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befinden, nur auf bloße Vermutung oder – wie vom
BMVg mitgeteilt – auf angebliche Lebenserfahrung
stützte. Durch Übersendung umfangreicher Zusammenstellungen würde dem MAD unter Umständen eine Vielzahl personenbezogener Daten von Personen übermittelt,
für die er keine Zuständigkeit hat. Es würde sich damit
um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht einer Vielzahl unbetroffener Personen handeln.
Das BMVg hat das vom MAD gewählte Verfahren verteidigt und sieht die Praxis als durch das MAD-Gesetz gedeckt an. Wegen des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht
einer Vielzahl unbeteiligter Personen halte ich hingegen
dieses Verfahren für einen Verstoß gegen den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit (§ 4 Abs. 1 MAD-Gesetz i.V.m.
§ 8 Abs. 3 BVerfSchG) und habe das BMVg gebeten,
diese Praxis durch eine Weisung an den MAD einzustellen.
Die Gespräche mit dem BMVg über dieses Thema werden fortgesetzt.
5.7
BND
5.7.1
Erneute Änderung des Artikel 10-Gesetzes – G 10
Der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des
Artikel 10-Gesetzes wurde ohne kernbereichschützende
Regelungen im Parlament eingebracht.
Über Vorüberlegungen der Bundesregierung zu einer Novellierung des Artikel 10-Gesetzes habe ich bereits berichtet (20. TB Nr. 5.7.1); diese ergaben sich im Wesentlichen aus einem Erfahrungsbericht der Bundesregierung
nach zwei Jahren Anwendung des neuen G 10, vgl.
Bundestagsdrucksache 15/2042. Die Erfahrungen mündeten in den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung
des Artikel 10-Gesetzes, an dessen Vorbereitung ich beteiligt war. Dabei geht es im Wesentlichen um neue Befugnisse für den BND, insbesondere
– die Datenerhebung und -verarbeitung des BND im Bereich der strategischen Telekommunikationsüberwachung,
– erstmals eine Befugnis zur Individualüberwachung
von Telekommunikationsanschlüssen in bestimmten
Fällen sowie
– eine klarstellende Regelung zur Übermittlung der aus
der strategischen Telekommunikationsüberwachung
gewonnenen Daten an ausländische öffentliche Stellen.
Die parlamentarischen Beratungen mit zusätzlichen Änderungsvorschlägen waren bei Redaktionsschluss noch
nicht abgeschlossen. Gegen die vorgesehenen Detailregelungen im Gesetzentwurf bestehen keine grundlegenden
datenschutzrechtlichen Bedenken; es ist jedoch zu befürchten, dass mit solchen partiellen Änderungen immer
wieder neuer Änderungsbedarf hervorgerufen wird. Ärgerlich ist, dass der Entwurf entgegen meinen Mahnungen keine Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung enthält (vgl. auch Nr. 5.4.1), und
BfDI 21. Tätigkeitsbericht 2005-2006
zwar weder bei der Datenerhebung, noch bezüglich der
Kennzeichnung der durch solche TKÜ-Maßnahmen gewonnenen Daten und schon gar nicht zur nachträglichen
Unterrichtung der von solchen Überwachungsmaßnahmen betroffenen Personen. Der Entwurf trägt also ein hohes verfassungsrechtliches Risiko. Bei den weiteren Beratungen werde ich auf die Umsetzung der einschlägigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts drängen,
das mit Urteil vom 3. April 2004 zur akustischen Wohnraumüberwachung (1 BvR 2378/98) und vom 27. Juli 2005
(1 BvR 66804) zum Niedersächsischen Polizeigesetz
hohe Anforderungen an den Kernbereichsschutz gestellt
hat, die auch bei einer präventiven Telefonüberwachung
zu beachten sind.
5.7.2
Beobachtung von Journalisten durch
den BND
Der BND hat über viele Jahre hinweg mit Journalisten
kooperiert, einzelne unter ihnen jedoch auch observiert.
Wie im Herbst 2005 bekannt wurde, hat der BND jahrelang im Inland Journalisten in seine Beschaffungsaktivitäten einbezogen. Anrüchig wurde die Angelegenheit jedoch erst, als öffentlich wurde, dass der BND etliche
dieser Journalisten auch observiert haben soll (vgl. zur
Observation durch Nachrichtendienste auch Nr. 5.5.2).
Der Einsatz solcher nachrichtendienstlicher Mittel ist
dem BND grundsätzlich nach § 3 BND-Gesetz gestattet,
allerdings ist dabei die Verhältnismäßigkeit zu wahren.
Der Dienst beruft sich beim Einsatz dieser Methoden gegenüber Journalisten auf sein Recht zur Eigensicherung
(vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BND-Gesetz). Überwiegend geht es
darum, sog. Nachrichtenabflüsse, also „undichte Stellen“
beim Dienst aufzudecken. Die Angelegenheit ist auch
Gegenstand des Bundestagsuntersuchungsausschusses,
der sich in 2006 konstituiert hat, um diverse Aktivitäten
des BND aufzuklären (s. u. Nr. 5.7.4). Zudem wurden die
Affären durch einen internen Bericht des BND selbst sowie einen Untersuchungsbericht eines externen Sachverständigen im Auftrag des parlamentarischen Kontrollgremiums untersucht.
Mich haben mehrere Eingaben, insbesondere von betroffenen Journalisten erreicht, in denen sie mich um die datenschutzrechtliche Kontrolle der Vorgänge baten. Diesen
hatte der BND z. T. bereits in relativ ausführlicher Form
Auskunft erteilt. Ich habe diese Kontrollen im Rahmen
der begrenzten mir zur Verfügung stehenden personellen
Ressourcen durchgeführt und datenschutzrechtlich wie
folgt bewertet:
– Der erste Petent behauptete, er sei in den 1990-iger
Jahren über mehrere Jahre hinweg vom BND observiert, und seine Daten seien dort gespeichert worden.
Ich habe anhand des BND-internen Untersuchungsberichtes (s. o.) und weiterer Gespräche vor Ort festgestellt, dass der Petent zwar nicht Zielperson der
BND-Aktivitäten war, jedoch in Kontakt mit observierten Personen stand und insofern ins Visier des
BND geraten war. Die Sachlage ist dem Petenten vom
BND ausführlich dargelegt worden. Eine Verletzung
datenschutzrechtlicher Belange des Petenten habe ich