vom Bundesrat geforderten Ausweitungen dieses
tief in die Privatsphäre eingreifenden Ermittlungsinstruments im Gesetzgebungsverfahren nicht entsprochen
wurde. Insgesamt halte ich die Neuregelung jedoch für
akzeptabel, die in weiten Teilen als Vorlage für die Überarbeitung der Vorschriften zu den sonstigen heimlichen
Ermittlungsmaßnahmen (Nr. 5.4.1), insbesondere der
strafprozessualen
Telekommunikationsüberwachung
(Nr. 6.1), dienen sollte.
Die Bundesregierung hat inzwischen einen neuen Bericht
über akustische Wohnraumüberwachungen für das
Jahr 2005 vorgelegt (Bundestagsdrucksache 16/3068).
Dieser wurde erstmals auf der Grundlage der im Zuge der
Neuregelung konkretisierten Berichtspflicht (§ 100e StPO)
und des neuen Anlasstatenkatalogs erstellt. Im Jahr 2005
wurden demnach insgesamt sieben Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung angeordnet, von denen
sechs durchgeführt wurden. Damit hat sich die Anzahl
der akustischen Wohnraumüberwachungen gegenüber
dem Jahr 2004 fast halbiert. Gegenüber 2003 beträgt der
Rückgang sogar über 80 Prozent. Bei der Verteilung der
Anlasstaten setzt sich der Trend fort, dass bestimmte,
nach wie vor im Katalog enthaltene Delikte (wie z. B.
Geld- oder Wertpapierfälschung, gewerbsmäßige Hehlerei/Bandenhehlerei, Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz) für die akustische Wohnraumüberwachung in der Praxis keine Rolle spielen. Bereits in
meinem 19. TB (Nr. 8.4) und erst recht nach den entsprechenden Ergebnissen des Gutachtens des Max-PlanckInstituts für ausländisches und internationales Strafrecht
in Freiburg zur „Rechtswirklichkeit und Effizienz der
akustischen Wohnraumüberwachung (großer Lauschangriff) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO“ (vgl. 20. TB
Nr. 7.1.4) hatte ich darauf hingewiesen, dass ich die Aufnahme dieser Delikte in den Anlasstatenkatalog nicht für
erforderlich halte. Ich bedauere daher, dass die Novellierung der Vorschriften zur akustischen Wohnraumüberwa-

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Im Berichtszeitraum hatte ich außerdem die Gelegenheit,
zu drei Verfassungsbeschwerden aus dem Bereich der
strafprozessualen Telekommunikationsüberwachung gegenüber dem BVerfG Stellung zu nehmen.

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